Donnerstag, 1. März 2018

EuGH: Die ungarischen Rechtsvorschriften zur Konzessiosvergabe sind unionsrechtswidrig

zum Urteil

Gerichtshof der Europäischen Union
PRESSEMITTEILUNG Nr. 22/18
Luxemburg, den 28. Februar 2018
Urteil in der Rechtssache C-3/17
Sporting Odds Ltd / Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Irányítása
Presse und Information
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Die ungarischen Rechtsvorschriften über die Erteilung von Konzessionen zum Betrieb herkömmlicher Kasinos sowie über die Veranstaltung von Online-Kasinospielen sind mit dem Unionsrecht nicht vereinbar


Diese Vorschriften hindern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Glücksspielveranstalter  nämlich in diskriminierender Weise am Zugang zum ungarischen Markt für diese Spiele

Sporting Odds ist eine britische Gesellschaft, die eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Glücksspielen – unter Einschluss von Kasinospielen – im Vereinigten Königreich besitzt.

Im Jahr 2016 stellte die ungarische Finanzverwaltung fest, dass Sporting Odds in Ungarn Online-Glücksspiele anbot, ohne über die nach den ungarischen Rechtsvorschriften hierfür erforderliche Konzession oder Erlaubnis zu verfügen. Für diesen  Rechtsverstoß verhängte die Finanzverwaltung gegen Sporting Odds ein Bußgeld in Höhe von 3 500 000 ungarischen Forint (etwa 11 260 Euro).

Sporting Odds ist  der Ansicht, dass die ungarische Regelung für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen, insbesondere die Regeln für Online-Kasinospiele, gegen das Unionsrecht verstießen, und erhob deshalb gegen die Entscheidung der Finanzverwaltung Anfechtungsklage zum  Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs-  und Arbeitsgericht, Ungarn).

Dieses Gericht hat dem Gerichtshof u. a. die Frage gestellt, ob die nationalen Vorschriften für die Veranstaltung  von  herkömmlichen  und Online-Kasinospielen mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar sind.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass der Umstand, dass in Ungarn bestimmte Arten von Glücksspielen (namentlich Sport-  und Pferdewetten) einem staatlichen Monopol unterliegen, während andere (insbesondere herkömmliche und Online-Kasinospiele) von über eine entsprechende Erlaubnis verfügenden  privaten Veranstaltern durchgeführt werden dürfen, die Vereinbarkeit dieses Monopols mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs nicht in Frage stellt. Denn ein solches duales System beeinträchtigt  für sich genommen nicht die Geeignetheit dieses Monopols zur Erreichung seines Ziels, Glücksspielsucht bei den Bürgern zu verhindern.

Auch der Umstand, dass dieses duale System offenbar nicht nur bezweckt, die mit ihm verfolgten legitimen Ziele zu erreichen, sondern auch, zusätzliche Staatseinnahmen zu generieren und eine kontrollierte Expansion von Glücksspielen zu begünstigen, stellt für sich allein nicht die Rechtmäßigkeit der ungarischen gesetzlichen Regelung in Frage, soweit diese die genannten Ziele tatsächlich verfolgt.

Demzufolge stellt der Gerichtshof  –  unter dem Vorbehalt der von dem ungarischen Gericht zu überprüfenden Einhaltung dieser Ziele  –  fest, dass  das duale System zur Organisation des Glücksspielmarkts in Ungarn mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Sodann bemerkt der Gerichtshof, dass die Möglichkeit, eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Kasinospielen  zu erhalten, nach  der ungarischen Regelung  ausschließlich Veranstaltern vorbehalten ist, die aufgrund einer Konzession ein Kasino im Inland betreiben, was eine diskriminierende Beschränkung darstellt. Nach Auffassung des Gerichtshofs lässt sich eine derart einschneidende Beschränkung  des Grundsatzes  des freien Dienstleistungsverkehrs mit den von der ungarischen Regierung genannten Zielen der öffentlichen Ordnung und Gesundheit  nicht rechtfertigen, da diese Ziele mit weniger beeinträchtigenden Maßnahmen erreicht werden könnten.

Hinsichtlich der Frage, ob Ungarn auf nicht diskriminierende Weise sicherstellt, dass die Vorbedingung für den Erhalt einer Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Kasinospielen (nämlich der Besitz einer Konzession zum Betrieb eines herkömmlichen Kasinos) von den Veranstaltern erfüllt werden kann, verweist der Gerichtshof auf sein Urteil Unibet 1, mit dem er in einem anderen Kontext bereits festgestellt hatte, dass die ungarische Regelung über den Zugang zu Konzessionsverträgen, die die Veranstaltung von Online-Glücksspielen ermöglichen, rechtswidrig ist.

Der Gerichtshof weist daher darauf hin, dass  das ungarische Recht zwar die Möglichkeit von Ausschreibungen zur Vergabe von Konzessionsverträgen vorsieht, eine solche Ausschreibung aber bislang in Ungarn  nicht  durchgeführt wurde. Außerdem  stellt  die Bedingung, dass ein „zuverlässiger“ Glücksspielveranstalter  – mit dem der Staat nach ungarischem Recht auch ohne Ausschreibung Konzessionsverträge abschließen kann – zehn Jahre lang Glücksspiele in Ungarn veranstaltet haben muss, eine Ungleichbehandlung dar. Denn dieses Erfordernis benachteiligt in anderen Mitgliedstaaten ansässige Glücksspielveranstalter gegenüber inländischen Veranstaltern, die diese Voraussetzung leichter erfüllen können.

Unter diesen Bedingungen stellt der Gerichtshof fest, dass weder die ungarische Regelung über die Erteilung von Konzessionen zum Betrieb herkömmlicher Kasinos noch die ungarische Regelung für die Veranstaltung von Online-Kasinospielen mit dem Grundsatz  des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar sind.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen.  Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1 Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2017, Unibet International (C-49/16, siehe auch PM 68/17).

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Quelle: PRESSEMITTEILUNG Nr. 22/18

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