Dienstag, 9. August 2016

EuGH zum Mindestabstand - Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit C-634/15 und C-168/14

Zum Mindestabstand entschied der EuGH bereits in der Rs. Costa – (C-72/10 und C 77/10), wodurch sich eine davon abweichende Rechtsauslegung verbietet.

Im vorliegenden Verfahren prüfte der Gerichtshof der Europäischen Union als Erstes die nationale Bestimmung, nach der die neuen Konzessionäre mit ihren Einrichtungen einen Mindestabstand zu den bereits vorhandenen Konzessionären einzuhalten haben. Diese Maßnahme bewirkt nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs, dass die von den bereits etablierten Betreibern erworbenen Geschäftspositionen zum Nachteil der neuen Konzessionäre geschützt sind, die sich an Orten niederlassen müssen, die geschäftlich weniger interessant sind als die der etablierten Betreiber. Eine solche Maßnahme bedeutet somit eine Diskriminierung der von der Ausschreibung von 1999 ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer. (Costa; C-72/10 und C 77/10)

Der EuGH entschied in der RS Grupo Itevelesa SL u.a. (C-168/14), eine Mindestentfernung schränke den Wettbewerb in ungerechtfertigter Weise ein, indem er den Marktzugang für neue Betreiber beschränke. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs steht nämlich Art. 49 AEUV Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit entgegen, d. h. jeder staatlichen Maßnahme, die die Ausübung der vom AEU-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsbürger behindern oder weniger attraktiv machen kann. Der Begriff der Beschränkung umfasst die von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen, die, obwohl sie unterschiedslos anwendbar sind, den Marktzugang von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und somit den Handel innerhalb der Union behindern (vgl. in diesem Sinne Urteil SOA Nazionale Costruttori, C-327/12, EU:C:2013:827, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Auch darf eine Beschränkung nicht an einer starren Personenzahl festgemacht werden. (Sokoll-Seebacher, Naderhirn; C-634/15) s.u.


URTEIL DES GERICHTS HOFS (Zweite Kammer)
15. Oktober 2015(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 49 AEUV und 51 AEUV – Niederlassungsfreiheit – Richtlinie 2006/123/EG – Geltungsbereich – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Richtlinie 2009/40/EG – Zugang zu Tätigkeiten der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen – Ausübung durch ein privatwirtschaftliches Unternehmen – Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind – Zulassungssystem – Zwingende Gründe des Allgemeininteresses – Sicherheit des Straßenverkehrs – Geografische Verteilung – Mindestentfernung zwischen den Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen – Marktanteilsschwelle – Rechtfertigung – Eignung, das angestrebte Ziel zu erreichen – Kohärenz – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C-168/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Spanien) mit Entscheidung vom 20. März 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2014, in dem Verfahren
Grupo Itevelesa SL,
Applus Iteuve Technology,
Certio ITV SL,
Asistencia Técnica Industrial SAE
gegen
OCA Inspección Técnica de Vehículos SA,
Generalidad de Cataluña
erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Ersten Kammer R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, A. Arabadjiev (Berichterstatter), C. Lycourgos und J.-C. Bonichot,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Grupo Itevelesa SL, vertreten durch J. Lavilla Rubira, M. Alvarez-Tólcheff, T. Puente Méndez, M. Barrantes Diaz und S. Rodiño Sorli, abogados,
– der Applus Iteuve Technology, vertreten durch A. Vázquez Guillén, procurador, sowie J. Folguera Crespo, L. Moscoso del Prado González und A. Guerra Fernández, abogados,
– der Certio ITV SL, vertreten durch R. Sorribes Calle, procuradora, sowie J. Just Sarobé und R. Miró Miró, abogados,
– der Asistencia Técnica Industrial SAE, vertreten durch M. Marsal i Ferret, M. Ortíz-Cañavate Levenfeld und I. Galobardes Mendonza, abogados,
– der OCA Inspección Técnica de Vehículos SA, vertreten durch J. Macias Castaño, A. Raventós Soler und M. Velasco Muñoz Cuellar, abogados,
– der Generalidad de Cataluña, vertreten durch N. París Domenech, abogada,
– der spanischen Regierung, vertreten durch M. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten,
– Irlands, vertreten durch S. Kingston, L. Williams und A. Joyce als Bevollmächtigte,
– der schwedischen Regierung, vertreten durch N. Otte Widgren, A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, K. Sparrman, L. Swedenborg, F. Sjövall und E. Karlsson als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und J. Rius als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Juni 2015
folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 AEUV und 51 AUEV, des Art. 2 Abs. 2 Buchst. d und i sowie der Art. 3, 9, 10 und 14 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36, im Folgenden: Dienstleistungsrichtlinie) sowie von Art. 2 der Richtlinie 2009/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die technische Überwachung der Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (ABl. L 141, S. 12).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Grupo Itevelesa SL (im Folgenden: Itevelesa), Applus Iteuve Technology (im Folgenden: Applus), der Certio ITV SL (im Folgenden: Certio) und der Asistencia Técnica Industrial SAE (im Folgenden: ATI) einerseits und der OCA Inspección Técnica de Vehículos SA (im Folgenden: OCA) andererseits über die Rechtmäßigkeit nationaler Bestimmungen über die technische Überwachung der Kraftfahrzeuge.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Dienstleistungsrichtlinie
3 Nach dem 21. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie sollten „Verkehrsdienstleistungen, einschließlich des Personennahverkehrs, Taxis und Krankenwagen sowie Hafendienste, … vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sein“.
4 Der 33. Erwägungsgrund dieser Richtlinie bestimmt, dass u. a. Zertifizierungs- und Prüftätigkeiten von der Richtlinie umfasst sind.
5 Nach Art. 1 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie enthält diese Richtlinie allgemeine Bestimmungen, die bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern sollen.
6 Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d dieser Richtlinie findet diese keine Anwendung auf „Dienstleistungen im Bereich des Verkehrs einschließlich Hafendienste, die in den Anwendungsbereich von Titel [VI] des [AEU-]Vertrags fallen“.
7 In Art. 2 Abs. 2 Buchst. i dieser Richtlinie heißt es, dass sie nicht auf „Tätigkeiten, die im Sinne des Art. [51 AEUV] mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind“ angewandt wird.
8 Art. 3 dieser Richtlinie präzisiert:
„Widersprechen Bestimmungen dieser Richtlinie einer Bestimmung eines anderen Gemeinschaftsrechtsaktes, der spezifische Aspekte der Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in bestimmten Bereichen oder bestimmten Berufen regelt, so hat die Bestimmung des anderen Gemeinschaftsrechtsaktes Vorrang und findet auf die betreffenden Bereiche oder Berufe Anwendung ...“
9 In Art. 9 („Genehmigungsregelungen“) der Dienstleistungsrichtlinie heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme und die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit nur dann Genehmigungsregelungen unterwerfen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) die Genehmigungsregelungen sind für den betreffenden Dienstleistungserbringer nicht diskriminierend;
b) die Genehmigungsregelungen sind durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt;
c) das angestrebte Ziel kann nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden, insbesondere weil eine nachträgliche Kontrolle zu spät erfolgen würde, um wirksam zu sein.
...
(3) Dieser Abschnitt gilt nicht für diejenigen Aspekte der Genehmigungsregelungen, die direkt oder indirekt durch andere Gemeinschaftsrechtsakte geregelt sind.“
10 Art. 10 („Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung“) bestimmt, dass die Genehmigungsregelungen auf Kriterien beruhen müssen, die eine willkürliche Ausübung des Ermessens der zuständigen Behörden verhindern, und legt die Liste dieser Kriterien fest.
11 Art. 14 („Unzulässige Anforderungen“) sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht von einer der folgenden Anforderungen abhängig machen:
...
5. einer wirtschaftlichen Überprüfung im Einzelfall, bei der die Erteilung der Genehmigung vom Nachweis eines wirtschaftlichen Bedarfs oder einer Marktnachfrage abhängig gemacht wird, oder der Beurteilung der tatsächlichen oder möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Tätigkeit oder der Bewertung ihrer Eignung für die Verwirklichung wirtschaftlicher, von der zuständigen Behörde festgelegter Programmziele; dieses Verbot betrifft nicht Planungserfordernisse, die keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen, sondern zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dienen;
...“
Richtlinie 2009/40
12 Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/40 heißt es:
„Im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik ist es erforderlich, dass für den Verkehr bestimmter Fahrzeuge in der Gemeinschaft sowohl hinsichtlich der Sicherheit als auch der Bedingungen des Wettbewerbs zwischen den Verkehrsunternehmen der einzelnen Mitgliedstaaten die besten Voraussetzungen gegeben sind.“
13 Im fünften Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:
„Es sollten daher durch Einzelrichtlinien die gemeinschaftlichen Mindestvorschriften und Verfahren für die Untersuchungen in Bezug auf die in dieser Richtlinie aufgeführten Punkte festgelegt werden.“
14 Der 26. Erwägungsgrund dieser Richtlinie präzisiert, dass die von dieser verfolgten Ziele darin bestehen, „die Regeln für die technische Überwachung zu harmonisieren, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen Verkehrsunternehmen zu vermeiden und um zu gewährleisten, dass die Fahrzeuge vorschriftsmäßig eingestellt und gewartet werden“.
15 Nach Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie sind die „zu untersuchenden Fahrzeuggruppen, die Zeitabstände der Untersuchungen und die Punkte, die geprüft werden müssen, … in den Anhängen I und II aufgeführt“.
16 Art. 2 der Richtlinie 2009/40 sieht vor:
„Die technische Überwachung nach dieser Richtlinie ist vom Mitgliedstaat oder von staatlich entsprechend beauftragten öffentlichen Stellen oder von Organisationen oder Einrichtungen vorzunehmen, die vom Staat dafür bestimmt und unter seiner unmittelbaren Aufsicht tätig sind, einschließlich hierfür zugelassener privatwirtschaftlicher Organisationen. Sind die mit der technischen Überwachung beauftragten Einrichtungen gleichzeitig als Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten tätig, so tragen die Mitgliedstaaten in besonderer Weise dafür Sorge, dass die Objektivität und eine hohe Qualität der Überwachung gewahrt sind.“
Richtlinie 2014/45/EU
17 Die Richtlinie 2014/45/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die regelmäßige technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/40 (ABl. L 127, S. 51) sieht in ihrem dritten Erwägungsgrund Folgendes vor:
„Die technische Überwachung ist Teil eines umfassenderen Systems, mit dem dafür gesorgt werden soll, dass Fahrzeuge während ihres Betriebs in einem sicheren und umweltfreundlichen Zustand gehalten werden …“
18 Im 43. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/45 heißt es:
„Die Verkehrs- und Betriebssicherheit wirkt sich unmittelbar auf die Sicherheit des Straßenverkehrs aus und sollte aus diesem Grund regelmäßig geprüft werden ...“
19 Art. 4 Abs. 2 derselben Richtlinie lautet:
„Die technische Überwachung wird von dem Mitgliedstaat, in dem das Fahrzeug zugelassen ist, oder von einer durch diesen Mitgliedstaat entsprechend beauftragten öffentlichen Stelle oder von Stellen oder Einrichtungen durchgeführt, die vom Mitgliedstaat dafür ernannt und unter seiner Aufsicht tätig sind, einschließlich ermächtigter privater Stellen.“
Spanisches Recht
20 Die Art. 35 bis 37 der am 31. Juli 2008 vom Parlament Kataloniens erlassenen Ley 12/2008 de seguridad industrial (Gesetz 12/2008 über industrielle Sicherheit) (BOE Nr. 204 vom 23. August 2008, S. 14194, im Folgenden: Gesetz 12/2008) bestimmen:
„Artikel 35. Aufgaben der Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen.
Die Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen haben die folgenden Aufgaben:
a) Sie führen die materielle technische Untersuchung der Kraftfahrzeuge, ihrer Bestandteile und ihres Zubehörs durch.
b) Als Vorsichtsmaßnahme verhindern sie die Benutzung von Kraftfahrzeugen, die nach der Überprüfung Sicherheitsmängel aufweisen, die eine unmittelbare Gefahr begründen.

Artikel 36. Anforderungen an die Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen.
1. Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen müssen die folgenden Anforderungen erfüllen, um auf dem Gebiet Kataloniens tätig werden zu dürfen:
a) Der Regionalplan der Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen, der gemäß Art. 37 Abs. 2 von der Regierung erlassen werden kann, ist einzuhalten.
b) Die durch Verordnung festgelegte Marktanteilsschwelle je Unternehmen oder Unternehmensgruppe darf nicht überschritten werden. Diese Marktanteilsschwelle soll sicherstellen, dass ein einzelner Betreiber nicht die Dienstleistungen in einer Anzahl Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen erbringt, die mehr als die Hälfte aller in Katalonien vorhandenen Prüfstraßen ausmacht …
c) Die Mindestentfernungen zwischen den Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen desselben Unternehmens oder derselben Unternehmensgruppe, die gemäß Art. 37 Abs. 3 von der Regierung festgelegt werden, sind einzuhalten.

Artikel 37. Erteilung der Zulassung an Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen.
1. Die Erteilung der Zulassung an Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen obliegt der Agencia Catalana de Seguridad Industrial [katalanische Agentur für industrielle Sicherheit]. Die Zulassung wird in einem durch Verordnung näher geregelten Verfahren für jede der Stationen gesondert erteilt.
2. Die Regierung kann, um eine angemessene Dienstleistung im Hinblick auf den vorhandenen Fahrzeugbestand und die Objektivität und Qualität der Untersuchung zu gewährleisten, durch Dekret die erforderliche Anzahl Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen und die pro Station erforderliche Anzahl Prüfstraßen bestimmen, wobei diese Zahlen auf der Grundlage des vorhandenen Fahrzeugbestands zu berechnen sind, und ihre Standorte durch einen Regionalplan festlegen …
3. Zur Sicherstellung eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den Betreibern bestimmt die Regierung durch Dekret Mindestentfernungen zwischen Stationen desselben Unternehmens oder derselben Unternehmensgruppe. Diese Entfernungen sorgen dafür, dass es nicht zu einer regional beherrschenden Stellung eines einzelnen Betreibers kommt, wobei die jeweiligen Besonderheiten der verschiedenen Standorte der Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen zu berücksichtigen sind.
…“
21 Das am 2. März 2010 von der Regierung der Generalidad de Cataluña (Regionalregierung Kataloniens) erlassene Decreto 30/2010, por el que se aprueba el reglamento de desarrollo de la Ley 12/2008, de 31 de julio, de seguridad industrial (Dekret 30/2010 zur Annahme der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes 12/2008 über industrielle Sicherheit vom 31. Juli 2008, im Folgenden: Dekret 30/2010) und das Decreto 45/2010, por el que se aprueba el Plan territorial de nuevas estaciones de inspección técnica de vehículos de Cataluña para el periodo 2010–2014 (Dekret 45/2010 zur Annahme des Regionalplans der neuen Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen in Katalonien für den Zeitraum 2010–2014, im Folgenden: Dekret 45/2010), das am 30. März 2010 von dieser Regierung erlassen wurde, setzen die Bestimmungen des Gesetzes 12/2008 im Hinblick auf die Ansiedlung von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen um.
22 Die Art. 73 bis 75 des Dekrets 30/2010 sehen vor:
„Artikel 73.
Einhaltung des Regionalplans und Gewährleistung der Kontinuität
1. Um eine angemessene Dienstleistung für die Öffentlichkeit und eine Überwachung in Einklang mit dem bestehenden Bedarf und mit den Vorgaben in Art. 36 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes [12/2008] zu gewährleisten, haben die Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen die Festlegungen des jeweils geltenden Regionalplans über Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen einzuhalten.
...
Artikel 74.
Marktanteilsschwelle
1. In Anwendung der in Art. 36 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes [12/2008] vorgesehenen Regelung darf der Marktanteil jedes Unternehmens bzw. jeder Unternehmensgruppe, dem bzw. der eine Zulassung für die Erbringung der Dienstleistungen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen in Katalonien erteilt worden ist, die Hälfte nicht überschreiten …
2. Die Marktanteilsschwelle wird anhand der Anzahl der Prüfstraßen in ortsfesten Stationen, über die der jeweilige Betreiber verfügt, im Verhältnis zur Gesamtzahl solcher Prüfstraßen in Katalonien ermittelt.
Artikel 75.
Mindestentfernungen
1. Um gemäß Art. 37 Abs. 3 dieses Dekrets und Art. 36 Abs. 1 Buchst. c des Gesetzes [12/2008] einen wirksamen Wettbewerb sicherzustellen, dürfen die tatsächlichen Entfernungen zwischen den Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen, für die dasselbe Unternehmen oder dieselbe Unternehmensgruppe die Zulassung besitzt, die folgenden Werte nicht unterschreiten:
a) 4 km zwischen Stationen in Gemeinden, die zum Zeitpunkt der Zulassung durch die Agencia Catalana de Seguridad Industrial mehr als 30 000 Einwohner haben.
b) 20 km zwischen Stationen auf dem übrigen Gebiet Kataloniens.
c) 10 km zwischen einer Station einer Gemeinde, die zum Zeitpunkt der Zulassung mehr als 30 000 Einwohner hat, und einer Station auf dem übrigen Gebiet Kataloniens.
2. Im Sinne dieser Verordnung ist die tatsächliche Entfernung die geringste Entfernung, die zum Zeitpunkt der Zulassung durch die Agencia Catalana de Seguridad Industrial bei Nutzung öffentlicher Straßen zurückgelegt werden muss, um von einer Station zur anderen zu gelangen.
3. Für das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Dekrets bestehende Netz aus Stationen können die in Abs. 1 Buchst. a vorgesehenen Entfernungen um bis zu 20 % verringert werden.“
23 Art. 79 Abs. 1 Buchst. c des Dekrets 30/2010 präzisiert, dass die Betreiber der Stationen zur technischen Überwachung Kraftfahrzeuge in den von der anwendbaren Regelung festgelegten Fällen und im Einklang mit den von der Agencia Catalana de Seguridad Industrial erlassenen Anweisungen und Protokollen stilllegen können.
24 In der Präambel des Dekrets 45/2010 heißt es:
„… Es ist notwendig, das Angebot der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen an den bestehenden Bedarf anzupassen, sowohl hinsichtlich der Abdeckung in den regionalen Bereichen, in denen derzeit kein ausreichendes Angebot vorhanden ist, um eine Annäherung des Dienstleistungsangebots an die Zahl der Nutzer zu erreichen, als auch um das in Gebieten mit sehr stark ausgelasteten Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen bestehende, mit langen Wartezeiten verbundene Dienstleistungsdefizit zu verringern.
Bei der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen ist wegen der räumlichen Gegebenheiten eine übermäßige Konzentration des Angebots in einem bestimmten Gebiet aus rein wirtschaftlichen Erwägungen zum Nachteil anderer Gebiete, die wegen eines geringeren Fahrzeugbestands nicht über eine ausreichende Abdeckung verfügen, mit den sich daraus ergebenden Gefahren für die Nutzer zu vermeiden. Zum anderen könnte in den Gebieten mit einer wegen des Fahrzeugaufkommens besonders hohen Nachfrage eine erhöhte Konzentration der Stationen zu einer Tendenz der Betreiber, aus Wettbewerbsgründen ihre Anforderungen zu senken, und infolgedessen zu einer Verschlechterung der Qualität der Dienstleistung beitragen.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
25 Am 5. Mai 2010 erhob OCA, einer der spanischen Betreiber, der die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen sicherstellt, beim Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberster Gerichtshof von Katalonien, Spanien) mit der Begründung, dass die Regulierung der Betreiber von Überwachungseinrichtungen im Bereich der industriellen Sicherheit, die diese einer verwaltungsrechtlichen Genehmigungsregelung unterwerfe, sowie die Festlegung der Bedingungen und Verpflichtungen in dieser Genehmigungsregelung gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstießen, eine verwaltungsrechtliche Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Dekrets 30/2010 und vollständige Nichtigerklärung des Dekrets 45/2010.
26 Vier weitere Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen, Itevelesa, Applus, Certio und ATI, sowie die Generalidad de Cataluña reichten schriftliche Erklärungen ein, mit denen sie geltend machten, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dekrete rechtmäßig seien.
27 Mit Urteil vom 25. April 2012 erklärte das Tribunal Superior de Justicia de Cataluña auf das Rechtsmittel hin zum einen die Bestimmungen des Dekrets 30/2010 über die Zulassungsregelung für Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen (im Folgenden: Betreiber) und zum anderen das Dekret 45/2010 insgesamt mit der Begründung für nichtig, dass diese Regelung gegen die Ley 17/2009 sobre el libre acceso a las actividades de servicios y su ejercicio (Gesetz 17/2009 über den freien Zugang zu Dienstleistungstätigkeiten und ihre Ausübung) vom 23. November 2009 verstoße, die die Dienstleistungsrichtlinie in spanisches Recht umsetze.
28 Itevelesa, Applus, Certio und ATI legten gegen diese Entscheidung Rechtsmittel beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) ein. Dieses Gericht gab dem Antrag der Generalidad de Cataluña statt, an dem Verfahren als Rechtsmittelgegnerin beteiligt zu werden.
29 Im Rahmen dieser Rechtsmittel hat das vorlegende Gericht Zweifel an der Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie auf die Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen, da Art. 2 Abs. 2 Buchst. d dieser Richtlinie seiner Auffassung nach Gegenstand zweier verschiedener Auslegungen sein kann. Nach einer ersten Auslegung stünden Einrichtungen zur technischen Überwachung in Verbindung mit der Straßenverkehrssicherheit und fielen damit unter die gemeinsame Verkehrspolitik. Nach einer zweiten Auslegung gehörten die Dienstleistungen der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen, die von gewerblichen Unternehmen gegen ein vom Nutzer entrichtetes Entgelt erbracht würden, zu den Zertifizierungs- und Prüftätigkeiten, die nach dem 33. Erwägungsgrund dieser Richtlinie in ihren Anwendungsbereich fielen.
30 Ferner fragt sich das vorlegende Gericht, ob die Befugnis zur vorläufigen Stilllegung der Fahrzeuge, über die die Betreiber verfügen, zu den „Tätigkeiten, die … mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. i der Dienstleistungsrichtlinie gehört.
31 Das Gericht stellt sich außerdem die Frage, in welchem Verhältnis diese Richtlinie und die Richtlinie 2009/40 zueinander stehen, wenn es darum geht, ob der Zugang zur Tätigkeit der technischen Überwachung einer Genehmigungsregelung unterworfen werden kann. In dieser Hinsicht bezieht es sich auf das Urteil Kommission/Portugal (C-438/08, EU:C:2009:651), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass die Richtlinie 2009/40 keine Bestimmung zum Zugang zur Tätigkeit der Überwachung von Kraftfahrzeugen enthält.
32 Schließlich beziehen sich die Zweifel des vorlegenden Gerichts auf die Verpflichtung, die im Rahmen der durch die nationalen Bestimmungen eingeführten Zulassungsregelung auf den Betreibern laste, sich an einen Regionalplan zu halten, der zur Sicherstellung einer angemessenen regionalen Abdeckung, der Qualität der Dienstleistung und des Wettbewerbs zwischen den Betreibern die Zahl der Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen auf der Grundlage von zwei Kriterien begrenze, nämlich erstens dem Erfordernis einer Mindestentfernung zwischen den Stationen desselben Unternehmens oder derselben Unternehmensgruppe, und zweitens dem Verbot, einen Marktanteil von mehr als 50 % zu halten. In dieser Hinsicht sei die katalanische Wettbewerbsbehörde davon ausgegangen, dass diese Kriterien nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt seien und dass der Regionalplan den Wettbewerb in ungerechtfertigter Weise einschränke, indem er den Marktzugang für neue Betreiber beschränke.
33 Unter diesen Umständen hat das Tribunal Supremo beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie die Tätigkeiten zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen, wenn sie im Einklang mit den nationalen Bestimmungen durch private Unternehmen unter der Aufsicht der Verwaltung eines Mitgliedstaats durchgeführt werden?
2. Falls die erste Frage zu verneinen ist (also Tätigkeiten zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie fallen), ist auf diese Tätigkeiten die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. i der Richtlinie vorgesehene Ausnahme anwendbar, weil die privaten Unternehmen, die die Dienstleistungen erbringen, ermächtigt sind, als Vorsichtsmaßnahme die Stilllegung von Fahrzeugen anzuordnen, die so schwerwiegende Sicherheitsmängel aufweisen, dass ihre Teilnahme am Straßenverkehr eine unmittelbare Gefahr darstellen würde?
