Sonntag, 4. August 2013

Entziehung des Doktorgrades bei späterer Unwürdigkeit rechtmäßig

Weitere Entscheidungen s.u.:

Das Bundesverwaltungsgericht entschied:
Ein redlich erworbener Doktorgrad kann wegen eines späteren unwürdigen Verhaltens in der Gestalt der Manipulation und Fälschung von Forschungsergebnissen entzogen werden.
Ein Titelinhaber erweise sich dann als unwürdig zur Führung des verliehenen Doktorgrades, wenn er den mit der Verleihung begründeten Vertrauensvorschuss im Hinblick auf ein wissenschaftskonformes Arbeiten durch gravierende Verstöße gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Arbeit enttäuscht habe, so dass zum Schutz des wissenschaftlichen Prozesses vor Irreführung eine Korrektur in Form der Entziehung vorgenommen werden müsse.
Der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, dass der Kläger die derart verstandenen Unwürdigkeitsvoraussetzungen durch die Fälschung und Manipulation von Daten erfüllt habe.
Die Revision wurde zurückgewiesen


BVerwG 6 C 9.12  Pressemitteilung  Nr. 56/2013

Entziehung des redlich erworbenen Doktorgrades bei späterer Unwürdigkeit wegen Manipulation und Fälschung von Forschungsergebnissen rechtmäßig

Ein redlich erworbener Doktorgrad kann wegen eines späteren unwürdigen Verhaltens in der Gestalt der Manipulation und Fälschung von Forschungsergebnissen entzogen werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger ist Physiker. Er wurde von der beklagten baden-württembergischen Universität im Januar 1998 zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Vom Sommer 1998 bis zum Herbst 2002 befasste sich der Kläger in einer Forschungseinrichtung in den USA mit Forschungen und Experimenten zur Supraleitung und zur Herstellung von Nano-Bauelementen. Er war an einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen beteiligt, die in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit teilweise als bahnbrechend gewürdigt wurden. Nachdem eine von der Forschungseinrichtung eingesetzte Kommission nach der Untersuchung von 25 Ausarbeitungen aus den Jahren 1998 bis 2002 festgestellt hatte, der Kläger habe die Originaldaten der beschriebenen Experimente nicht systematisch archiviert sowie mehrfach Daten manipuliert und falsch dargestellt, endete dessen dortige Tätigkeit. Im Juni 2004 entzog die beklagte Universität dem Kläger den von ihr verliehenen Doktorgrad. Sie stützte sich dabei in tatsächlicher Hinsicht auf die Untersuchungen der in den USA tätig gewordenen Kommission und in rechtlicher Hinsicht auf eine Vorschrift des baden- württembergischen Hochschulrechts, nach der ein Hochschulgrad entzogen werden kann, wenn sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat. Den Widerspruch des Klägers gegen die Entziehungsverfügung wies die beklagte Universität im Oktober 2009 zurück. Zuvor hatte sie eine Fehleranalyse zu sieben der bereits durch die Kommission in den USA untersuchten Publikationen erstellt und war - wie auch bereits der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bezug auf zwei weitere Ausarbeitungen aus diesem Kreis - zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangt. Das Verwaltungsgericht Freiburg i. Br. hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der beklagten Universität hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Nach der für das Bundesverwaltungsgericht bindenden Auslegung der landesrechtlichen Entziehungsvorschrift durch den Verwaltungsgerichtshof hat der Rechtsbegriff des unwürdigen Verhaltens einen Wissenschaftsbezug. Danach erweist sich ein Titelinhaber dann als unwürdig zur Führung des verliehenen Doktorgrades, wenn er den mit der Verleihung begründeten Vertrauensvorschuss im Hinblick auf ein wissenschaftskonformes Arbeiten durch gravierende Verstöße gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis enttäuscht hat, so dass zum Schutz des wissenschaftlichen Prozesses vor Irreführung eine Korrektur in Form der Entziehung vorgenommen werden muss. Mit dieser Ausrichtung auf den Wissenschaftsprozess und nicht etwa auf einen vorgeblich herausgehobenen persönlichen Rang der Promovierten verletzt die landesrechtliche Entziehungsvorschrift nicht das rechtsstaatliche Gebot der Gesetzesbestimmtheit, zumal sie in ihrer bindenden Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof nur vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße gegen wissenschaftliche Kernpflichten erfasst, zu denen insbesondere das Verbot einer Erfindung, Fälschung oder Manipulation von Forschungsergebnissen gehört. Mit diesem Inhalt ist die Vorschrift auch mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass der Kläger die derart verstandenen Unwürdigkeitsvoraussetzungen durch die Fälschung und Manipulation von Daten erfüllt hat. Mit seinen gegen diese Feststellungen gerichteten Verfahrensrügen ist der Kläger vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht durchgedrungen. Auch die Ermessensausübung der beklagten Universität hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht nicht beanstandet.

