Donnerstag, 19. September 2013

A- Glückspielgesetz: Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VwGH) 2012/17/0249

Urteil des Verwaltungsgerichtshof (VwGH) 2012/17/0249  v. 23.07.2013 s.u.

Nicht geklärte verwaltungsbehördliche Zuständigkeit führt zur Aufhebung von UVS-Entscheidungen
In seinem Erkenntnis vom 23. Juli 2013, Zl. 2012/17/0249, hat sich der Verwaltungsgerichtshof in der strittigen Frage der Abgrenzung von gerichtlicher und verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit der Rechtsmeinung der Verfassungsgerichtshofs angeschlossen (siehe Beitrag: Richtungsweisende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes) .

Da der UVS– ausgehend von der nicht mehr aufrecht erhaltenen Auffassung des VwGH – im Beschwerdefall nur die Höhe der tatsächlich geleisteten Einsätze erhoben hatte, nicht aber welche Einsätze technisch möglich waren, konnte der Verwaltungsgerichtshof auf Grundlage des erhobenen Sachverhaltes die Frage der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit nicht prüfen. Der Verwaltungsgerichtshof gelangt zu dem Schluss, dass das Unterlassen relevanter Tatsachenfeststellungen durch eine Behörde zu einem sekundären Verfahrensmangel führt. Die Entscheidung wurde daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
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VwGH zur Abgrenzung von Gerichtsdelikt und Verwaltungsübertretung bei Glücksspiel
Bei einer verfassungskonformen Interpretation des § 52 Abs. 2 (i. V. m. § 52 Abs. 1 Z 1) GSpG hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden von jener der Strafgerichte darf es laut VfGH 13. 6. 2013, B 422/2013, nur darauf ankommen, ob eine Glücksspielveranstaltung (also das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen mit Spielautomaten über einen bestimmten Zeitraum) mit einem Einsatz von über 10 Euro pro Spiel ermöglicht wird, und nicht darauf, ob der jeweilige Spieler Einsätze von höchstens oder mehr als 10 Euro tatsächlich leistet. Dabei umfasst das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen jeweils nur einen konkreten Spielautomaten und nicht mehrere Spielautomaten (gemeinsam). Dieser Rechtsansicht schließt sich der VwGH, in Abkehr von der etwa in den Erkenntnissen vom 22. 8. 2012, 2012/17/0156, und vom 15. 3. 2013, 2012/17/0365, vertretenen Rechtsansicht zur Auslegung des § 52 Abs. 2 GSpG betreffend die gebotene Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden nach dem Glücksspielgesetz und der Strafgerichte nach § 168 StGB, an (VwGH 23. 7. 2013, 2012/17/0249).
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Glücksspiel: gerichtliche Strafe oder Verwaltungsstrafe, VwGH 23.07.2013, Zl 2012/17/0249
Veröffentlicht am 16. September 2013 von Mag. Andreas Strobl
Ein gemäß § 9 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft wurde zur Zahlung einer Geldstrafe in der Höhe von 6.000 Euro bzw einer Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Stunden verurteilt, weil weder die Gesellschaft noch die Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt im Besitz einer Konzession für die mit den Geräten durchgeführten Ausspielungen gewesen seien, welche nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen seien.
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Glücksspiel: Betreiber dürfen auf Verjährung hoffen
Kommt es in Glücksspielverfahren künftig zu einer Verurteilung, gibt es auch eine Vorstrafe

Für die Anwälte ist es ein gutes Geschäft: Fast 1800 Verwaltungsstrafverfahren gab es im Vorjahr wegen vermeintlicher Verstöße gegen das Glücksspielgesetz. Es geht dabei in aller Regel um die Beschlagnahmung von Spielautomaten, die aus Sicht der Finanz illegal betrieben werden.