3. Falls die Dienstleistungsrichtlinie auf Tätigkeiten zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen anwendbar ist, ist sie in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2009/40 so auszulegen, dass es jedenfalls zulässig ist, diese Tätigkeit von der vorherigen Erteilung einer behördlichen Zulassung abhängig zu machen? Kommt es für die Antwort auf die Feststellungen in Rn. 26 des Urteils des Gerichtshofs Kommission/Portugal (C-438/08, EU:C:2009:651) an?
4. Ist eine nationale Regelung, die die Anzahl der Zulassungen für Einrichtungen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen dem Inhalt eines Regionalplans unterwirft, in dem als Gründe für die zahlenmäßige Begrenzung u. a. die Sicherstellung einer hinreichenden regionalen Deckung, die Sicherstellung der Qualität der Dienstleistung und die Förderung des Wettbewerbs unter den Betreibern angeführt werden, und der zu diesem Zweck Elemente der Wirtschaftsplanung umfasst, mit den Art. 10 und 14 der Dienstleistungsrichtlinie oder, falls diese nicht anwendbar ist, mit Art. 49 AEUV vereinbar?
Zu den Vorlagefragen
Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs
34 Applus und ATI bestreiten die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens mit der Begründung, dass der Ausgangsrechtsstreit keinen grenzüberschreitenden Bezug aufweise und einen rein innerstaatlichen Sachverhalt betreffe.
35 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende – die ihrem Wortlaut nach unterschiedslos auf spanische Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten anwendbar ist – im Allgemeinen nur dann unter die Bestimmungen über die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten fallen kann, wenn sie für Sachlagen gilt, die eine Verbindung zum Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Im vorliegenden Fall kann allerdings keineswegs ausgeschlossen werden, dass Unternehmen mit einem Sitz in anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Spanien daran interessiert waren oder sind, Tätigkeiten zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen in dem zuletzt genannten Mitgliedstaat anzubieten.
37 Das Vorabentscheidungsersuchen ist somit zulässig.
Zur Beantwortung der Fragen
Zur ersten Frage
38 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Dienstleistungsrichtlinie auf Tätigkeiten zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen anwendbar ist.
39 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese Richtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d keine Anwendung auf „Verkehrsdienstleistungen einschließlich Hafendienste, die in den Anwendungsbereich von Titel [VI] des [AEU-]Vertrags fallen“ findet.
40 Da der Begriff der „Verkehrsdienstleistungen“ im Sinne dieser Bestimmung von der Dienstleistungsrichtlinie nicht ausdrücklich definiert wird, ist seine Reichweite einzugrenzen.
41 Erstens ist im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie hervorzuheben, dass der Begriff, der von dieser Bestimmung in allen Sprachfassungen mit Ausnahme der in der deutschen Sprache verwendet wird, nämlich „Dienstleistungen im Bereich des Verkehrs“, eine größere Reichweite aufweist als der Ausdruck „Verkehrsdienstleistungen“, wie er im 21. Erwägungsgrund dieser Richtlinie verwendet wird, um „Personennahverkehr, Taxis und Krankenwagen sowie Hafendienste“ zu bezeichnen.
42 Im Hinblick auf diese sprachliche Abweichung ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen kann. Die Vorschriften des Unionsrechts müssen nämlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. Urteil Kurcums Metal, C-558/11, EU:C:2012:721, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43 Wie in Rn. 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist jedoch festzustellen, dass alle Sprachfassungen von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie mit Ausnahme der Fassung in deutscher Sprache ausdrücklich den Begriff „Dienstleistungen im Bereich des Verkehrs“ verwenden, der daher Geltung beansprucht. Diese Schlussfolgerung wird auch durch die allgemeine Systematik und den Zweck dieser Vorschrift gestützt.
44 Aus den Vorarbeiten zur Dienstleistungsrichtlinie geht nämlich hervor, dass der Ausschluss der „Dienstleistungen im Bereich des Verkehrs“ bewusst in Begriffe gekleidet wurde, die dem Wortlaut von Art. 51 EG, jetzt Art. 58 AEUV, entsprechen sollten, dessen Abs. 1 bestimmt, dass „[f]ür den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs … die Bestimmungen des Titels über den Verkehr [gelten]“.
45 Die Verwendung des Begriffs „Dienstleistungen im Bereich des Verkehrs“ zeigt so den Willen des Gesetzgebers der Europäischen Union, den in Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie genannten Ausschluss nicht nur auf die Verkehrsmittel selbst als solche zu beschränken.
46 Daher ist dieser Ausschluss, wie der Generalanwalt in Nr. 28 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, so auszulegen, dass er nicht nur jede körperliche Handlung der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen mittels eines Land-, Luft- oder Wasserfahrzeugs umfasst, sondern auch jede Dienstleistung, die naturgemäß mit einer solchen Handlung verbunden ist.
47 Die Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen stellt sich zwar als Ergänzung zu Verkehrsdienstleistungen dar. Allerdings ist eine solche Überwachung eine vorgelagerte und unverzichtbare Bedingung für die Ausübung der Haupttätigkeit, nämlich den Transport, wie sich aus dem Ziel der Verkehrssicherheit ergibt, das der Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen zugrunde liegt.
48 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass diese Auslegung gestützt wird durch das Ziel der Richtlinie 2009/40, die sich auf die Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen bezieht, die, auch wenn sie, wie der Gerichtshof im Urteil Kommission/Portugal (C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 26) entschieden hat, keine Vorschrift über die Regelung des Zugangs zur Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen enthält, den Inhalt dieser Tätigkeit regelt und ausdrücklich, wie ihr zweiter Erwägungsgrund ausführt, der Sicherstellung der Straßenverkehrssicherheit dient. Diese Zielsetzung ergibt sich außerdem aus den Erwägungsgründen 3 und 43 der Richtlinie 2014/45, die an die Stelle der Richtlinie 2009/40 getreten ist.
49 Hierzu ist festzustellen, dass die Richtlinien 2009/40 und 2014/45 auf der Grundlage von Art. 71 EG (Richtlinie 2009/40) bzw. Art. 91 AEUV (Richtlinie 2014/45) erlassen wurden. Beide Bestimmungen sind im EG-Vertrag bzw. im AEU-Vertrag in dem Titel „Verkehr“ aufgeführt und stellen die Rechtsgrundlage dar, die den Unionsgesetzgeber ausdrücklich ermächtigt, „Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit“ zu erlassen. Aus den Vorarbeiten zur Dienstleistungsrichtlinie ergibt sich aber, dass der Unionsgesetzgeber Dienstleistungen, die durch nach Art. 71 EG ergangene Entscheidungen geregelt werden, aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausschließen wollte.
50 Daher sind die Tätigkeiten der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen als „Dienstleistungen im Bereich des Verkehrs“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie aufzufassen.
51 Soweit das vorlegende Gericht darauf verweist, dass diese Tätigkeiten zu den Zertifizierungs- und Prüftätigkeiten gehören, ist festzustellen, dass der Umstand, dass diese nach dem 33. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie von dieser Richtlinie umfasst sind, für den grundsätzlichen Ausschluss der Dienstleistungen im Bereich des Verkehrs aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wie der Generalanwalt in Nr. 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ohne Belang ist.
52 Daher ist festzustellen, dass die Dienstleistungsrichtlinie auf die Tätigkeit der Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen nicht anwendbar ist, die, da sie zu den Dienstleistungen im Bereich des Verkehrs gehört, nach Art. 58 Abs. 1 AEUV auch nicht den Bestimmungen des AEU-Vertrags zur Dienstleistungsfreiheit unterliegt.
53 Unter diesen Umständen ist die in Rede stehende nationale Regelung am Maßstab der Vorschriften des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit zu prüfen, die auf den Verkehr unmittelbar und nicht über den Titel dieses Vertrags über den Verkehr Anwendung finden (vgl. in diesem Sinne Urteil Yellow Cab Verkehrsbetrieb, C-338/09, EU:C:2010:814, Rn. 33).
54 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Tätigkeiten der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sind.
Zur zweiten Frage
55 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob Art. 51 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass die Tätigkeiten von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen, wie den von der in Katalonien anwendbaren Regelung bezeichneten, in Anbetracht der Befugnis zur Stilllegung, über die die Betreiber dieser Stationen verfügen, wenn die Kraftfahrzeuge bei der Prüfung Sicherheitsmängel aufweisen, die eine unmittelbare Gefahr darstellen, mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind.
56 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits mit Bezug auf die Tätigkeiten von durch privatwirtschaftliche Organisationen in Portugal betriebenen Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen entschieden hat, dass die Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Bescheinigung der technischen Überprüfung der Entscheidungsautonomie entbehrt, die der Ausübung hoheitlicher Befugnisse eigen ist, und im Rahmen einer staatlichen Aufsicht ergeht (vgl. Urteil Kommission/Portugal, C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 41). Ferner hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass diese Organisationen im Rahmen ihrer Tätigkeiten nicht über Zwangsbefugnisse verfügen, da die Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Vorschriften über die Fahrzeuguntersuchung in die Zuständigkeit der Polizei- und Justizbehörden fallen (vgl. Urteil Kommission/Portugal, C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 44).
57 Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, dass Art. 2 der Richtlinie 2009/40 für den Fall, dass die Mitgliedstaaten die Wahl treffen, die Tätigkeiten der technischen Überwachung an privatwirtschaftliche Organisationen zu übertragen, ausdrücklich eine unmittelbare Beaufsichtigung dieser Organisationen durch den Staat vorsieht.
58 Genau diese staatliche Aufsicht wurde von der in Rede stehenden nationalen Regelung, Art. 79 Abs. 1 Buchst. c des Dekrets 30/2010, eingeführt, nach dem die Entscheidung zur Stilllegung nur „in den von der anwendbaren Regelung festgelegten Fällen“ und „im Einklang mit den von der Agencia Catalana de Seguridad Industrial erlassenen Anweisungen und Protokollen“ ergehen darf.
59 Zum anderen ist in Anbetracht der Informationen, die das vorlegende Gericht in Beantwortung eines vom Gerichtshof nach Art. 101 seiner Verfahrensordnung gestellten Ersuchens um Klarstellung übermittelt hat, festzustellen, dass der Eigentümer eines stillgelegten Fahrzeugs die Möglichkeit hat, bei einem technischen Referenten, der Beamter der mit der Beaufsichtigung und der Kontrolle der Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen betrauten Behörde ist, einen Widerspruch einzulegen, und dass dieser Beauftragte die Stilllegungsentscheidung abändern kann. Bei einem Widerspruch des Eigentümers des Kraftfahrzeugs gegen die Stilllegung sind ferner allein die für den Bereich des Verkehrs und der Polizei zuständigen Behörden der Regierung der Generalidad de Cataluña befugt, Zwangsmaßnahmen oder die Ausübung physischen Zwangs anzuordnen.
60 Die Befugnis zur Stilllegung eines Fahrzeugs, über die die Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung verfügen, wenn sie Mängel feststellen, die eine unmittelbare Gefahr darstellen, unterliegt somit einer Beaufsichtigung durch die zuständigen Behörden und ist mit keinerlei Befugnissen für Zwangsmaßnahmen oder die Ausübung von physischem Zwang verbunden. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie als solche unmittelbar und spezifisch zur Ausübung öffentlicher Gewalt zählt.
61 Nach alledem ist Art. 51 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass die Tätigkeiten von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen, wie den von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung bezeichneten, trotz des Umstands, dass die Betreiber dieser Stationen über eine Befugnis zur Stilllegung verfügen, wenn die Fahrzeuge bei der Prüfung Sicherheitsmängel aufweisen, die eine unmittelbare Gefahr darstellen, nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne dieser Bestimmung verbunden sind.
Zur dritten und zur vierten Frage
62 Mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 49 AEUV einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die die Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen Betreibern vorbehält, die im Besitz einer behördlichen Zulassung sind, deren Erteilung daran geknüpft ist, dass sich diese Betreiber an einen Regionalplan halten, der als Bedingung sowohl eine Mindestentfernung als auch einen maximalen Marktanteil enthält.
63 Erstens hat der Gerichtshof im Hinblick auf die Verpflichtung zur Einholung einer behördlichen Zulassung zur Ausübung der Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen bereits Gelegenheit zu der Feststellung gehabt, dass die Richtlinie 2009/40 keine Vorschrift zu den Zugangsbedingungen für diese Tätigkeit enthält (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Portugal, C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 26).