BVerwG 6 C 9.12 - Urteil vom 31. Juli 2013

Vorinstanzen:
VGH Mannheim 9 S 2667/10 - Urteil vom 14. September 2011
VG Freiburg 1 K 2248/09 - Urteil vom 22. September 2010
Quelle

VG Köln: Doktortitel nach strafrechtlicher Verurteilung zu Recht entzogen
Entzug des Doktortitels wegen des gravierenden strafrechtlichen Fehlverhaltens zulässig
Einem promovierten Geschäftsführer, dessen wissenschaftliches Institut Promotionskandidaten an Hochschulprofessoren gegen Zahlung von Honoraren vermittelt hatte, kann nach seiner Verurteilung wegen Bestechung zu Recht der Doktortitel entzogen werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln hervor.
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Entzug des Doktorgrads: Wann ist die Aberkennung eines Doktortitels möglich und was ist ein Plagiat?
Eine gelegentliche Nennung des fremden Werkes reicht nicht aus (Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 23.05.2007, Az. 12 E 2262/05). Ebenso entschied das Verwaltungsgericht Berlin in einem Fall, in dem nur 95 von insgesamt 294 Seiten der Dissertation nicht vom Plagiatsvorwurf betroffen waren und es im Übrigen sehr augenfällige Übereinstimmungen mit teilweise fast wörtlich übernommenen Passagen (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 25.06.2009, Az. 3 A 319.05).

Eine Täuschung liegt ebenfalls vor, wenn in einer Doktorarbeit Textsegmente anderer Werke an einigen Stellen korrekt zitiert werden, an anderer Stelle jedoch Textpassagen verwendet werden, ohne diese als Zitat kenntlich zu machen (Verwaltungsgericht Darmstadt, Urteil vom 14.04.2011, Az. 3 K 899/10.DA).
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Zitiergebot

Dem Zitiergebot genügt es nach einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch nicht, wenn nur in der Nähe der übernommen Textstelle ein Hinweis auf das benutzte Werk steht. Das Gericht stellte klar, dass die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne (ausreichendes) Zitat gegen grundlegende Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens verstoße und damit die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall ausschließe (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 04.04.2006, Az. 7 BV 05.388).
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Täuschung bei der Dissertation:
FDP-Beraterin Margarita Mathiopoulos verliert Doktortitel
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Oberlandesgericht Frankfurt zum richtigen Führen des Doktortitels
Der Inhaber einer Heilpraktikerschule darf nicht mehr mit der Bezeichnung „Heilpraktikerschule Dr. XY“ werben, ohne darauf hinzuweisen, dass der geführte Doktortitel auf dem Gebiet der Chemie erworben wurde. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt.
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VGH Baden-Württemberg
Plagiat: Nicht ordnungsgemäße Quellenangabe bzw. Zitierweise kann zur Entziehung der Doktorwürde führen. Inhalt der vorgelegten Doktorarbeit maßgeblich - nicht hypothetische Arbeit
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update:
Plagiatsaffären an Unis
Die Angst vor dem Whistleblower
Das Ansehen der Hochschulen schwindet, seit immer mehr Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens öffentlich werden. Dabei scheinen den Unis die Informanten aus den eigenen Reihen mindestens genau so viel Sorgen zu bereiten wie die schwarzen Schafe.
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Wissenschaftliches Fehlverhalten

