Dienstag, 20. März 2012

Europa stoppt den Glücksspieländerungsstaatsvertrag

- EU-Kommission verweigert "abschließend positive Stellungnahme" und fordert erneut Nachbesserungen
- Ratifizierung in den Parlamenten vor dem Aus

Hamburg 20.03.2012 – Die EU-Kommission erneuert ihre europarechtlichen Bedenken gegen den auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember von 15 Länderchefs unterzeichneten Glücksspieländerungsstaatsvertrag. "Wenn die Politiker nicht ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen wollen, müssen sie den Ratifizierungsprozess stoppen" so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes.

Bereits am im Juli 2011 hatte die EU-Kommission einen Vorentwurf des neuen Staatsvertrages in zahlreichen zentralen Punkten beanstandet. In ihrem heute übersandten Schreiben an die Bundesregierung erneuert die EU-Kommission ihre Kritik. So fragt die Kommission u.a. erneut, warum private Vermittler staatlicher Lotterien 32 Einzelerlaubnisse einholen müssen, Klassenlotterieeinnehmer oder Sportwettenanbieter nur eine einzige.

Im Protokoll der Ministerpräsidentenkonferenz erklärten die 15 Länder, den Änderungsstaatsvertrag "erst nach Vorliegen einer abschließend positiven Stellungnahme von der EU-Kommission den Landtagen zur Ratifikation zuzuleiten". Spätestens seit heute ist klar, dass die Kommission eine solche "abschließend positive Stellungnahme" zu einem europarechtswidrigen Vertragsentwurf trotz massiver Interventionen deutscher Landespolitiker in Brüssel nicht abgeben wird. Das aktuelle Schreiben der Kommission ist eine diplomatisch formulierte Ohrfeige für die Verfasser dieses Vertrages. Deutliche Nachbesserungen sind jetzt gefordert.

Zwei Vertragsverletzungsverfahren in Sachen Glücksspielrecht führt die EU-Kommission bereits gegen Deutschland; falls die Länderparlamente den neuen Vertrag ratifizieren, droht ein drittes Verfahren und das Rechts-Chaos der vergangenen Jahre wird vor den Gerichten fortgeführt.

Namhafte Verfassungs- und Europarechtsexperten wie Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier (Universität München), Prof. Dr. Christoph Degenhart (Universität Leipzig) und Prof. Dr. Bernd Greszick (Universität Heidelberg) hatten den Glücksspieländerungsstaatsvertrag bereits in den vergangenen Wochen als verfassungs- und europarechtswidrig kritisiert. Im Vergleich zu dem von der Kommission vielfach beanstandeten Entwurf hätten die Länder mit der Novelle lediglich kosmetische Korrekturen vorgenommen oder sind auf alte, inkohärente Positionen zurückgefallen.

Schwerpunkt der Kritik ist der nach wie vor inkohärente und unsystematische Regelungsansatz, weil gefährliche Glücksspiele liberalisiert werden, während hingegen das harmloseste Glücksspiel, Lotto, weiterhin erheblich beschränkt wird. Als Begründung dient die Scheinargumentation, Lotto mache süchtig, mit der die Länder ihr lukratives Lotterieveranstaltungsmonopol sichern wollen. "Zudem werden gewerbliche Spielvermittler unverhältnismäßig stark diskriminiert", so Norman Faber. "Sie müssen in 15 Bundesländern sage und schreibe 32 unterschiedliche Erlaubnisse einholen; klare und objektive Kriterien gibt es dafür ebenso wenig wie einen Rechtsanspruch. Der Willkür sind damit Tor und Tür geöffnet."

Allein Schleswig-Holstein befindet sich mit seinem neuen Glücksspielgesetz, das am 1.1.2012 in Kraft getreten ist, auf einem rechtssicheren Kurs. Viele Unternehmen der Branche bereiten derzeit Lizenzanträge vor und planen ihren Firmensitz in das nördlichste Bundesland zu verlegen.