64 Wegen des Fehlens einer Harmonisierung in dieser Hinsicht bleiben die Mitgliedstaaten befugt, diese Bedingungen festzulegen, wobei sie jedoch gehalten sind, ihre Befugnisse unter Beachtung der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Nasiopoulos, C-575/11, EU:C:2013:430, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
65 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass Art. 2 der Richtlinie 2009/40 diese Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ausdrücklich bestätigt, da es dort heißt, dass die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen von privatwirtschaftlichen Organisationen vorgenommen werden kann, die vom Staat dafür bestimmt, hierfür zugelassen und unter seiner unmittelbaren Aufsicht tätig sind.
66 Obwohl das Unionsrecht einen Mitgliedstaat folglich nicht daran hindert, die Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen von der Erteilung einer Zulassung abhängig zu machen, muss eine solche Zulassungsregelung jedoch, wie in Rn. 64 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, das Unionsrecht und insbesondere Art. 49 AEUV beachten.
67 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs steht nämlich Art. 49 AEUV Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit entgegen, d. h. jeder staatlichen Maßnahme, die die Ausübung der vom AEU-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsbürger behindern oder weniger attraktiv machen kann. Der Begriff der Beschränkung umfasst die von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen, die, obwohl sie unterschiedslos anwendbar sind, den Marktzugang von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und somit den Handel innerhalb der Union behindern (vgl. in diesem Sinne Urteil SOA Nazionale Costruttori, C-327/12, EU:C:2013:827, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68 Im vorliegenden Fall darf nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung die behördliche Zulassung nur unter der Bedingung erteilt werden, dass die Stationen desselben Unternehmens oder derselben Unternehmensgruppe gewisse Mindestentfernungen einhalten und dass diese Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen keinen Marktanteil von über 50 % halten.
69 In Anbetracht der in Rn. 67 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung können solche Regeln dazu führen, dass Wirtschaftsteilnehmern anderer Mitgliedstaaten die Ausübung ihrer Tätigkeiten im Gebiet der Autonomen Gemeinschaft Katalonien mit Hilfe einer Betriebsstätte erschwert wird oder weniger attraktiv erscheint.
70 Folglich stellt die Regelung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 49 AEUV dar.
71 Unter diesen Umständen ist zweitens zu prüfen, ob sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen objektiv rechtfertigen lassen.
72 Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gelten, können nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern sie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Ottica New Line di Accardi Vincenzo, C-539/11, EU:C:2013:591, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
73 Im Ausgangsverfahren ist zunächst festzustellen, dass die in Rede stehende nationale Regelung unterschiedslos auf alle Betreiber anzuwenden ist.
74 Im Hinblick auf die von dieser Regelung verfolgten Ziele machen die Generalidad de Cataluña und die spanische Regierung sodann geltend, dass die Regelung, indem sie eine angemessene örtliche Abdeckung ermögliche, die Qualität der Dienstleistung gewährleiste und den Wettbewerb fördere, gleichermaßen darauf gerichtet sei, die Verbraucher zu schützen und die Straßenverkehrssicherheit zu gewährleisten, wie ausdrücklich aus der Präambel des Dekrets 45/2010 hervorgehe. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs stellen sowohl der Verbraucherschutz (vgl. in diesem Sinne Urteile Attanasio Group, C-384/08, EU:C:2010:133, Rn. 50, und Essent u. a., C-105/12 bis C-107/12, EU:C:2013:677, Rn. 58) als auch die Notwendigkeit, die Straßenverkehrssicherheit zu gewährleisten (Urteil Kommission/Portugal, C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung), zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können.
75 Daher ist schließlich zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Beschränkungen, wie sie in Rn. 68 des vorliegenden Urteils genannt sind, die Erreichung der verfolgten Ziele gewährleisten können und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist.
76 Es muss insbesondere gewährleistet sein, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung diese Ziele nicht in inkohärenter Weise verfolgt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind eine nationale Regelung insgesamt und die verschiedenen einschlägigen Regeln nämlich nur dann geeignet, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil Ottica New Line di Accardi Vincenzo, C-539/11, EU:C:2013:591, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).
77 Es ist letztlich Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, zu bestimmen, ob und inwieweit die Regelung diesen Anforderungen entspricht. Der Gerichtshof, der dazu aufgerufen ist, dem nationalen Gericht zweckdienliche Antworten zu geben, ist jedoch befugt, dem vorlegenden Gericht auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens und der vor ihm abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen Hinweise zu geben, die diesem Gericht eine Entscheidung ermöglichen (Urteil Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
78 Im vorliegenden Fall soll die erste Bedingung, die, wie aus Art. 75 Abs. 1 des Dekrets 30/2010 hervorgeht, darin besteht, dass bestimmte Mindestentfernungen zwischen den Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen eingehalten werden müssen, der Präambel des Dekrets 45/2010 zufolge zum Ziel haben, die Betreiber dazu anzuhalten, sich in abgelegenen Gegenden anzusiedeln. Da die Einhaltung von Mindestentfernungen nicht zwischen den Stationen verlangt wird, die Konkurrenzunternehmen gehören, sondern zwischen den zu demselben Unternehmen oder derselben Unternehmensgruppe gehörenden Stationen, belegen die dem Gerichtshof übermittelten Informationen allerdings nicht, dass diese Bedingung es als solche ermöglichen würde, eine derartige Zielsetzung zu verwirklichen. Dies gilt umso mehr, als die Generalidad de Cataluña in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeführt hat, dass diese Betreiber gehalten seien, sich in diesen abgelegenen Gegenden anzusiedeln.
79 Im Hinblick auf die zweite Bedingung, wonach die Betreiber keinen Marktanteil von über 50 % auf dem Markt für Dienstleistungen der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen halten dürfen, geht aus der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung hervor, dass diese Bedingung dazu bestimmt ist, die Qualität der Dienstleistungen der technischen Überwachung zu gewährleisten und folglich den Schutz der Verbraucher sicherzustellen.
80 Da eine solche Bedingung Auswirkungen auf die bereits bestehenden Tätigkeiten der Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen in Katalonien sowie auf die Struktur des Marktes haben kann, kann sie daher offensichtlich nicht zum Schutz der Verbraucher beitragen.
81 In dieser Hinsicht ist zu dem auf die Qualität der Dienstleistung bezogenen Ziel darauf hinzuweisen, dass der Inhalt der Dienstleistungen der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen, wie der Generalanwalt in Nr. 75 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, Gegenstand einer Harmonisierung auf Unionsebene ist.
82 Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2009/40 sieht in Verbindung mit ihren Anhängen I und II nämlich präzise Rahmenbedingungen für die zu prüfenden Kraftfahrzeuge, die Zeitabstände der Prüfungen und die obligatorischen Prüfpunkte vor, um – wie der 26. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorhebt – einen Qualitätsstandard für die Dienstleistungen der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen in der Union sicherzustellen. Diese Rahmenbedingungen bestehen nach dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie aus Mindestvorschriften und Verfahren, die im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind.
83 Daher obliegt es dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob die beiden von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung aufgestellten Bedingungen für die Genehmigung der Ausübung der Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen geeignet sind, die Verwirklichung der Ziele des Verbraucherschutzes und der Straßenverkehrssicherheit in kohärenter und systematischer Weise zu gewährleisten.
84 Nach alledem ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass Art. 49 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die die Genehmigung der Eröffnung einer Station zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen durch ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe unter die Bedingung stellt, dass zum einen eine Mindestentfernung zwischen dieser Station und den bereits genehmigten Stationen dieses Unternehmens oder dieser Unternehmensgruppe besteht und zum anderen dieses Unternehmen oder diese Unternehmensgruppe, wenn eine solche Genehmigung erteilt würde, keinen Marktanteil von über 50 % erhielte, es sei denn, dass diese Bedingung tatsächlich geeignet ist, die Ziele des Verbraucherschutzes und der Straßenverkehrssicherheit zu erreichen, und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen sein wird.
Kosten
85 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist dahin auszulegen, dass die Tätigkeiten der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sind.
2. Art. 51 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Tätigkeiten von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen, wie den von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung bezeichneten, trotz des Umstands, dass die Betreiber dieser Stationen über eine Befugnis zur Stilllegung verfügen, wenn die Fahrzeuge bei der Prüfung Sicherheitsmängel aufweisen, die eine unmittelbare Gefahr darstellen, nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne dieser Bestimmung verbunden sind.
3. Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die die Genehmigung der Eröffnung einer Station zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen durch ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe unter die Bedingung stellt, dass zum einen eine Mindestentfernung zwischen dieser Station und den bereits genehmigten Stationen dieses Unternehmens oder dieser Unternehmensgruppe besteht und zum anderen dieses Unternehmen oder diese Unternehmensgruppe, wenn eine solche Genehmigung erteilt würde, keinen Marktanteil von über 50 % erhielte, es sei denn, dass diese Bedingung tatsächlich geeignet ist, die Ziele des Verbraucherschutzes und der Straßenverkehrssicherheit zu erreichen, und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen sein wird.
Unterschriften

zum Urteil



SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
NILS WAHL
vom 3. Juni 2015(1)
Rechtssache C-168/14
Grupo Itevelesa SL,
Applus Iteuve Technology,
Certio ITV SL,
Asistencia Técnica Industrial SAE
gegen
OCA Inspección Técnica de Vehículos SA,
Generalidad de Cataluña
(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo [Spanien])
„Richtlinie 2006/123/EG – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Richtlinie 2009/40/EG – Technische Überwachung der Kraftfahrzeuge – Für Verkehrsdienstleistungen geltende Regelungen – Niederlassungsfreiheit – Tätigkeit, zu der private Unternehmen zugelassen sind – Ausübung öffentlicher Gewalt – Anforderungen hinsichtlich des Standorts und des Marktanteils“

1. Ein gut funktionierender Binnenmarkt setzt adäquate Verkehrsmöglichkeiten voraus, was wiederum erfordert, dass die Sicherheit im Straßenverkehr höchste Priorität genießt. Tatsächlich hat sich die Union das politische Ziel gesetzt, bis 2050 die Zahl der Unfalltoten auf null zu senken(2).
2. Durch die regelmäßige technische Überwachung der Kraftfahrzeuge (im Folgenden auch: Kfz-TÜ) soll der Straßenverkehr sicherer gemacht werden. Im vorliegenden Fall, in dem es u. a. um die Vereinbarkeit bestimmter katalanischer Regelungen für die Kfz-TÜ mit dem Unionsrecht geht, wird die technische Überwachung der Kraftfahrzeuge nicht von Behörden, sondern von privaten Wirtschaftsteilnehmern durchgeführt. Hierzu ersucht das Tribunal Supremo (Spanien) um Hinweise zu verschiedenen Problemkreisen, nämlich i) zur Anwendbarkeit der sogenannten Dienstleistungsrichtlinie(3), ii) zum Begriff „Ausübung öffentlicher Gewalt“ und iii) zur Vereinbarkeit der katalanischen Regelung für die Zulassung zur Durchführung der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen mit den Unionsvorschriften über den freien Verkehr.
3. Kurz gesagt: Meines Erachtens sind die Mitgliedstaaten am besten in der Lage, zu bestimmen, ob privaten Wirtschaftsteilnehmern die Durchführung der Kfz-TÜ gestattet und wie diese Tätigkeit geregelt werden soll, sofern die Mitgliedstaaten dabei das Unionsrecht beachten. Aus den nachstehend dargelegten Gründen fürchte ich, dass im vorliegenden Fall das Unionsrecht nicht in vollem Umfang eingehalten worden ist.
I – Rechtlicher Rahmen
A – Unionsrecht
1. Dienstleistungsrichtlinie
4. Art. 2 („Anwendungsbereich“) der Dienstleistungsrichtlinie bestimmt in seinem Abs. 1, dass die Richtlinie vorbehaltlich gewisser in Art. 2 Abs. 2 vorgesehener Ausnahmen für Dienstleistungen gilt, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden. Nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d findet die Richtlinie keine Anwendung auf „Verkehrsdienstleistungen …, die in den Anwendungsbereich von Titel [VI AEUV] fallen“ und nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. i auch nicht auf „Tätigkeiten, die im Sinne des Artikels [51 AEUV] mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind“.
5. In Abs. 3 von Art. 3 („Verhältnis zu geltendem Gemeinschaftsrecht“) der Dienstleistungsrichtlinie heißt es, dass die Mitgliedstaaten die Bestimmungen der Richtlinie in Übereinstimmung mit den Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr umsetzen.
