Ein Beitrag von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein
Pressemitteilungen eines Finanzgerichtes sind selten. Derzeit jedoch verbreitet sich gleichsam viral eine Pressemitteilung des Hessischen Finanzgerichtes vom 23.5.2018 zu einem Urteil dieses Gerichts vom 22.2.2018, also zu einem Urteil, welches schon über drei Monate alt ist. Ein Schelm, der Arges dabei denkt. Was könnte das Hessische Finanzgericht veranlasst haben, drei Monate nach der Urteilsverkündung eine Pressemitteilung zu einem Rechtsstreit zu verkünden, bei dem das Finanzamt die mündliche Verhandlung geschwänzt und „seinem“ Finanzgericht überlassen hatte, sich mit den drei Anwälten des Klägers auseinanderzusetzen? Der Streitwert? Sicher nicht; es ging um ca. 20.000 €. Die Anwesenheit der Journalisten in der mündlichen Verhandlung? Sicher nicht, es war kein Journalist vor Ort.
Könnte es also sein, dass das Hessische Finanzgericht eine Pressemitteilung herausgibt, um Finanz-Politik für die Finanzämter zu machen? Dürfen Finanzgerichte überhaupt Politik machen? Fragen Sie doch selbst bei der Pressestelle (Michael.Knab@HFG-Kassel.Justiz.Hessen.de), was die „wirkliche“ Motivation des Hessischen Finanzgerichts gewesen ist, drei Monate nach dem Erlass des Urteils eine Pressemitteilung herauszugeben und viral zu verbreiten. Kam es dem Finanzgericht darauf an, in der Überschrift „Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit unterliegen der Umsatzsteuer“ Fake News zu verbreiten? Einiges spricht dafür. Denn ein Finanzgericht kann nicht allgemeingültig urteilen, dass Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit der Umsatzsteuer unterliegen. Ein Finanzgericht kann nur seine angebliche Auffassung in dem streitgegenständlichen Fall kundtun, dass Umsätze des dortigen Klägers aus Sicht des 6. Senats beim Hessischen Finanzgericht der Belastung mit – nicht abwälzbarer – Umsatzsteuer unterliegen.
Die Überschrift der PM des FG hätte also richtig lauten müssen:
„Der sechste Senat beim Hessischen Finanzgericht urteilte, dass die Umsätze des Klägers in der Sache XY aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit der Belastung mit Umsatzsteuer unterliegen. Wegen der Bedenken an dieser Beurteilung lässt das Hessische Finanzgericht die Revision zu. Die Bedenken des Kläger darf der Bundesfinanzhof – die vorlagepflichtige letzte Instanz gemäß Artikel 267 III AEUV – nicht ohne Anrufung des EuGH zurückweisen, weil der Kläger zahlreiche Fragen zur Auslegung des EU-Rechts aufwirft, die vom zur verbindlichen Auslegung des EU-Rechts allein zuständigen EuGH noch nicht beurteilt wurden.“
Dass die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts falsch ist, leuchtet auf den ersten Blick ein. Das Urteil ist schon in sich widersprüchlich. Der Senat in Kassel meint, der Einsatz des Spielers in der Form von 20 Cent, die in den Punktespeicher zum Spielen gebucht werden, sei die Gegenleistung des Automatenaufstellers für seine Dienste. „Vorliegend ist der Kläger wie ein Veranstalter anzusehen, der dem jeweiligen Spielteilnehmer gegenüber die oben beschriebene entgeltliche Dienstleistung in der Weise erbringt, als er gegen Zahlung des jeweiligen Spieleinsatzes insbesondere diesem die Zulassung bzw. Teilnahme am Spiel mit Gewinnchance gewährt.“ An späterer Stelle zitiert das Gericht den EuGH und führt aus: „Hinsichtlich der streitgegenständlichen Geldspielautomaten vertritt der EuGH die Auffassung, dass die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung des Automaten tatsächlich erhält, nur in den Kasseninhalten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums besteht, weil diese aufgrund der Vorschriften der Spielverordnung den Teil der Einsätze darstellen, über den der Betreiber effektiv selbst verfügen kann.“ Das Gericht meint also entgegen der Rechtsprechung des EuGH, die es selbst zitiert, die Zahlung des jeweiligen Spieleinsatzes sei der umsatzsteuerpflichtige Preis, während der – für die richtige Auslegung des Unionsrechts allein maßgebliche – Gerichtshof der Europäischen Union auf den Kasseninhalt nach Ablauf eines Zeitraumes abstellt. Quintessenz: Das hessische Finanzgericht konterkariert den EuGH mit der Folge, dass sein Urteil nicht vom Bundesfinanzhof ohne Vorlage an den EuGH bestätigt werden darf. Und dass der EuGH seine Rechtsprechung zu Gunsten des Hessischen Finanzgerichts aufgibt, erscheint denkbar unwahrscheinlich.
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