Montag, 20. Februar 2017

MwSt: FG Münster widerspricht dem BFH


(s.u.) und befolgt, wie bereits mit den Entscheidungen vom 15.04.2016, 15 K 1553/15 U, 15 K 3669/15 U (s.u.), dem Neutralitätsgrundsatz der Mehrwertsteuerrichtlinie, der besagt, dass im Ergebnis grundsätzlich nur der Endverbraucher mit der Steuer belastet werden darf.

Die Qualifizierung einer Steuer muß sich an dem in der Verfassung vorgegebenen Begriff der Verbrauchsteuer orientieren, die im Kern eine Steuer auf die Einkunftsverwendung darstellt.
(vgl. auch BVerfG, Urt. .v. 27.7.1971  2 BvR 1768, 2 BvR 702/68 BVerfGE 31, 314 (330 ff.).

Zunächst darf klargestellt werden, dass in der Union bereits 1967 alle Umsatzsteuern abgeschafft und durch die mit der MwStSystRL definierte Mehrwertsteuer ersetzt wurden.

Die MwStSystRL besteht aus 414 Artikeln, die neben der Präambel (67 Erwägungssgründe), alle eingehalten werden müssen und lässt weitere Umsatzsteuern nicht zu.

Als allgemeine Verbrauchssteuer, ist die durch die MwStSystRL definierte Mehrwertsteuer die einzige in der Union zulässige Form einer Umsatzsteuer.
Das bedeutet, dass seit 1967 Umsatzsteuern gleich welcher Form, nicht mehr erhoben werden dürfen!
Mit der MwSt. soll der Konsum besteuert werden und nicht das Einkommen des Unternehmers!

EuGH: Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gibt vor, dass der steuerpflichtige Unternehmer weder ganz noch teilweise mit der Mehrwertsteuer belastet werden darf, auch nicht vorübergehend.
(vgl. EuGH-Urteil vom 18. Oktober 2012, Rechtssache C-525/11 s. Rn. 24)

Zudem muss die Auslegung der in dieser Bestimmung verwendeten Begriffe mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht (EuGH-Urteil vom 6. November 2003 in der Rechtssache C-45/01, Dornier, Slg. 2003, I-12911, Randnr. 42).

Die geltende Mehrwertsteuer soll nach ihrem 5. Erwägungsgrund „so allgemein wie möglich“ erhoben werden.

Besteuert wird aufgrund des Erhebungssystems im Ergebnis grundsätzlich nur der Endverbrauch (11), und nach der Rechtsprechung soll auch nur der Endverbraucher mit der Steuer belastet werden (12). Quelle: Rn 26, Schlussanträge Rs. C‑520/14

11) vgl. Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie
Urteile Lebara (C‑520/10, EU:C:2012:264, Rn. 25) sowie Tulică und Plavoşin (C‑249/12 und C‑250/12, EU:C:2013:722, Rn. 34); vgl. auch Urteil Netto Supermarkt (C‑271/06, EU:C:2008:105, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung) zur Rolle des Steuerpflichtigen als bloßer „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates“ sowie Urteil Profaktor Kulesza, Frankowski, Jóźwiak, Orłowski (C‑188/09, EU:C:2010:454, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung) zu den wesentlichen Merkmalen der Mehrwertsteuer.

12)     EuGH Rs C-520/14: Schülertransport durch Gebietskörperschaft - keine wirtschaftliche Tätigkeit

s.a. Kommission fordert die Einhaltung der Mehrwertsteuerrichtlinie


FG Münster vom 31.01.2017 (15 K 3998/15 U)
Keine fortbestehende Steuerschuldnerschaft des Bauträgers


Das FG Münster hat abweichend von der Rechtsprechung des BFH entschieden, dass die Steuerschuldnerschaft eines Bauträgers unabhängig davon entfällt, ob der Bauträger als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an den Bauleistenden erstattet.

Die Klägerin war als Bauträgerin tätig und allein zu dem Zweck gegründet worden, auf einem Grundstück Eigentumswohnungen errichten zu lassen und diese anschließend zu veräußern. In ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2013 meldete die Klägerin für die von ihr bezogenen Bauleistungen gemäß § 13b UStG geschuldete Umsatzsteuer an.

In der Umsatzsteuerjahreserklärung 2013 gab die Klägerin die Umsatzsteuer hingegen unter Berufung auf die zwischenzeitlich ergangene BFH-Rechtsprechung (BFH, Urt. v. 22.08.2013 - V R 37/10 - BStBl II 2014, 128) mit 0 Euro an. Das Finanzamt folgte dem nicht und begründete dies damit, dass der begehrten Änderung § 17 UStG entgegenstehe und die Erstattung des Umsatzsteuerbetrags an den Vertragspartner der Klägerin erforderlich sei. Gegen die Entscheidung erhob die Bauträgerin Klage.

Das FG Münster hat der Klage stattgegeben.

Nach der Rechtsprechung des BFH komme das Reverse-Charge-Verfahren nicht zur Anwendung und es schulde nicht der Bauträger, sondern der Bauleistende die Umsatzsteuer, wenn der Bauträger – wie im Streitfall die Klägerin – die bezogenen Leistungen nicht seinerseits zur Erbringung von Bauleistungen verwende, so das Finanzgericht. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Bauträger die Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer bezahlt habe. § 17 UStG könne keine Umsatzsteuerschulden begründen, sondern nur begründete Umsatzsteuerschulden berichtigen. Die Vorschrift greife also dann nicht ein, wenn ein Unternehmer – wie die Klägerin – von vornherein keine Umsatzsteuer schulde.

Auch eine analoge Anwendung zu Lasten der Klägerin komme nicht in Betracht.

Damit hat das FG Münster entgegen dem BFH entschieden, der es für möglich gehalten hatte, dass die angenommene Steuerschuld beim Bauträger entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erst aufgrund einer Zahlung des Steuerbetrages an den Bauunternehmer entfällt (BFH, Beschl. v. 27.01.2016 - V B 87/15 - BFHE 252, 187).

Das FG Münster hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitfrage die Revision zum BFH zugelassen.

Quelle: Pressemitteilung des FG Münster Nr. 2/2017 v. 15.02.2017


s.a.:  ......sei aber nur dann verfassungsgemäß, wenn im Ergebnis eine finanzielle Belastung des Bauleistenden nicht eintrete.
FG Münster, 15.03.2016 - 15 K 1553/15 U / BFH - V R 16/16 (Urteil vom 23.02.2017)
FG Münster, 15.03.2016 - 15 K 3669/15 U / BFH - V R 24/16 (
Urteil vom 23.02.2017)

Harmonisierung der Besteuerung innerhalb der EU

Rechtsgrundlage:
Mehrwertsteuerrichtlinie (MwStSystRL)

(Richtlinie 2006/112/EG des Rates)