2. Richtlinie 2009/40(4)
6. Die Richtlinie 2009/40 wurde auf Art. 71 EG (jetzt Art. 91 AEUV) gestützt; durch sie wurde die Richtlinie 96/96(5) aufgehoben.
7. Nach Art. 1 Abs. 1 bzw. Art. 2 der Richtlinie 2009/40 (unter der Überschrift „Allgemeine Bestimmungen“) sind die in einem Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeuge einer regelmäßigen technischen Überwachung entsprechend der Richtlinie zu unterziehen. Diese technische Überwachung ist vom Mitgliedstaat oder von staatlich entsprechend beauftragten öffentlichen Stellen oder von Organisationen oder Einrichtungen vorzunehmen, die vom Staat dafür bestimmt und unter seiner unmittelbaren Aufsicht tätig sind, einschließlich hierfür zugelassener privatwirtschaftlicher Organisationen.
B – Spanisches Recht
8. In Katalonien ist die regelmäßige technische Überwachung der Kraftfahrzeuge in den Art. 34 bis 38 des Gesetzes Nr. 12/2008(6) geregelt. Nach Art. 35 dieses Gesetzes haben die Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen u. a. die Aufgabe, die materielle technische Untersuchung der Kraftfahrzeuge durchzuführen sowie die Benutzung von Kraftfahrzeugen zu verhindern, die nach der Überprüfung Sicherheitsmängel aufweisen, die eine unmittelbare Gefahr begründen. In Art. 36 des Gesetzes sind bestimmte Anforderungen an die Betreiber festgelegt, während Art. 37 die Erteilung der Zulassung an die Betreiber betrifft. Diese Anforderungen sind in den Dekreten Nr. 30/2010(7) und Nr. 45/2010(8) (im Folgenden: angefochtene Dekrete) konkretisiert.
9. Insbesondere bestimmt Art. 73 des Dekrets Nr. 30/2010, dass die technischen Prüfstationen den Regionalplan einhalten müssen. Zudem darf nach Art. 74 des Dekrets ein zugelassenes Unternehmen (oder eine zugelassene Unternehmensgruppe(9)) höchstens einen Marktanteil von 50 % haben(10). Darüber hinaus sind in Art. 75 Mindestentfernungen zwischen den technischen Prüfstationen, für die dasselbe Unternehmen oder dieselbe Unternehmensgruppe die Zulassung besitzt, festgelegt(11).
II – Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen
10. Am 5. Mai 2010 erhob die OCA Inspección Técnica de Vehículos SA (im Folgenden: OCA), die Betreiberin einer Station zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen ist, beim Tribunal Superior de Justicia de Cataluña Klage auf gerichtliche Überprüfung der angefochtenen Dekrete. OCA machte und macht im Wesentlichen geltend, dass die mit der Zulassungsregelung für die Kfz-TÜ verbundenen Bedingungen gegen die Dienstleistungsrichtlinie und Art. 49 AEUV verstießen.
11. Vier weitere Betreiber technischer Prüfstationen, nämlich die Grupo Itevelesa SL (im Folgenden: Itevelesa), die Applus Iteuve Technology (im Folgenden: Applus), die Certio ITV SL (Certio) und die Asistencia Técnica Industrial SAE (im Folgenden: ATI) sowie die Generalidad de Cataluña (im Folgenden: Generalidad) reichten Schriftsätze ein, mit denen sie geltend machen, dass die angefochtenen Dekrete rechtmäßig seien.
12. Mit Urteil vom 25. April 2012 gab das Tribunal Superior de Justicia der von OCA erhobenen Klage statt, da die Zulassungsregelung mit den spanischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie unvereinbar sei. Dementsprechend erklärte es eine Reihe von Bestimmungen des Dekrets Nr. 30/2010 sowie das Dekret Nr. 45/2010 in seiner Gesamtheit für nichtig.
13. Gegen dieses Urteil legte die Generalidad kein Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein, wohl aber die vier anderen Betreiber der technischen Prüfstationen. Am 15. Januar 2014 beantragte die Generalidad beim vorlegenden Gericht, ihr im Rechtsmittelverfahren die Stellung einer Rechtsmittelgegnerin zuzuerkennen. Das Tribunal Supremo gab diesem Antrag am 20. Januar 2014 statt.
14. Das Tribunal Supremo ist sich erstens hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „Verkehrsdienstleistungen“ nicht sicher. Zweitens ersucht das Gericht um Hinweise zu der Frage, ob die Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen Tätigkeiten ausüben, die als „öffentliche Gewalt“ zu charakterisieren sind. Schließlich stellt das vorlegende Gericht die Möglichkeit als solche, eine Zulassungsregelung für die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen vorzusehen, sowie bestimmte gemäß dieser Regelung geltende Anforderungen in Frage, insbesondere soweit diese Mindestentfernungen und Marktanteile betreffen (im Folgenden: streitige Anforderungen). Da das vorlegende Gericht insoweit die Vereinbarkeit der angefochtenen Dekrete mit dem Unionsrecht bezweifelt, hat es das Verfahren ausgesetzt und folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Sind gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie die Tätigkeiten zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen, wenn sie im Einklang mit den nationalen Bestimmungen durch private Unternehmen unter der Aufsicht der Verwaltung eines Mitgliedstaats durchgeführt werden?
2. Falls die erste Frage zu verneinen ist (also Tätigkeiten zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie fallen), ist auf diese Tätigkeiten die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. i der Richtlinie vorgesehene Ausnahme anwendbar, weil die privaten Unternehmen, die die Dienstleistungen erbringen, ermächtigt sind, als Vorsichtsmaßnahme die Stilllegung von Fahrzeugen anzuordnen, die so schwerwiegende Sicherheitsmängel aufweisen, dass ihre Teilnahme am Straßenverkehr eine unmittelbare Gefahr darstellen würde?
3. Falls die Dienstleistungsrichtlinie auf Tätigkeiten zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen anwendbar ist, ist sie in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2009/40 (oder in Verbindung mit der gleichlautenden Bestimmung der Vorgängerrichtlinie 96/96) so auszulegen, dass es jedenfalls zulässig ist, diese Tätigkeit von der vorherigen Erteilung einer behördlichen Zulassung abhängig zu machen? Kommt es für die Antwort auf die Feststellungen in Rn. 26 des Urteils des Gerichtshofs Kommission/Portugal (C-438/08, EU:C:2009:651) an?
4. Ist eine nationale Regelung, die die Anzahl der Zulassungen für Einrichtungen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen dem Inhalt eines Regionalplans unterwirft, in dem als Gründe für die zahlenmäßige Begrenzung u. a. die Sicherstellung einer hinreichenden regionalen Deckung, die Sicherstellung der Qualität der Dienstleistung und die Förderung des Wettbewerbs unter den Betreibern angeführt werden, und der zu diesem Zweck Elemente der Wirtschaftsplanung umfasst, mit den Art. 10 und 14 der Dienstleistungsrichtlinie oder, falls diese nicht anwendbar ist, mit Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) vereinbar?
15. Nach Art. 101 der Verfahrensordnung hat der Gerichtshof mit Schreiben vom 28. Januar 2015 das vorlegende Gericht um Klarstellung bestimmter Punkte hinsichtlich des anwendbaren nationalen Rechtsrahmens bis zum 24. Februar 2015 ersucht. Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 hat das Tribunal Supremo dem Gerichtshof die erbetenen Informationen mitgeteilt.
16. OCA, Itevelesa, Applus, Certio, ATI, die Generalidad, die spanische und die schwedische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 19. März 2015 haben OCA, Itevelesa, Applus, Certio, ATI, die Generalidad, die spanische, die irische und die schwedische Regierung sowie die Kommission mündlich verhandelt.
III – Würdigung
A – Erste Frage: Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie
17. Das Tribunal Supremo bezeichnet die erste Frage als „Schlüsselfrage“. Es möchte im Wesentlichen wissen, ob es sich bei der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen um eine „Verkehrsdienstleistung“ handelt. Es sei noch einmal daran erinnert, dass solche Dienstleistungen aufgrund von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie von dieser ausgenommen sind und stattdessen in den Anwendungsbereich von (jetzt) Titel VI AEUV fallen. Dies entspricht der in Art. 58 Abs. 1 AEUV verankerten Regelung(12).
18. Wie wir noch sehen werden, ist diese Problematik für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens eigentlich unerheblich. Angesichts ihrer potenziellen Bedeutung für zukünftige Fälle werde ich sie jedoch hier ausführlich abhandeln.
19. Zunächst ist zu beachten, dass aufgrund des besonderen Charakters des Verkehrsbereichs die Anwendung der Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit nach dem Vertrag durch die Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik erreicht werden muss(13). Die Vorschriften über die gemeinsame Verkehrspolitik dienen nicht dazu, die Grundsatzbestimmungen über den freien Verkehr außer Kraft zu setzen, sondern gerade dazu, den Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit Wirksamkeit zu verleihen und sie durch gemeinsame Aktionen auszufüllen(14).
20. In Titel VI AEUV ist nicht definiert, was eine Dienstleistung auf dem Gebiet des Verkehrs darstellt. In Ermangelung einer allgemeinen Begriffsbestimmung im Primärrecht finden sich in gemäß Titel VI AEUV erlassenen abgeleiteten Rechtsakten spezifische Definitionen für Dienstleistungen, die in den Anwendungsbereich dieser Rechtsakte fallen.
21. In Bezug auf den vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass mit der Richtlinie 96/96 die Vorschriften über die technische Überwachung der Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger zwar harmonisiert werden, dass sie „allerdings keine Vorschrift über die Regelung des Zugangs zur Tätigkeit der Untersuchung von Fahrzeugen [enthält]“(15). Dies gilt ebenso für die Richtlinie 2009/40. Das Recht, sich als Betreiber einer technischen Prüfstation niederzulassen, wird also – im Gegensatz zu den materiellen Vorschriften über die Untersuchung selbst – durch die Richtlinie 2009/40 nicht harmonisiert. Schon gar nicht ist eine Harmonisierung der Vorschriften über die im Rahmen dieser Tätigkeit erbrachten Dienstleistungen erfolgt. Sollte also die Kfz-TÜ als eine unter Art. 58 Abs. 1 AEUV fallende „Verkehrsdienstleistung“ einzustufen sein, müsste die Schlussfolgerung lauten, dass das Unionsrecht derzeit keine Freiheit zur Erbringung von Dienstleistungen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen gewährleistet(16).
22. Deshalb sollte bei der Bestimmung dessen, was eine „Verkehrsdienstleistung“ darstellt, mit Vorsicht vorgegangen werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Dienstleistungen, die nur beiläufig, nebensächlich oder sogar nur am Rande etwas mit Verkehr zu tun haben. Bedeutet dies jedoch, dass dieser Begriff entschieden eng zu verstehen ist? Dies ist eine wichtige Frage. Angesichts der Tatsache, dass die Vorschriften über die gemeinsame Verkehrspolitik dazu dienen, den Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit Wirksamkeit zu verleihen und sie auszufüllen (siehe oben, Nr. 19), halte ich es für problematisch, so weit zu gehen, Titel VI AEUV – selbst unter Berücksichtigung von Art. 58 Abs. 1 AEUV – als „Ausnahme“ von den Vorschriften über den freien Verkehr zu betrachten, die dementsprechend eng auszulegen wäre(17).
23. Die Verfahrensbeteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, sind mehrheitlich der Auffassung, dass die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit fördere, was ein in Art. 91 Abs. 1 Buchst. c AEUV ausdrücklich erwähnter Politikbereich sei. Die genannten Verfahrensbeteiligten verweisen darauf, dass die Richtlinien 96/96, 2009/40 und 2014/45(18) auf Art. 71 EG (oder die Nachfolgebestimmung) gestützt worden seien. Das Vorgehen des Unionsgesetzgebers könne daher wohl als Indiz dafür angesehen werden, dass die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen eine Verkehrsdienstleistung sei.