Faber: "Die 15 Länder müssen das Rad nicht neu erfinden. Das Glücksspielgesetz aus Schleswig-Holstein wurde von der Kommission im Notifizierungsverfahren als europarechtskonform gebilligt. Es ist jetzt der geeignete Kompromiss für eine bundesweite, europarechtskonforme Regelung."

Quelle: Deutscher Lottoverband


Unklarheit über Brief der EU-Kommission
Notifizierung verweigert oder Vertrag durchgewunken?
Laut mehrerer Meldungen hat die EU-Kommission heute der Bundesregierung mitgeteilt, dass weiterhin erhebliche Zweifel an den Nachbesserungen der Bundesregierung mitgeteilt, dass weiterhin erhebliche Zweifel an den Nachbesserungen des Glücksspieländerungsstaatsvertrages bestehen. Die zentrale Voraussetzung für das Inkrafttreten des Staatsvertrags sei somit gescheitert und die Kommission verweigere die "abschließend positive Stellungnahme". Kurios: Das Land Rheinland-Pfalz meldet zeitgleich, der Vertrag sei durchgewunken ohne Bedenken. Was stimmt also?   weiterlesen

Ministerpräsident begrüßt positives Votum aus Brüssel
Ministerpräsident Beck begrüßt das positive Votum aus Brüssel. Die EU-Kommission hat heute mitgeteilt, dass sie keine Bedenken mehr gegen den unter Federführung von Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ausgehandelten Glücksspieländerungsstaatsvertrag hat. Der Weg zur Neuordnung des Glücksspieländerungsstaatsvertrags sei jetzt frei, sagte Ministerpräsident Kurt Beck.

Beck forderte seinen schleswig-holsteinischen Amtskollegen Ministerpräsident Carstensen auf, wie zugesagt, dem schleswig-holsteinischen Landtag zu empfehlen, den von Schleswig-Holstein eingeschlagenen Sonderweg aufzugeben.
Die Kommission hat die Änderungen bei der Experimentierklausel für Sportwetten (höhere Zahl der Konzessionen, geringere Abgabensatz) begrüßt. Sie bezeichnet die dabei verfolgten Ziele (Bekämpfung des Schwarzmarktes, der Glücksspielsucht und von Kriminalität) als überragende Gründe des Allgemeinwohls, die geeignet sind, solche Beschränkungen zu rechtfertigen. Sie erwartet eine transparente und diskriminierungsfreie Vergabe der Konzessionen und lobt die nach dem Staatsvertrag mögliche Anpassung der Zahl der Konzessionen wie der zulässigen Höchsteinsätze. Sie begrüßt die begleitende Evaluierung und die von den Ländern angekündigte Vorlage erster Ergebnisse nach zwei Jahren.
Zum Thema Spielbanken und Poker im Internet hebt die Kommission hervor, dass  nach der Rechtsprechung des EuGH ein solches Verbot als geeignet zum Schutz der Spieler und Jugendlichen sowie der Allgemeinheit angesehen werden kann, auch wenn die gleichen Glücksspiele zu Lande angeboten werden. Sie mahnt allerdings spezifische Daten zum Ausmaß der Kriminalitätsbelastung und Spielsuchtgefährdung durch diese Spiele in Deutschland an. Auch in diesem Zusammenhang betont sie die Notwendigkeit einer Evaluierung und begrüßt die Vorlage erster Ergebnisse nach zwei Jahren.
Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder hatten bereits im Dezember 2011 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Auffassung der EU-Kommission teilen, dass die Öffnung des Sportwettmarktes mit Hilfe einer zeitlich befristeten Experimentierklausel kontinuierlich zu evaluieren ist. Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Änderungsstaatsvertrages wird ein erster Zwischenbericht vorgelegt.
Die Regierungschefinnen und Regierungschefs von 15 Ländern hatten am 15. Dezember 2011 den Glücksspieländerungsstaatsvertrag unterzeichnet. In einer Protokollerklärung hatten sie ihre Absicht erklärt, den Staatsvertrag erst nach Vorliegen der von der EU-Kommission angekündigten, abschließend positiven Stellungnahme im Notifizierungsverfahren den Landtagen zur Ratifikation zuzuleiten.
Der unterzeichnete Glücksspieländerungsstaatsvertrag wird nach Ratifizierung in den Länderparlamenten am 1. Juli 2012 in Kraft treten.  Quelle
Lotto informiert: Grünes Licht für Glücksspieländerungsstaatsvertrag – EU-Kommission billigt gemeinsamen Weg der Länder