Ein neues Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) beschäftigt nun die ganze Branche – und auch die für die Materie zuständigen Ministerien. Künftig ist für die Ermittlungsarbeit nämlich nicht mehr nur die Finanzpolizei zuständig. Immer dann, wenn die theoretische Möglichkeit besteht, dass auf einem Automaten pro Spiel mehr als zehn Euro eingesetzt werden können (Grenze für kleines Glücksspiel), muss das Verfahren an die Staatsanwaltschaft übertragen werden. Es handelt sich dann um kein Verwaltungs-, sondern um ein Strafverfahren, für das in weiterer Folge ein Bezirksgericht zuständig ist.
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Gericht
Verwaltungsgerichtshof (VwGH)
Entscheidungsart
Erkenntnis
Dokumenttyp
Entscheidungstext
Geschäftszahl
2012/17/0249   
Entscheidungsdatum
23.07.2013
Index
Auswertung in Arbeit!
Norm
Auswertung in Arbeit!
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, sowie Hofrat Dr. Köhler, Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Straßegger und Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der B N in H, vertreten durch Kopp - Wittek Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 4. Juni 2012, Zl. UVS- 1-1184/K5-2011, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 17. November 2011 wurde die Beschwerdeführerin als gemäß § 9 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher genannten Gesellschaft der Übertretung der §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 4 sowie 3 iVm § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe von EUR 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 90 Stunden) verhängt.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. Juni 2012 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis keine Folge.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Gesellschaft, deren handelsrechtliche Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin sei, habe in einem Lokal in W am 9. August 2011 drei Glücksspielgeräte betrieben. Mit diesen betriebsbereit aufgestellten, per Internet über einen Server außerhalb der gegenständlichen Betriebsstätte zentralseitig gesteuerten Terminals sei ein Glücksspielprogramm öffentlich zugänglich gemacht worden, wobei die Entscheidung über Gewinn und Verlust ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig gewesen sei. Gewinnauszahlungen an die Spieler seien direkt durch das Personal in der Betriebsstätte erfolgt.
Zu den technischen Eigenschaften der drei Glücksspielgeräte traf die belangte Behörde folgende Feststellungen:
"Auf dem Gerät Nr 1 (Serien-Nummer 01919-0075) konnten die Spiele Party Time, XX Cash, Bingostar, Magic Scatter, (…) und Wild Seven gespielt werden. Beim Spiel 'Wild Seven' war der Mindesteinsatz 0,30 Euro pro Spiel; der maximale Einsatz betrug 5 Euro pro Spiel. Im Rahmen eines Testspiels wurde zum angeführten Tatzeitpunkt von Beamten der Bundespolizeiinspektion Bregenz (im Beisein von Angehörigen der Finanzpolizei) das Spiel 'Wild Seven' mit einem Einsatz von 0,30 Euro gespielt.
Auf dem Gerät Nr 2 (Serien-Nummer 01919-00241) konnten die Spiele Party Time, XX Cash, Bingostar, Magic Scatter, (…) und Wild Seven gespielt werden. Beim Spiel 'Wild Seven' war der Mindesteinsatz 0,30 Euro pro Spiel; der maximale Einsatz betrug 5 Euro pro Spiel. Im Rahmen eines Testspiels wurde zum angeführten Tatzeitpunkt das Spiel 'Wild Seven' mit einem Einsatz von 0,30 Euro gespielt.
Beim Gerät Nr 3 (Serien-Nummer 01919-00238) konnten die Spiele Party Time, XX Cash, Bingostar, Magic Scatter, (…) und Wild Seven gespielt werden. Zum angeführten Tatzeitpunkt wurde beim Gerät Nummer 3 eine Spielerin beobachtet, die das Spiel 'Wild Stars' mit einem Einsatz von 0,30 Euro und das Spiel 'Hot Scatter' mit einem Einsatz von 0,40 Euro spielte."
Bei den gegenständlichen Geräten habe der Spieler die Möglichkeit gehabt, mittels Touchscreen-Monitor zwischen den Spielvarianten zu wählen. Der Spieleinsatz sei mit Spielbeginn vom Guthaben- bzw. Kreditdisplay abgezogen worden. Der spielentscheidende - ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängige -, zentralseitig herbeigeführte Vorgang pro Spiel sei in Form von Symbolen auf einem Bildschirm dargestellt worden. Verschiedene Arten und Kombinationen von Symbolen hätten, entsprechend dem am Terminal angezeigten Gewinnplan, zu den Spielgewinnen geführt. Weder die Gesellschaft noch die Beschwerdeführerin seien zum Tatzeitpunkt im Besitz einer Konzession für die mit den Geräten durchgeführten Ausspielungen gewesen, welche nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen seien.