24. Ich will mich diesem Vorbringen zwar nicht verschließen, möchte aber doch darauf hinweisen, dass erstens ein Kriterium, das auf die Rechtsgrundlage einer Richtlinie abstellt, nicht maßgeblich für die Beurteilung sein kann, ob durch diese Richtlinie nur der Inhalt der in Rede stehenden Dienstleistung harmonisiert wird oder die eigentliche Erbringung der Dienstleistung selbst (Zugang). Zweitens sind die Gründe für den Erlass legislativer Maßnahmen nach Titel VI AEUV nicht immer klar oder kohärent. Zur Veranschaulichung sei darauf hingewiesen, dass die Vorschriften über Lenkzeiten und Ruhezeiten auf Art. 71 EG gestützt wurden(19), nicht aber die Vorschriften über den Transport von Tieren(20). Bei beiden Rechtsakten geht es unbestreitbar um den Verkehr. Angesichts dessen kann meines Erachtens die Rechtsgrundlage eines Unionsrechtsakts nicht das alleinentscheidende Kriterium zur Bestimmung dessen sein, was eine Verkehrsdienstleistung darstellt(21).
25. Es lässt sich vertreten, dass die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen keine eigentliche Verkehrsdienstleistung darstellt, sondern eine nebensächliche oder sekundäre Dienstleistung zu einer Verkehrsdienstleistung. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine nebensächliche Dienstleistung zur eigentlichen Verkehrsdienstleistung handelt, wird der Charakter solcher Dienstleistungen unklar. So hat der Gerichtshof im Urteil Bowden u. a.(22) zu einer Richtlinie über Arbeitszeit, die nicht für den Straßenverkehrssektor gilt, entschieden, dass Büroangestellte, die bei einem Paketzustelldienst beschäftigt sind, in diesen Sektor fallen. Angesichts des besonderen Sachverhalts jener Rechtssache, bei der es um einen Arbeitsrechtsstreit ging, lässt sich diesem Urteil meiner Meinung nach jedoch nicht allzu viel entnehmen.
26. Nun ist in Art. 58 Abs. 1 AEUV von „[Dienstleistungen] auf dem Gebiet des Verkehrs“ die Rede, eine Wendung, die meines Erachtens etwas weiter ist als der Begriff „Verkehrsdienstleistungen“. Tendenziell werden damit – zumindest innerhalb gewisser Grenzen – auch nebensächliche oder sekundäre Dienstleistungen zu Verkehrsdienstleistungen erfasst.
27. Bestimmte Erwägungsgründe der Dienstleistungsrichtlinie geben weiteren Aufschluss. Zum einen heißt es im 21. Erwägungsgrund – in dem der etwas engere Begriff „Verkehrsdienstleistungen“ verwendet wird –, dass diese Dienstleistungen auch solche „des Personennahverkehrs, Taxis und Krankenwagen sowie Hafendienste [einschließen]“ und „vom Anwendungsbereich [der Dienstleistungsrichtlinie] ausgenommen sein [sollten]“. Zum anderen wird im 33. Erwägungsgrund ausdrücklich erwähnt, dass „[d]ie von dieser Richtlinie erfassten Dienstleistungen … einen weiten Bereich von Tätigkeiten [umfassen], die einem ständigen Wandel unterworfen sind, wie etwa Dienstleistungen für Unternehmen wie … die Vermietung von Kraftfahrzeugen und Dienste von Reisebüros“(23).
28. Angesichts dieser Faktoren und des Fehlens einer klaren Definition in den Rechtstexten bin ich der Meinung, dass eine Verkehrsdienstleistung in der körperlichen Handlung der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen mittels eines Land-, Luft- oder Wasserfahrzeugs bestehen oder naturgemäß mit einer solchen Handlung verbunden sein muss. Falls die in Rede stehende Dienstleistung nicht im Wesentlichen eine tatsächliche Beförderung umfasst, kann die bloße Tatsache, dass sie in der einen oder anderen Weise mit Verkehr in Zusammenhang steht, nicht dazu führen, dass sie als Verkehrsdienstleistung einzustufen ist. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie zu weit wird und die Richtlinie ihres Zwecks beraubt wird. Auf die Gefahr hin, eine Selbstverständlichkeit zu äußern: Dienstleistungen, die z. B. dazu bestimmt sind, von der Allgemeinheit in Anspruch genommen zu werden, wie sie in der Regel in einem viel besuchten Hauptbahnhof anzutreffen sind – also etwa Schuh- und Schlüsselreparaturen – sind nicht mit Verkehr verbunden.
29. Diese These sollte jedoch nicht im Sinne eines Plädoyers für eine enge Sicht des Begriffs „Dienstleistung auf dem Gebiet des Verkehrs“ missverstanden werden. Ausgehend vom Wortlaut von Art. 91 Abs. 1 AEUV können nämlich bestimmte Faktoren eine Dienstleistung, die nicht in einer Beförderung als solcher besteht, mit dem Gebiet des Verkehrs verknüpfen, weil sie für den Verkehr unerlässlich ist. Verkehrssicherheit dürfte genau ein solcher Faktor sein, da sie den Verkehr für alle verbessern soll.
30. Somit gelange ich aus den nachstehenden Gründen zu dem Ergebnis, dass es sich bei der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen um eine Verkehrsdienstleistung handelt.
31. Zugegebenermaßen mag die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen zwar keine eigentliche Beförderung, sondern lediglich eine Dienstleistung darstellen, die nur nebensächlich oder mittelbar zur eigentlichen Beförderung erbracht wird. Allerdings kann es in Fällen, in denen die technische Untersuchung eines Fahrzeugs gefährliche Mängel aufzeigt, rechtlich unmöglich sein, das Fahrzeug zu Beförderungszwecken zu nutzen(24). Die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen dürfte mit anderen Worten also als eine notwendige Voraussetzung für den Verkehr anzusehen sein. Im Übrigen trägt die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen als solche zur Verkehrssicherheit bei und kommt somit allen Verkehrsteilnehmern zugute. Dementsprechend ist sie naturgemäß mit Verkehr verbunden. Im Gegensatz dazu ist – um das Beispiel der Vermietung von Kraftfahrzeugen heranzuziehen, die man ebenfalls als nebensächlich zum Verkehr betrachten könnte – ein Mietvertrag als solcher keine notwendige Voraussetzung für Verkehr, sondern einfach nur ein rechtliches Instrument (unter vielen), sich ein Verkehrsmittel zu beschaffen.
32. Angesichts dessen spielt es keine Rolle, dass die Kfz-TÜ auch mit Dienstleistungen auf dem Gebiet der Zertifizierung, technischen Überwachung und/oder des Prüfwesens verglichen werden kann, die grundsätzlich von der Dienstleistungsrichtlinie erfasst werden(25). Es spricht nämlich nichts dagegen, dass eine bestimmte Dienstleistung einerseits eine Dienstleistung auf dem Gebiet der Zertifizierung, technischen Überwachung und/oder des Prüfwesens umfasst und andererseits eine „Verkehrsdienstleistung“ ist. Auch bei solchen multidisziplinären Tätigkeiten ist die Dienstleistung vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen, da Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie (und Art. 58 Abs. 1 AEUV) meines Erachtens Vorrang vor Art. 2 Abs. 1 haben.
33. Auf dieser Grundlage bin ich der Auffassung, dass die Erbringung von Dienstleistungen der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen in den Anwendungsbereich von Titel VI AEUV fällt. Folglich kommen weder die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 58 Abs. 1 AEUV) noch die Dienstleistungsrichtlinie (Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie) zum Tragen. Da zudem die Richtlinie 2009/40 keine Harmonisierung der Vorschriften über die Dienstleistungen der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen bewirkt, kann sie auch nicht die in Rede stehenden katalanischen Regelungen in Frage stellen.
34. Um jedoch dem Tribunal Supremo eine sachdienliche Antwort zur Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache zu geben, muss man über die gewählte Formulierung der ersten Frage hinausgehen. Dass die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr im Sinne von Art. 58 Abs. 1 AEUV nicht zum Tragen kommen, schließt nämlich nicht aus, dass Art. 49 AEUV über die Niederlassungsfreiheit einschlägig ist. Diese Bestimmung findet auf den Verkehr unmittelbar Anwendung(26). Bezeichnenderweise erwähnt das vorlegende Gericht Art. 49 AEUV in seiner vierten Frage.
35. Da der Betrieb technischer Prüfstationen unter den Begriff der „Niederlassung“ fällt(27), sollte der Gerichtshof die erste Frage dahin beantworten, dass solche Tätigkeiten in den Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV fallen.
36. Schließlich sei – da Applus und ATI die Einrede der Unzulässigkeit erheben – klargestellt, dass die von mir vorgeschlagene Lösung, nämlich die Vorlagefragen unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit anstatt der Dienstleistungsrichtlinie zu beantworten, keine Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Gerichtshofs hat. Der Gerichtshof darf zwar keine Vorabentscheidungsersuchen betreffend die Auslegung von Bestimmungen des Primärrechts über die Freizügigkeit beantworten, wenn kein relevantes Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist(28). Allerdings können unter gewissen Umständen grenzüberschreitende Auswirkungen einer angefochtenen innerstaatlichen Regelung nicht ausgeschlossen werden(29). Dies gilt namentlich für Rechtsvorschriften, mit denen eine Zulassungsregelung zur Begrenzung der Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer geschaffen wird und die die Zulassung an die Erfüllung von Anforderungen z. B. in Bezug auf Entfernungen knüpfen. In solchen Rechtssachen wurde in der Regel eine Sachprüfung durchgeführt(30), wofür das überzeugendste Argument lautet, dass die jeweilige Regelung grenzüberschreitende Auswirkungen haben könnte oder solche Auswirkungen zumindest nicht auszuschließen sind. Da eben dies bei der in Rede stehenden katalanischen Regelung der Fall sein könnte, gelange ich demnach zu dem Ergebnis, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs, die Fragen einer Sachprüfung zu unterziehen, unberührt bleibt.
B – Zweite Frage: Ausnahme wegen „Ausübung öffentlicher Gewalt“
37. Die zweite Frage betrifft den bekannten Problemkreis der Ausnahme von Tätigkeiten, die als Ausübung öffentlicher Gewalt zu qualifizieren sind, von den Vorschriften über den freien Verkehr. Die Frage geht in ihrer Formulierung davon aus, dass im vorliegenden Fall die Dienstleistungsrichtlinie Anwendung findet. Angesichts meiner Antwort auf die erste Frage – und wiederum um sachdienliche Hinweise zu geben –, sollte der Gerichtshof meines Erachtens diese Frage unter dem Gesichtspunkt von Art. 51 Abs. 1 AEUV behandeln, soweit diese Bestimmung auch für den Bereich der Niederlassungsfreiheit gilt.
38. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob die Betreiber technischer Prüfstationen aufgrund ihrer Befugnis, die Stilllegung von Fahrzeugen anzuordnen, die wegen bei der Untersuchung festgestellter Mängel eine unmittelbare Gefahr darstellen, öffentliche Gewalt im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AEUV ausüben.
39. Diese Frage sollte klar verneint werden.
40. Erstens sei daran erinnert, dass Art. 51 AEUV als Ausnahme von den Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit eng auszulegen ist(31). Zweitens ist diese Ausnahme auf Tätigkeiten beschränkt, die, für sich genommen, eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung der öffentlichen Gewalt darstellen(32). Drittens hat sich der Gerichtshof skeptisch zur Argumentation geäußert, dass privaten Prüfungseinrichtungen wirklich öffentliche Gewalt mit der Folge übertragen worden sei, dass Art. 51 AEUV auf sie Anwendung finde(33).
41. Tatsächlich ist anerkannt, dass Entscheidungen über die Erteilung von Bescheinigungen, die im Wesentlichen nur die Ergebnisse einer technischen Überprüfung wiedergeben, nicht in den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung des Art. 51 AEUV fallen. Ebenso kann die helfende und vorbereitende Rolle, die den privaten Einrichtungen übertragen wird, nicht als unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne dieser Bestimmungen angesehen werden(34).
42. Zur Verdeutlichung sei der Fall eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Portugal wegen Verletzung seiner Verpflichtungen aus der Richtlinie 96/96 angeführt, in dem die Untersuchung in privaten Stationen zur technischen Überwachung von Fahrzeugen in zwei Phasen abläuft. In einer ersten Phase nimmt der Betreiber eine technische Besichtigung des Fahrzeugs vor. In einer zweiten Phase erteilt oder versagt der Betreiber die Bescheinigung. Während der Gerichtshof den Gedanken verworfen hat, dass die erste Phase der Ausübung öffentlicher Gewalt gleichkomme, hat er dies für die zweite Phase jedoch nicht ausgeschlossen, weil nämlich der Betreiber dabei die rechtlichen Folgen aus den technischen Feststellungen ziehe. Da jedoch die Betreiber technischer Prüfstationen i) über keine Entscheidungsautonomie verfügten, ii) unter staatlicher Aufsicht tätig würden, wie sich aus Art. 2 der Richtlinie 96/96 ergebe, und iii) und keine Zwangsbefugnisse hätten (die weiterhin bei den Rechtsvollzugsstellen verblieben), sei Art. 45 EG auf diese Tätigkeit nicht anwendbar(35).