Die EU-Kommission hat im Rahmen der Notifizierung am 20. März 2012 schriftlich zum Glücksspielstaatsvertrag Stellung genommen und den Entwurf der 15 Länder gebilligt.

Der Federführer des Deutschen Lotto- und Totoblocks, Erwin Horak, kommentierte: "Die EU-Kommission gibt dem Glücksspielstaatsvertrag der 15 Länder grünes Licht. Damit gibt es jetzt für Schleswig-Holstein die Möglichkeit, dem Staatsvertrag der 15 Länder beizutreten, um mit einem einheitlichen Glücksspielrecht in Deutschland fortzufahren. Jetzt liegt der Ball im Feld von Schleswig-Holstein."

Die wesentlichen Punkte im Einzelnen:

Die Kommission hatte in ihrer ersten Stellungnahme vom 18. Juli 2011 Bedenken hinsichtlich der Zahl der Sportwettenkonzessionen und des Steuersatzes. Die Länder haben daraufhin die Zahl der Konzessionen auf 20 erhöht und den Steuersatz auf 5 Prozent gesenkt. Die Kommission begrüßt nun diese Änderungen und erkennt die Möglichkeit der Länder an, die Zahl der Konzessionen zu begrenzen. Sie macht die Länder darauf aufmerksam, dass die Ausschreibung gemäß EU-Recht verlaufen möge und begrüßt, dass die Zahl der Konzessionen in die Evaluierung einbezogen werden soll.

Die Kommission erkennt die Entscheidung der Länder, Online-, Casino-, und Poker-Games zu verbieten, als grundsätzlich möglich an und bittet die Länder, dies im Rahmen der Evaluierung mit mehr Daten und Informationen zu begründen. Die Kommission betont in diesem Zusammenhang noch einmal die Bedeutung der Evaluierung und begrüßt, dass diese von den Ländern nach zwei Jahren angekündigt sei.

Weitere untergeordnete Punkte sind nach Angaben des Federführers des Deutschen Lotto- und Totoblocks:
  • Die Kommission begrüßt die Klarstellung, dass die Ausschreibung transparent und nicht diskriminierend verlaufen soll
  • Die Kommission begrüßt, dass ein physischer Wettshop / eine Geschäftsstelle nicht mehr Bedingung für eine Lizenz ist
  • Die Kommission begrüßt, dass auch derzeit legale Anbieter eine neue Lizenz beantragen müssen
  • Die Kommission begrüßt, dass das Zulassungsverfahren für Lotterievermittler gebündelt (eine Behörde für 16) möglich ist
  • Die Kommission begrüßt den flexiblen Ansatz bei der finalen Festlegung der Einsatzbeschränkungen (1000 Euro pro Monat je Lizenz)
  • Die Kommission bittet die Länder, die geplanten Werberichtlinien der Kommission zur Kenntnis zu senden
  • Die Kommission bittet die deutschen Behörden um Information hinsichtlich der anstehenden Regulierungsnovellierung bei den Spielautomaten in Spielhallen - anerkennend, dass die Länder die Spielhallen in den Staatsvertrag aufgenommen haben - dies alles im Kontext der Frage der Kohärenz der Regelungen
  • Die Kommission erachtet laut Schreiben mit der Stellungnahme die Notifizierung als abgeschlossen an
Quelle: Deutscher Lotto- und Totoblock (DLTB)

Beurteilen Sie selbst - die offizielle Stellungnahme der EU-Kommission