Die Berufung habe zwar die sachliche Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft B vorgebracht, weil Verstöße gegen das Glücksspielgesetz nicht verwaltungsstrafrechtlich, sondern ausschließlich gerichtlich zu ahnden seien. Aus dem gegenständlichen Sachverhalt ergäben sich nach Ansicht der belangten Behörde jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass gegenständlich Einsätze getätigt worden seien, auf Grund welcher sich eine allfällige Strafbarkeit gemäß § 168 StGB ableiten ließe. Nur im Falle eines erwiesenermaßen tatsächlich geleisteten Einsatzes (Anm.: Hervorhebung durch den VwGH) von mehr als EUR 10,-- trete eine allfällige Strafbarkeit nach dem Glücksspielgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück, weshalb hier § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG anzuwenden und die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft gegeben gewesen sei.
Der Schuldausschließungsgrund des Rechtsirrtums nach § 5 Abs. 2 VStG liege nicht vor. Auch mit der auf das Urteil des EuGH zu "Dickinger & Ömer" gestützten unionsrechtlichen Argumentation dringe die Berufung nicht durch: Angesichts des Ausmaßes des illegalen Glücksspiels in Österreich sei eine Werbung in dem angeführten Umfang nicht von vornherein als überschießend anzusehen. Im Übrigen sei darauf zu verweisen, dass sich die Berufung im vorliegenden Fall auf keinen Sachverhalt berufe, der die Anwendung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten begründen könne.
Ausgehend von dem als zumindest fahrlässig zu qualifizierenden Verhalten sei die festgesetzte Strafe schuld-, tat-, vermögens- und einkommensangemessen.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
4.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 52 Glücksspielgesetz (GSpG) in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 111/2010 lauteten:
"§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;
(2) Werden in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück. Die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§ 54 und 56a bleiben davon unberührt."
4.1.2. Der seit Erlassung des Strafgesetzbuches, BGBl. 60/1974, unveränderte § 168 StGB lautet:
"Glücksspiel
§ 168. (1) Wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen, oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.
(2) Wer sich gewerbsmäßig an einem solchen Spiel beteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."
4.2. Im Erkenntnis vom 13. Juni 2013, Zl. B 422/2013- 9, hat der Verfassungsgerichtshof jüngst zur Frage der das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK in Hinblick auf § 168 StGB berücksichtigenden Auslegung der Abgrenzungsregelung des § 52 Abs. 2 GSpG iVm dem Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG wie folgt Stellung genommen:
"Ungeachtet der Formulierung des § 52 Abs. 2 GSpG (iVm dem Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG) kann diesem nicht der (verfassungswidrige) Inhalt unterstellt werden, dass die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde nach dem Glücksspielgesetz und der Strafgerichte nach § 168 StGB nach den vom jeweiligen Spieler tatsächlich geleisteten Einsätzen (höchstens oder über EUR 10,--) abhängt. Der Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG erfasst nämlich das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG. Die Strafbarkeit knüpft somit nicht - wie dies aus der Textierung des § 52 Abs. 2 GSpG missverstanden werden könnte - an das Verhalten des konkreten Spielers - also daran, ob dieser im Einzelfall einen Einsatz von höchstens oder unter EUR 10,-- an einem Glücksspielautomaten tatsächlich leistet -
an, sondern stellt auf das Verhalten jener Person ab, die einem Spieler verbotene Ausspielungen ermöglicht ('wer … veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht …' - § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG). Bei der Abgrenzung der Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 (Z 1) GSpG und nach § 168 StGB sowie damit auch der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte ist somit - bei einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK berücksichtigenden Auslegung (vgl. VfSlg. 15.199/1998 mwN) - darauf abzustellen, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Spielprogramm veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht, der bzw. das Einsätze von höchstens EUR 10,-- oder mehr als EUR 10,-- ermöglicht. Würde auf die tatsächlichen Einsätze des jeweiligen Spielers abgestellt (wie dies der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Rechtsprechung und die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid tun), würde eine Tat, also ein Lebenssachverhalt bzw. dasselbe Verhalten einer Person (nämlich des in § 52 Abs. 1 (Z 1) GSpG und § 168 StGB umschriebenen Täterkreises), in mehrere strafbare Handlungen zerlegt, obwohl diese strafbaren Handlungen dieselben wesentlichen Elemente ('essential elements') aufweisen und die eine strafbare Handlung den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mitumfasst. Das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen, bei denen Einsätze bis zu EUR 10,-- pro Spiel geleistet werden können, erschöpft sich vollständig in dem gemäß § 168 Abs. 1 StGB strafbaren Verhalten in Bezug auf (Automaten)Glücksspiele bzw. die darauf installierten Spielprogramme mit Einsätzen über EUR 10,--.