43. Applus, ATI, Certio und Itevelesa grenzen den vorliegenden Fall von der Rechtssache Kommission/Portugal ab bzw. tragen vor, die hier in Rede stehende katalanische Regelung stehe in Einklang mit dem genannten Urteil.
44. Für mich ist kein rechtlich erheblicher Unterschied zwischen dem vorliegenden Fall und der Rechtssache Kommission/Portugal ersichtlich. Das Vorbringen, dass Betreibern technischer Prüfstationen nicht nur eine rein vorbereitende Rolle zukomme bzw. dass die Verwaltung die Tätigkeiten dieser Betreiber nicht „aktiv“ überwache, vermag nicht zu überzeugen. In Art. 2 der Richtlinie 96/96 und Art. 2 der Richtlinie 2009/40 (sowie in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/45) heißt es nämlich ausdrücklich, dass in Fällen, in denen sich ein Mitgliedstaat zu einer Liberalisierung der Tätigkeiten der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen entscheidet, die privatwirtschaftlichen Betreiber entsprechender Stationen „unter seiner unmittelbarer Aufsicht“ tätig sind(36). Der Wortlaut der Richtlinie 2009/40 ist bei der Beschreibung des Umfangs dieser Kontrolle etwas spärlich(37). Bestimmten Vorschriften dieser Richtlinie liegt aber naturgemäß der Gedanke zugrunde, dass eine Aufsicht stattfindet(38). Dass die Betreiber technischer Prüfstationen möglicherweise eine Versicherung abschließen und interne Buchprüfungsverfahren anwenden müssen, bedeutet somit nicht, dass sie unabhängig von staatlicher Aufsicht im Sinne des genannten Urteils handeln würden.
45. Im Übrigen wurde dieser Punkt jedenfalls durch die Informationen geklärt, die das Tribunal Supremo dem Gerichtshof zur Verfügung gestellt hat. Aus dieser Antwort geht jetzt erstens hervor, dass der Eigentümer eines stillgelegten Fahrzeugs letztlich Beschwerde bei einem technischen Prüfer – einem mit der Beaufsichtigung der technischen Prüfstationen beauftragten Beamten – erheben kann, der zur Aufhebung der Stilllegungsanordnung befugt ist. Zweitens kann nach den einschlägigen nationalen Vorschriften eine Stilllegungsanordnung nur „in den in den einschlägigen Rechtsvorschriften vorgesehenen Fällen nach Maßgabe von Weisungen und Protokollen“ ergehen, die von der zuständigen Behörde genehmigt wurden(39). Im einschlägigen Handbuch für die Fahrzeuguntersuchung werden Formulierungen in Form einer Sollvorschrift verwendet, die wenig Raum für eine Ermessensausübung der Betreiber technischer Prüfstationen lassen(40). Drittens stellt das Tribunal Supremo unmissverständlich klar, dass technische Prüfstationen zwar die Stilllegung von Fahrzeugen aus Sicherheitsgründen anordnen können, der Vollzug dieser Anordnungen jedoch Sache der katalanischen Regierung bzw. der Polizei ist – die Stationen selbst haben keine Vollzugsbefugnis.
46. In Anbetracht dessen und unter Zugrundelegung einer restriktiven Auslegung von Art. 51 AEUV vermag ich mich ohne Weiteres der Auffassung der Generalidad und der Kommission anzuschließen, wonach der Betrieb einer technischen Prüfstation nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist. Dementsprechend schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite Frage dahin zu beantworten, dass die Möglichkeit privater Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Fahrzeugen, die Stilllegung von Fahrzeugen anzuordnen, die so schwerwiegende Sicherheitsmängel aufweisen, dass ihre Teilnahme am Straßenverkehr eine unmittelbare Gefahr darstellen würde, nicht als Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 51 AEUV anzusehen ist, wenn nach nationalem Recht eine solche Anordnung aufgrund einer technischen Untersuchung obligatorisch ist und jedenfalls die Anwendung von Zwang zur Stilllegung des Fahrzeugs den Rechtsvollzugsstellen vorbehalten ist.
C – Dritte und vierte Frage: Zulassungsregelung und damit verbundene Anforderungen
47. Mit seiner dritten Frage möchte das Tribunal Supremo im Wesentlichen wissen, ob es mit der Dienstleistungsrichtlinie in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2009/40 vereinbar ist, wenn die Mitgliedstaaten ein Zulassungssystem der Verwaltung zur Regelung der Erbringung von Dienstleistungen der Kfz-TÜ vorsehen. Diese Frage wird gestellt, weil der Gerichtshof im Urteil Kommission/Portugal(41) entschieden hat, dass der Zugang zur Tätigkeit der Fahrzeuguntersuchung durch die Richtlinie 96/96 nicht harmonisiert worden sei.
48. Die vierte Frage des vorlegenden Gerichts lautet konkret, ob es mit den Art. 10 und 14 der Dienstleistungsrichtlinie oder alternativ mit Art. 49 AEUV vereinbar ist, wenn die nationalen Rechtsvorschriften bestimmte Anforderungen bezüglich Mindestentfernungen und Marktmacht stellen, um eine hinreichende regionale Deckung sicherzustellen, die Qualität der Dienstleistung zu erhöhen und den Wettbewerb unter den Betreibern zu fördern. Diese Anforderungen führen zu einer zahlenmäßigen Begrenzung der verfügbaren Zulassungen und, wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, de facto zu einem Gebietsschutz für die Zulassungsinhaber.
49. Ich werde eine einzige Antwort auf beide Fragen herausarbeiten, da sie miteinander zusammenhängen. Aus den oben in Nr. 37 dargelegten Gründen werde ich beide Fragen unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit behandeln.
1. Die Zulassungsregelung als solche
50. Es besteht kein Zweifel, dass die Mitgliedstaaten ein Zulassungssystem der Verwaltung zur Regelung der Tätigkeit der Kfz-TÜ vorsehen dürfen.
51. Wie erwähnt, hat der Gerichtshof entschieden, dass die Richtlinie 96/96 nicht den Zugang zu dieser Tätigkeit regele. Daran hat sich mit dem Erlass der Richtlinie 2009/40 nichts geändert. Da weder der Zugang zur Tätigkeit der Kfz-TÜ noch der Bereich der Straßenverkehrssicherheit im Allgemeinen harmonisiert worden ist, können die Mitgliedstaaten insoweit die Regelungen treffen, die ihnen am geeignetsten erscheinen(42). Dies wird auch in beiden Richtlinien jeweils in Art. 2 ausdrücklich bestätigt, denn dort heißt es, dass die technische Überwachung von Organisationen oder Einrichtungen vorgenommen werden kann, die vom Staat dafür bestimmt und unter seiner unmittelbaren Aufsicht tätig sind, einschließlich hierfür zugelassener privatwirtschaftlicher Organisationen.
52. Dennoch muss eine entsprechende nationale Zulassungsregelung der Verwaltung das Unionsrecht, insbesondere Art. 49 AEUV, beachten.
53. Art. 49 AEUV steht Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit entgegen, d. h. jeder staatlichen Maßnahme, die die Ausübung der vom Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsbürger behindern oder weniger attraktiv machen kann. Der Begriff „Beschränkung“ umfasst die von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen, die, obwohl sie unterschiedslos anwendbar sind, den Marktzugang von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und somit den innergemeinschaftlichen Handel behindern(43).
54. Hierunter fällt insbesondere eine Regelung, die die Niederlassung eines Dienstleistungserbringers eines anderen Mitgliedstaats von der Erteilung einer vorherigen Erlaubnis abhängig macht, denn sie ist geeignet, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch diesen Dienstleistungserbringer zu beeinträchtigen, indem sie ihn daran hindert, seine Tätigkeiten mit Hilfe einer Betriebsstätte frei auszuüben(44).
55. Die hier in Rede stehende katalanische Zulassungsregelung umfasst ein System vorheriger Erlaubnisse, das die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften beschränkt – ein Sachverhalt, der in Art. 49 AEUV ausdrücklich angesprochen wird. Dem Tribunal Supremo zufolge begrenzen diese Vorschriften die Anzahl der Betreiber technischer Prüfstationen. Somit ist die Regelung geeignet, die Ausübung der Freiheit der Unionsbürger, sich als Betreiber technischer Prüfstationen niederzulassen, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, und stellt eine Beschränkung im Sinne von Art. 49 AEUV dar.
56. Gemäß dem im Urteil Gebhard aufgestellten Grundsatz müssen Beschränkungen vier Voraussetzungen erfüllen, um als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden zu können: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist(45).
57. Die katalanische Zulassungsregelung ist nicht diskriminierend (zumindest nicht offensichtlich), da keine Beschränkung der Freiheit der Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten vorgesehen ist, Agenturen oder sonstige Niederlassungen in Katalonien zu gründen(46). Deshalb stellt sich allein die Frage, ob die Regelung geeignet und verhältnismäßig ist.
58. Insoweit verweist das Tribunal Supremo auf die Erwägungsgründe des Dekrets Nr. 45/2010(47). Von der vorläufigen Einschätzung ausgehend, dass das Ziel der Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit allein noch nicht die Festlegung der streitigen Anforderungen rechtfertigen kann, wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob anderweitige zwingende Gründe zu einer Rechtfertigung führen können(48) und ob die Anforderungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
59. Mit Ausnahme von OCA, der schwedischen Regierung und – was die streitigen Anforderungen betrifft – der Kommission sind alle vor dem Gerichtshof erschienenen Verfahrensbeteiligten offenbar der Ansicht, dass die in Rede stehende katalanische Regelung allein schon aus Gründen der Straßenverkehrssicherheit gerechtfertigt werden könne.
60. Zweifellos stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Straßenverkehrssicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar(49). Dasselbe gilt für das Ziel der Sicherstellung einer hohen Qualität der an die Empfänger erbrachten Dienstleistung(50) sowie das Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs, das letztlich auf den Schutz der Verbraucher ausgerichtet ist(51). Was das Ziel der Sicherstellung einer hinreichenden Deckung und geografischen Verteilung bestimmter Produkte oder Dienstleistungen anlangt, scheint mir dies eher ein Mittel als ein eigenständiger Zweck zu sein, denn es geht darum, ob das betreffende Produkt oder die betreffende Dienstleistung unentbehrliche Merkmale aufweist(52).
61. Da nunmehr davon ausgegangen werden kann, dass die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen generell zur Straßenverkehrssicherheit beiträgt(53), ist die katalanische Zulassungsregelung vor allem unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen.
62. Allerdings lässt sich die Verhältnismäßigkeit der streitigen Zulassungsregelung in Bezug auf das verfolgte Ziel nicht abstrakt beurteilen, sondern es muss auf die mit der Regelung verbundenen besonderen Voraussetzungen abgestellt werden(54). Obwohl die letzte Entscheidung beim vorlegenden Gericht liegt, kann der Gerichtshof Hinweise geben, die diesem Gericht den Erlass eines Urteils ermöglichen(55). Ich werde daher näher auf die streitigen Anforderungen eingehen.
2. Vereinbarkeit der streitigen Anforderungen mit Art. 49 AEUV
63. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass dem Gerichtshof nur ein Minimum an Informationen zu der Situation vor und nach der in Katalonien mit dem Erlass des Gesetzes Nr. 12/2008 und der angefochtenen Dekrete durchgeführten Reform zur Verfügung steht. Aus den verstreuten Einzelangaben in der Vorlageentscheidung(56) (und aus der mündlichen Verhandlung) geht lediglich hervor, dass die katalanische Regelung der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen früher auf Konzessionen für mehrere etablierte Unternehmen beruhte und dass die aktuelle Regelung die Erteilung von Zulassungen durch die Verwaltung im Anschluss an ein Ausschreibungsverfahren umfasst. Die Vorlageentscheidung enthält jedoch keine Beschreibung der Ausschreibungsunterlagen, der Vergabekriterien und deren Gewichtung; es gibt auch keine inhaltlichen Angaben (z. B. zur Anzahl der Zulassungen). Dies wirkt sich zwangsläufig auf die Qualität der vom vorlegenden Gericht erbetenen Antwort aus und rückt die vorstehenden allgemeinen Bemerkungen zur dritten Frage noch stärker in den Vordergrund(57). Aufgrund dieser Unklarheiten bleiben auch einige Ungereimtheiten offen.
