Samstag, 3. März 2018

Erst jetzt bestätigt das BMF die Anwendung des EuGH Urteils Hedqvist (Bitcoin)


Mit dem Schreiben vom 27. Feb. 2018 bestätigt das Bundesfinanzministerium die Anwendung des  Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Oktober 2015, C-264/14, Hedqvist zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Bitcoin und anderen sog. virtuellen Währungen.
"Mit Urteil vom 22. Oktober 2015 hat der EuGH entschieden, dass es sich bei dem Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der sog. virtuellen Währung Bitcoin und umgekehrt um eine Dienstleistung gegen Entgelt i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSysRL handelt, die unter die Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSysRL fällt." 

III. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Im Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 7. Februar 2018 - III C 3 - S 7433/15/10001 (2018/0108025), BStBl I Seite xxx, geändert worden ist, wird in Abschnitt 4.8.3 nach Absatz 3 folgender neuer Absatz 3a eingefügt:

„(3a)  1 Sog. virtuelle Währungen (Kryptowährungen, z.B. Bitcoin) werden den gesetzlichen Zahlungsmitteln gleichgestellt, soweit diese sog. virtuellen Währungen von den an  der Transaktion Beteiligten als alternatives vertragliches und unmittelbares Zahlungsmittel akzeptiert worden sind und  keinem anderen Zweck als der Verwendung als Zahlungsmittel dienen (vgl. EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2015, C-264/14, Hedqvist,  BStBl 2018 II S. xxx). 2 Dies gilt nicht für virtuelles Spielgeld (sog. Spielwährungen oder Ingame-Währungen, insbesondere in Onlinespielen).
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.“

BitcoinBlog
Nun ist es offiziell: Die Umsatzsteuer auf Kryptowährungen ist endgültig vom Tisch
Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums an die obersten Finanzbehörden der Länder vom 27. Februar, das auf der Webseite des Ministeriums veröffentlicht ist, bestätigt nun auch gegenüber den Behörden die Anwendung des Urteils des EuGH und bestätigt den Inhalt der E-Mail, die “Kryptotaxpert” bereits am 21.02.2018 auf seiner Seite veröffentlicht hat.
Beim Umtausch von Bitcoin in Euro handelt es sich um eine „steuerbare sonstige Leistung, die im Rahmen einer richtlinienkonformen Gesetzesauslegung nach § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei ist.“ Die Grundsätze dieser Anordnung seien in allen offenen Fällen anzuwenden.
Wer also sich noch irgendwie von der Umsatzsteuer bedroht fühlt, kann nun offiziell aufatmen.

Warum aber hat das Bonner Finanzamt nun trotz all dem einen Umsatzsteuerbescheid erlassen?
Die Antwort darauf dürfte einen interessanten Einblick darin geben, wie deutsche Behörden zu arbeiten verpflichtet sind.

Die Hauptsachgebietsleiterin Betriebsprüfung und Gewerbesteuer beim Finanzamt Bonn-Innenstadt verwies im Rahmen eines Telefonats mit Herrn Densch darauf, dass ohne Anwendungsschreiben der vorgesetzten Behörde ein EuGH Urteil nicht unmittelbar durch das Finanzamt umgesetzt werden darf.

Unglücklicherweise orientierte sich die Verwaltungsmeinung noch an der Auffassung des BMF die Umsätze mit Bitcoin unterliegen der Umsatzsteuer.
Das Finanzamt Bonn-Innenstadt hatte somit keine andere Wahl, als den mißliebigen Bescheid zu erlassen, auch wenn es sich selbst im klaren war, dass dieser nicht rechtens sein kann.
Wie auf dem BitcoinBlog dargelegt wird, wendet Deutschland die unmittelbar anwendbare Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 (sog. EU-Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, MwStSystRL) entgegen der Durchführungsverordnung (DVO) (Art. 288 UA 2 AEUV), sowie die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs nur an, wenn ein entsprechendes Anwendungsschreiben vorliegt.
Demnach dürfen die Finanzämter die MwStSysRL sowie die EuGH Urteile nicht unmittelbar umsetzen, wozu diese jedoch verpflichtet sind. (s.u.a. BVerfG, 2 BvR 1476/01 – Rn 11)

Pflicht zur Befolgung der Vorgaben eines übergeordneten Gerichts, EuGH (Rs. C-581/14)