Wenn auch viel weniger spektakulär: Der Fall Smeesters war für die  Psychologie  der  grössere  Schock  als  jener  von  Stapel.  pdf-download

Die Affäre Stapel

Niederlande: Renommierter Psychologe gesteht Fälschungen
Diederik Stapel hat zahlreiche Studien veröffentlicht, die für Schlagzeilen sorgten. Doch nun hat sich herausgestellt: Der niederländische Forscher hat in großem Maßstab Daten gefälscht.
Mehr als 150 wissenschaftliche Studien veröffentlichte der niederländische Psychologe seit 2004, einige davon auch in den renommiertesten Fachzeitschriften der Welt.
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Nature berichtet von wissenschaftlichen Fälschungen eines niederländischen Sozialpsychologen
Wie bei Fälschungsfällen nahezu üblich, wurden auch Stapels Manipulationen nicht durch Gutachter der Journals aufgedeckt, sondern durch Whistleblower, in diesem Fall Nachwuchswissenschaftler im Stab des Wissenschaftlers.
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Seminarinfo: Willkommen im Copyshop zu Guttenberg.
Unethisches Verhalten in der Wissenschaft
Seminar an der Universität des Saarlandes im Wintersemester 2011/2012
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wikipedia berichtet zu Diederik Stapelm, Professor für Kognitive Sozialpsychologie an der Universität Groningen
Im September 2011 wurde bekannt, dass Diederik Stapel Forschungsdaten gefälscht hat. Nachwuchswissenschaftler aus Stapels Forschungsabteilung hatten sich an den Rektor der Universität Tilburg, Philip Eijlander, gewandt und diesen über ihren Verdacht informiert, dass Stapels Daten nicht echt seien.
Die Science-Veröffentlichung zur Wirkung von Unordentlichkeit auf Stereotypisierung wurde am 2. Dezember 2011 von Stapel und Lindenberg zurückgezogen, weil sie gefälschte Daten enthält.[9] Darüber hinaus gilt auch als wahrscheinlich, dass die Ergebnisse der Fleisch-Untersuchung fingiert sind.[4] Bis April 2013 wurden 50 Publikationen zurückgezogen.[10] Bis August 2013 stieg die Anzahl auf 54.[11]
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Wissenschaftler erfindet Studien-Daten
Der lügende Holländer

Gegen sein Werk erscheinen die deutschen Plagiatsfälle der vergangenen Zeit wie Lappalien: Ein Sozialpsychologe der Uni Tilburg hat reihenweise Studien gefälscht. Damit niemand etwas bemerkt, ließ sich der als brillanter Wissenschaftler geltende Mann einiges einfallen.
Diese Strategie war besonders gegenüber Jungwissenschaftlern erfolgreich. In 14 von 21 Dissertationen, die Stapel betreut hat, stieß die Kommission auf Manipulationen.
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Schmutz, Unordnung, Fälschung
Sozialpsychologe erfand spektakuläre Studien

Die Studien des holländischen Sozialpsychologen Diederik Stapel haben weltweit Aufsehen erregt. So im April, als Stapel im Fachblatt „Science“ berichtete, dass Schmutz und Unordnung Diskriminierung und Vorurteile fördern. Auch der Tagesspiegel berichtete unter der Überschrift „Vorurteile wegräumen“. Und vor kurzem behauptete Stapel in einer Pressemitteilung, dass Menschen, die daran denken, Fleisch zu essen, rüpelhafter und weniger sozial sind.
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Die Affäre Stapel
Ein niederländischer Sozialpsychologe fälschte in großem Stil Untersuchungsergebnisse. Dass es so weit kam, liegt auch an unseren sehr hohen Ansprüchen an erfolgreiche Wissenschaftler.
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Zusammengestellt: Volker Stiny