Montag, 3. April 2017

Kommentar zum Beschluss des OVG NRW vom 29.03.2017

Auswirkungen des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 29.03.2017 – Az. 4 B 919/16 (Pressemitteilung des OVG NRW vom 30.03.2017) auf laufende Nutzungsgenehmigungsverfahren für Wettvermittlungsstellen in Nordrhein-Westfalen

In einem durch die Kanzlei KARTAL Rechtsanwälte geführten Beschwerdeverfahren kommt der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land NRW (Az. 4 B 919/16) zu der Auffassung, dass das Mindestabstandsgebot nach § 22 Abs. 1 Glücksspielverordnung NRW nicht auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht und damit die Berufsausübungsfreiheit von Wettbürobetreibern nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.

Die gesetzliche Ermächtigung in § 22 Abs. 1 Nr. 3 AG GlüStV NRW dürfte dem Verordnungsgeber derart weitreichende und grundrechtsrelevante Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit von Wettvermittlern nicht gestatten.

Der Unterzeichner weist darauf hin, dass laufende Nutzungsgenehmigungsverfahren für Wettvermittlungsstellen in NRW nunmehr nicht mit dem Argument abgelehnt werden dürfen, dass das Mindestabstandsgebot zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht eingehalten wird. Bedauerlicherweise haben in der Vergangenheit viele Kommunen gerade wegen diesem Mindestabstandsgebot die beantragte Nutzungsgenehmigung zu Unrecht abgelehnt.

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Rechtsanwalt Jusuf Kartal
Kartal Rechtsanwälte
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s.a. VG Köln 9. Kammer | 9 K 5923/14
Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch Abstandsregelung zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe
Rn 22  Auf diese Bestimmung kann die Beklagte ihre Ordnungsverfügung jedoch nicht stützen, da sie – soweit sie die Abstandsregelungen zu Schulen und Einrichtungen  der Kinder- und Jugendhilfe betrifft - gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt und damit unwirksam ist.
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Es ist zu berücksichtigen, dass die Sportwettenentscheidungen des EuGH zur Dienstleistungsfreiheit auch für das Spielhallenrecht gelten, das wie das Internetglücksspiel ebenfalls unter die Dienstleistungsfreiheit fällt. (vgl. u.a. Admiral (C-464/15) Rn 22 ff, EuGH Berlington (C-98/14) Rn 90, Pfleger (C-390/12)

Der EuGH sieht in einer Mindestabstandsregelung einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit 

Wenn staatliche Anbieter durch eine rechtliche Vorgabe begünstigt werden, dann ist diese Bevorzugung rechtswidrig. So verstößt auch die Mindestabstandsregelung, die nur für die privaten Unternehmen eingeführt wurde und die staatlichen Glücksspielanbieter davon ausnimmt, gegen höheres Recht und führt zu einer Wettbewerbsverzerrung und Diskriminierung.

Mit der Abstandsregelung  wird der Marktzugang für neue Betreiber beschränkt und der Wettbewerb in ungerechtfertigter Weise einschränkt.
Eine solche Maßnahme bedeutet eine Diskriminierung der von der Ausschreibung ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer. 
(Costa; C-72/10 und C 77/10)
Eine Mindestentfernung schränke den Wettbewerb in ungerechtfertigter Weise ein, indem er den Marktzugang für neue Betreiber beschränke.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs steht nämlich Art. 49 AEUV Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit entgegen, d. h. jeder staatlichen Maßnahme, die die Ausübung der vom AEU-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsbürger behindern oder weniger attraktiv machen kann.
(Grupo Itevelesa SL u.a.; C-168/14)
Auch darf eine Beschränkung nicht an einer starren Personenzahl festgemacht werden.
(Sokoll-Seebacher, Naderhirn; C-634/15)
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Gemäß dem Beschluss des VG Trier 26.09.2012 verstoßen die gesetzlichen Regelungen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies nicht nur in Bezug auf Art. 12 GG, sondern insbesondere auch im Hinblick auf die grundrechtsgleichen Rechte nach Unionsrecht.
Es wird zu prüfen sein, ob durch das "praktizierte Berufsverbot“ nicht unzulässige Eingriffe in geschützte Grundrechte (GG) und in Gemeinschaftsgrundrechte  (BÜRGERRECHTE) der Europäischen Union vorliegen, so das VG Trier. (vgl. EuGH Winner-Wetten, Rn 58)
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Was für Wettannahmestellen gilt, muß wegen des Kohärenzgebotes auch für Spielhallenbetreiber gelten!

Gemäß der EuGH-Urteile Pfleger (C-390/12), Berlington u.a. (C-98/14) zu Spielautomaten und u.a.Winner Wetten (C-409/06) fällt eine Ausnahmeregelung selbst in den Geltungsbereich des Unionsrechts.
Mit dem Urteil Pfleger (C-390/12), werden dem Glücksspielunternehmer (Automatenaufsteller) subjektive Rechte unmittelbar aus den Grundrechten bestätigt.
Mit dem Urteil Berlington u.a. (RS. C-98/14) zum Spielhallenrecht geht der EuGH über das Urteil Pfleger (C-390/12) vom 30.04.2014 hinaus, das alle mit ähnlichen Fällen befasste Gerichte bindet.

Nach der Entscheidung Berlington u.a. (C-98/14) vom 11. Juni 2015 ist eine unangemessen hohe Besteuerung  soweit sie geeignet ist, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit in Gestalt des Betriebs von Geldspielautomaten in Spielhallen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) zu werten.
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Die Dienstleistungsfreiheit gilt auch für Automatenaufsteller, wodurch alle EuGH-Urteile zur Dienstleistungsfreiheit auch für das Spielhallenrecht anzuwenden sind. s.u.a. Admiral (C-464/15)

Die Auflagen und Einschränkungen des GlüStV nebst den Ausführungsgesetzen stellen rechtfertigungsbedürftige Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV dar.

Über die unionsrechtswidrigen Abstandsregelungen wären nur noch eine begrenzte Anzahl von Standorten in einem Stadtgebiet überhaupt „zulassungsfähig“ wodurch ein Ausweichen auf andere Standorte unmöglich ist und sich die Regelung als Berufsverbot für die überzähligen Betriebe (rund 80-90%) darstellt. Entsprechend dem VG Trier s.o. wird zu prüfen sein, ob durch das "praktizierte Berufsverbot“ nicht unzulässige Eingriffe in geschützte Grundrechte (GG) und in Gemeinschaftsgrundrechte (BÜRGERRECHTE) der Europäischen Union vorliegen.

Entsprechend dem Verfassungsrecht gelten für ein faktisches Verbotsgesetz die erheblich strengeren Maßstäbe der objektiven Berufszulassungsregel.
vgl.
BVerfG, Urt. v. 16.03.l971 - 1 BvR  52/66  u.a. (Erdölbevorrratung), E 30,292,313 f; Beschl. v. 24.08.2011 - 1
BvR 1611/11, juris, Rn. 12; Gubelt in von Münch/Kunig, GG, Bd. 1,5. Aufl., Art. 12 Rn. 59; Scholz in MaunzIDürig


Unstimmigkeit im Ordnungsrecht
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Kritik am Urteil des BVerwG vom 16.12.2016

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