Bei einer verfassungskonformen Interpretation des § 52 Abs. 2 (iVm § 52 Abs. 1 Z 1) GSpG hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden von jener der Strafgerichte darf es somit nur darauf ankommen, ob eine 'Glücksspielveranstaltung' (also das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen mit Spielautomaten über einen bestimmten Zeitraum) mit einem Einsatz von über EUR 10,-- pro Spiel ermöglicht wird, und nicht darauf, ob der jeweilige Spieler Einsätze von höchstens EUR 10,-- oder mehr als EUR 10,-- tatsächlich leistet. Dabei umfasst das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen jeweils nur einen konkreten Spielautomaten und nicht mehrere Spielautomaten (gemeinsam).
3.4. (…)
3.5. Aus der dargelegten verfassungskonformen Interpretation der Abgrenzungsregelung des § 52 Abs. 2 GSpG ergibt sich im Übrigen die Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde - auch nach Maßgabe der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 7 B-VG bzw. Art. 2 StGG und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG - stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden kann (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können), um derart beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs. 1 GSpG besteht."
4.3. Dieser Rechtsansicht schließt sich der Verwaltungsgerichtshof - in Abkehr von der etwa in den hg. Erkenntnissen vom 22. August 2012, Zl. 2012/17/0156, und vom 15. März 2013, Zl. 2012/17/0365, vertretenen Rechtsansicht zur Auslegung der Bestimmung des § 52 Abs. 2 GSpG betreffend die gebotene Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden nach dem Glücksspielgesetz und der Strafgerichte nach § 168 StGB - an.
Der Bildung eines verstärkten Senates bedurfte es hierzu nicht, weil ein verstärkter Senat gemäß § 13 Abs. 1 VwGG dann nicht erforderlich ist, wenn eine bestimmte von der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende Auslegung aufgrund einer vom Verfassungsgerichtshof für geboten erachteten verfassungskonformen Auslegung erforderlich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. September 2005, Zl. 2005/17/0029, und vom 24. August 2011, Zl. 2010/06/0002, mwN).
4.4. Wendet man die oben unter Punkt 4.2. wiedergegebenen Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so folgt daraus:
4.4.1. Die Beschwerdeführerin hat bereits in ihrer Rechtfertigung vom 8. November 2011 ausdrücklich vorgebracht, dass mit den verfahrensgegenständlichen Geräten Spiele mit einem höheren Einsatz als EUR 10,-- hätten durchgeführt werden können und auch tatsächlich durchgeführt worden seien. Dieses Vorbringen hat sie sowohl in der Berufung als auch in der Beschwerde aufrechterhalten.
4.4.2. Den oben unter Punkt 2. wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zu den Eigenschaften der verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräte ist zu entnehmen, dass auf diesen eine Vielzahl von Spielen durchgeführt werden konnte. Jedoch ist nur hinsichtlich eines der auf den Geräten Nr. 1 und Nr. 2 installierten Spiele - "Wild Seven" - der Mindesteinsatz von EUR 0,30 festgestellt und zu diesem Spiel überdies festgehalten, der maximale Einsatz habe EUR 5,-- betragen. Hinsichtlich des Gerätes Nr. 3 ist lediglich festgestellt, dass eine Spielerin beobachtet worden sei, die zwei Spiele mit einem Einsatz von EUR 0,30 bzw EUR 0,40 gespielt habe.
Diesen Feststellungen kann nicht entnommen werden, ob eines der auf den konkreten - jeweils gesondert zu beurteilenden - Glücksspielgeräten installierten Spielprogramme Spiele mit einem Einsatz von über EUR 10,-- ermöglichte, das heißt, welcher mögliche Höchsteinsatz an den verfahrensgegenständlichen Glücksspielautomaten jeweils geleistet werden konnte (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden konnten). Derartige Feststellungen wären erforderlich gewesen, um ausgehend von der dargestellten Rechtslage beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs. 1 GSpG besteht.
4.4.3. Die belangte Behörde ist - offenkundig ausgehend von der nicht aufrecht erhaltenen Rechtsansicht, die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde sei anhand der tatsächlich geleisteten Einsätze zu beurteilen, - der ihr obliegenden Ermittlungspflicht betreffend die nunmehr als rechtlich relevant erkannten Tatsachen nicht nachgekommen. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen kann sohin die Frage des Vorliegens der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit nicht geklärt werden.
Unterlässt die belangte Behörde ausgehend von einer sich als unzutreffend erweisenden Rechtsmeinung relevante Tatsachenfeststellungen, so liegt ein sekundärer Verfahrensmangel vor.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 23. Juli 2013
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!
Im RIS seit
09.08.2013
Zuletzt aktualisiert am
09.08.2013
Dokumentnummer
JWT_2012170249_20130723X00

Quelle
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