Um die einheitliche und volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu sichern, sind unionsrechtswidrige mitgliedstaatliche Regelungen nicht nur unmittelbar zu beseitigen, sondern dürfen aufgrund des Anwendungsvorrangs auch nicht weiter angewandt werden. (Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit)

Davon weicht das Anwendungsschreiben vom 27.2.2018 ab, das vorsieht das EuGH Urteil Hedqvist erst jetzt und nur für die offenen Fälle anzuwenden. Mit dem verspätetem Anwendungsschreiben wurden unnötige Auseinandersetzungen mit den Finanzämtern provoziert, die bei einer unmittelbaren Umsetzung vermeidbar gewesen wären. Dieses Verhalten führt zum Staatsverdruss und stellt einen weiteren Verstoß gegen die Verträge dar.

Die MwStSystRL ist mit der DurchführungsVO - ohne dass es eines nationalen Umsatzungsaktes bedarf  – in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht. weiterlesen

Die Einheitliche, d.h. die im ganzen Gebiet der Gemeinschaft gleiche Geltung des Gemeinschaftsrechts, hier in Form der ”harmonisierten” Mehrwertsteuer kann jedoch nur bewirkt und aufrechterhalten werden, wenn das Gemeinschaftsrecht Vorrang hat und die Mitgliedstaaten kein Recht dazu haben von dieser Regelung eigenmächtig abzuweichen.
(vgl. EuGH-Urteile C-264/14, C-390/15; s.a.: BFH XI R 37/14, Rn 26, 27 / EuGH C-338/98 Rn. 55f;   C-114/14, Rn 17, C-204/03, Rn. 28; C-264/14, Rn 33; C-540/09, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung)

Die nationalen Behörden und Gerichte haben die unmittelbar gültige MwStSystRL anzuwenden, wie sie ist, und dürfen diese nicht auslegen.

Das heißt, das Auslegungsfragen nach den in der 6. EG-RL/MwStSystRL verwendeten gemeinschaftsrechtlichen Begriffen und dem darin umrissenen Mehrwertsteuersystem zu lösen sind.
(vgl. EuGH-Haderer, C-445/05, Rn 17)

Es ist alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften "auszuschalten", die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Unionsnormen bilden. (BFH Urteil vom 24.10.2013, V R 17/13)

Die Mitgliedstaaten können lediglich das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in nationales Recht umsetzen. Diese haben jedoch keine Gesetzgebungskompetenz. (vgl. BFH Urteil vom 26.7.2017, XI R 3/15, Rn 15ff)

Sollte eine Behörde oder ein Gericht der Meinung sein, es gäbe offene Fragen, so sind diese dem EuGH vorzulegen. (vgl. BFH, Urteil vom 30.8.2017, XI R 37/14,  Rn 26ff)

Deutschland war verpflichtet das gemeinschaftsrechtliche Mehrwertsteuersystem vollständig umzusetzen. Bereits am 26.11.1979 wurde ein Gesetz zur Durchführung der Richtlinie mit Wirkung zum 1.1.1980 erlassen. weiterlesen

Wie aus den aktuellen Vertragsverletzungsverfahren – (EuGH Urteile vom 8. Februar 2018, C‑380/16 und C‑616/15 vom 21. September 2017) hervorgeht, wird dies durch die BRD noch immer mißachtet.

Kommission fordert DEUTSCHLAND auf, sein MwSt-Erstattungssystem mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen. weiterlesen

Was passieren kann, wenn Eu-Recht nicht oder nicht vollständig umgesetzt wird, legte die ehemalige Verfassungsrichterin Prof. Gertrude Lübbe-Wolff zur Aarhus-Konvention dar.

Prof. Gertrude Lübbe-Wolff zur Nichtumsetzung des EU-Rechts in Frontal 21 vom 27.02.2018:
„Was Behördenleitern oder verantwortlichen Ministern droht, die sich nicht an das Recht und Gesetz halten, das hat das BVerfG entschieden. Das würde bedeuten das nicht nur ein Zwangsgeld gegen die Behörde verhängt werden kann, sondern auch ein Zwangsgeld gegen einzelne Amtsträger die sich da weigern und das als allerletztes Mittel auch Zwangshaft in Betracht käme.....“ (ab 7 Min 30 Sek) zur Mediathek

Schadensersatz bei nicht rechtzeitiger Umsetzung
Im Fall nicht rechtzeitiger Umsetzung von Richtlinien kann sich ein Land schadensersatzpflichtig machen. wikipedia