64. Die erste Ungereimtheit besteht in der Vorstellung, dass der Straßenverkehrssicherheit irgendwie besser gedient sei, wenn für eine Zulassung Anforderungen gestellt würden, u. a. in Form einer Mindestentfernung zwischen den technischen Prüfstationen. Solche Anforderungen dürften den Zugang zu technischen Prüfstationen wohl eher erschweren und daher dem Ziel der Straßenverkehrssicherheit zuwiderlaufen. Eine zweite Ungereimtheit angesichts der nachstehenden Ausführungen ist, dass bei der Regelung einer wirtschaftlichen Tätigkeit wie der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen einer zentralen Planung aus irgendeinem Grund der Vorzug gegenüber offenen Marktbedingungen zu geben sei. Als dritte Ungereimtheit ist zu nennen, dass die Anforderungen angeblich den Nutzern den Zugang zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen erleichtern und auf diese Weise die Einhaltung der entsprechenden Normen durch die Eigentümer fördern und verbessern sollen. Die Sicherstellung, dass Normen eingehalten werden – mit anderen Worten die Durchsetzung der einschlägigen Vorschriften –, ist jedoch nicht Sache der Eigentümer, sondern der Behörden. Dieses Problem, das im alleinigen Verantwortungsbereich der Behörden liegt, durch eine Beschränkung des Zugangs zur Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen lösen zu wollen, erscheint unlogisch.
65. Um nunmehr erstens näher auf die Entfernungsanforderung einzugehen, so scheint sich der vorliegende Fall doch recht deutlich von den Rechtssachen zu unterscheiden, in denen der Gerichtshof die Anforderung bezüglich einer Mindestentfernung für mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar erklärt hat. Wie oben in Nr. 60 ausgeführt, scheint der Gerichtshof Anforderungen hinsichtlich einer Mindestentfernung nur gelten zu lassen, wenn dadurch der Zugang zu Produkten oder Dienstleistungen sichergestellt wird, die unentbehrliche Merkmale aufweisen.
66. Um die Rechtssache Venturini u. a.(58) als Beispiel anzuführen: In jenem Fall hat der Gerichtshof eine Regelung zugelassen, wonach nur Apotheken, die in einen „nationalen Organisationsplan“ aufgenommen sind (der Mindestentfernungen zwischen ihnen vorsieht), zum Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel berechtigt sind, einschließlich der Arzneimittel, für die die Kosten nicht erstattet werden. Bei einer anderslautenden Regelung stand wohl zu erwarten, dass sich Apotheken nicht in entlegenen Gebieten des Organisationsplans niederlassen würden, weil sie einem intensiven Wettbewerb seitens Apotheken und parapharmazeutischen Verkaufsstellen um einen Anteil am lukrativen Markt der verschreibungspflichtigen Arzneimittel, für die die Kosten nicht erstattungsfähig sind, ausgesetzt wären. Das wiederum könnte zu einer Unterversorgung im nicht so lukrativen Marktsegment der verschreibungspflichtigen Arzneimittel führen, für die die Kosten übernommen werden können. Es ging also um ein Marktversagen in einem unentbehrlichen Bereich, das – zumindest teilweise – durch Regulierung beseitigt werden konnte.
67. Demgegenüber ist im vorliegenden Fall die Inanspruchnahme der Dienstleistungen, die bei der Tätigkeit der Kfz-TÜ angeboten werden, gesetzlich zwingend (sofern nämlich das Fahrzeug benutzbar bleiben soll) und wiederkehrend(59). Dies bedeutet, dass die Betreiber technischer Prüfstationen die Nachfrage problemlos auch ohne staatlichen Eingriff kalkulieren können. Die Tätigkeit mag sogar in abgelegenen oder dünn besiedelten Gegenden rentabel sei, falls das Einzugsgebiet groß genug ist. Es gibt daher keine Anzeichen für ein Marktversagen. Dem Gerichtshof liegen keine seriösen Angaben vor, die nahelegen, dass sich ohne eine Entfernungsanforderung kein Betreiber für eine Niederlassung in einer solchen Gegend entscheiden würde. Hierfür spricht auch, dass – wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde – die katalanischen Behörden die Betreiber technischer Prüfstationen nicht zwingen können, sich in Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte niederzulassen.
68. Andererseits will ich nicht ausschließen, dass eine Entfernungsanforderung mitunter das Gebiet, in dem den Nutzern technische Prüfstationen zugänglich sind, ausdehnen und die Möglichkeit, die Normen einzuhalten, erweitern könnte. Insoweit könnte eine solche Anforderung dem Zweck einer erhöhten Straßenverkehrssicherheit möglicherweise zumindest teilweise dienen. Da die Betreiber technischer Prüfstationen jedoch nicht verpflichtet werden können, sich in weniger lukrativen Gegenden niederzulassen, bezweifle ich, dass eine Entfernungsanforderung wesentliche positive Auswirkungen garantiert. Jedenfalls liegen zu diesem Punkt keine verlässlichen Informationen vor.
69. In der mündlichen Verhandlung hat die Generalidad das Beispiel eines Lokalverwaltungsbezirks („comarca“) angeführt, in dem es früher nur eine einzige technische Prüfstation gegeben habe. Im Anschluss an ein Ausschreibungsverfahren sei dann einem zweiten Betreiber eine Zulassung erteilt worden, woraufhin sich in dieser comarca die im Rahmen der technischen Überwachung von Fahrzeugen geprüfte Einhaltung der Normen verbessert habe. So lobenswert dies auch sein mag – weshalb sollte es besser sein, einen Markt mit vielen regulatorischen Mängeln durch einen Markt mit weniger Mängeln zu ersetzen? Angesichts der oben dargelegten Merkmale der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen leuchtet mir nicht ein, weshalb eine Abschaffung jeder Planung – d. h. die Option eines Marktes mit unbeschränktem Zugang – nicht das Gleiche, jedoch auf weniger einschneidende Weise hätte bewirken können.
70. Ungeachtet des weiten Ermessensspielraums, über den die Mitgliedstaaten bei der Beurteilung verfügen, ob eine Maßnahme über das hinausgeht, was zur Gewährleistung der Straßenverkehrssicherheit unbedingt erforderlich ist(60), gestehe ich, dass ich meine Zweifel habe, ob eine Anforderung betreffend Mindestentfernungen wie die hier in Rede stehende überhaupt geeignet ist, dieses Ziel zu verwirklichen. Insoweit weise ich darauf hin, dass nationale Planungsvorschriften nur dann als geeignet angesehen werden können, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen(61). Angesichts des oben in Nr. 63 angesprochenen Informationsmangels ist der Gerichtshof meines Erachtens jedoch nicht in der Lage, hierüber zu urteilen. Meiner Meinung nach ist das vorlegende Gericht eher imstande, über die Verhältnismäßigkeit dieser Zulassungsvoraussetzung zu entscheiden, wobei es zu berücksichtigen hat, wie die Betreiber technischer Prüfstationen in der Praxis ausgewählt werden.
71. Was sodann die als Nächstes zu behandelnde Marktanteilobergrenze von 50 % betrifft, so soll mit dieser Anforderung angeblich einer übermäßigen Konzentration des Dienstleistungsangebots im Bereich der Kfz-TÜ entgegengewirkt werden, da eine solche Konzentration die Gefahr einer Verschlechterung der Qualität dieser zwingend in Anspruch zu nehmenden Dienstleistungen in sich berge – jedenfalls wird dies als Argument angeführt.
72. OCA und die schwedische Regierung machen geltend, dass die Anforderung bezüglich eines Marktanteils einem rein wirtschaftlichen Ziel diene, dass nach ständiger Rechtsprechung keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen könne(62). Das vorlegende Gericht und OCA verweisen insoweit auf einen Bericht der Autoridad catalane de la Competencia(63) (katalanische Wettbewerbsbehörde), dem zufolge die in Rede stehenden Rechtsvorschriften wohl ungerechtfertigte Hindernisse für den Eintritt neuer Marktteilnehmer enthielten.
73. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, inwiefern eine Marktanteilobergrenze die Straßenverkehrssicherheit fördern kann. Es fehlt einfach an einem Bezug zwischen diesen beiden Bereichen. Die eigentliche Frage scheint vielmehr zu lauten, ob die Marktanteilobergrenze wirklich die Sicherstellung einer hohen Dienstleistungsqualität für Kunden und Verbraucher bezweckt – was einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt (siehe oben, Nr. 60) – oder vielmehr wirtschaftlich motiviert ist, um kleine Unternehmen vor großangelegten Übernahmen zu schützen. Die jüngere Rechtsprechung zeigt, dass der Gerichtshof, zu Recht, misstrauisch ist, wenn Mitgliedstaaten in Form einer detaillierten Regelung bestimmter Marktstrukturen oder Wettbewerbsverhältnisse in die Niederlassungsfreiheit u. a. unter dem Vorwand eingreifen, dass eine hohe Dienstleistungsqualität für Kunden und Verbraucher sichergestellt werden solle(64).
74. Bei dem dem Urteil Kommission/Spanien zugrunde liegenden Sachverhalt sind sich auf den bestehenden Handel auswirkende Vorschriften, die Obergrenzen für Marktanteile festlegen, bei deren Überschreitung große und/oder mittlere Einzelhandelseinrichtungen nicht eröffnet werden dürfen, weder zur Gewährleistung des Umweltschutzes noch zu Raumordnungszwecken noch aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt, sondern sie dienen rein wirtschaftlichen Zielen(65). Im Urteil Attanasio Group hat der Gerichtshof eine Abstandsanforderung für neue Tankstellenanlagen verworfen, weil sie den Marktzugang neuer Wirtschaftsteilnehmer behindere, ohne dass die Verbraucher (vorweisbare) Vorteile davon hätten(66). Schließlich hat der Gerichtshof im Urteil Kommission/Portugal u. a. die Anforderung für unzulässig erklärt, wonach für die Gründung eines Betriebs zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen ein Mindestgesellschaftskapital von 100 000 Euro erforderlich ist(67).
75. Selbst wenn man unterstellt, dass die betreffende Maßnahme eine hohe Dienstleistungsqualität für Kunden und Verbraucher gewährleistet, ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen – d. h. die grundlegende Dienstleistung, die von den Kunden und Verbrauchern in Anspruch genommen wird – auf Unionsebene inhaltlich harmonisiert ist(68). Vorbehaltlich der Abweichungen, die die Richtlinie 2009/40 selbst zulässt, dürfen die Kunden und Verbraucher unabhängig von der einzelnen technischen Prüfstation überall dasselbe hohe Qualitätsniveau erwarten(69). Dies lässt sich somit mit dem Rechtsinstitut der Erfolgsschuld („obligation de résultat“) vergleichen. Sollten daher bestimmte Betreiber technischer Prüfstationen die Qualität ihrer Dienstleistungen senken, muss sich der Staat im Rahmen seiner Aufsichtsfunktion ex post darum kümmern. Eine ex ante festgesetzte Obergrenze des Marktanteils geht hingegen davon aus, dass Betreiber, die diese Obergrenze überschreiten, eine Dienstleistung erbringen, die nicht den von der Richtlinie vorgegebenen Standard erreicht. Eine solche Annahme ist unhaltbar.
76. In Bezug auf die Elemente, die in Zusammenhang mit der grundlegenden Dienstleistung der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen stehen und die qualitativen Schwankungen unterliegen können, wie etwa Wartezeiten, ist die Argumentation durchaus beachtenswert(70). Hinsichtlich Beschränkungen, die darauf abzielen, den Kunden und Verbrauchern eine hochqualitative Dienstleistung zu bieten, verfügen die Mitgliedstaaten jedoch nicht über denselben Ermessensspielraum wie in dem oben in Nr. 70 dargelegten Fall. Die Rechtsprechung legt nämlich nahe, dass neben den Rechtfertigungsgründen eine Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Maßnahme vorgelegt sowie Tatsachen zum Beleg angeführt werden müssen(71). Zudem sollten Verzögerungen oder sonstige im Randbereich liegende Qualitätsmängel ex post im Rahmen konkreter Zulassungsauflagen für Gebiete, in denen Engpässe bestehen, ausgeräumt werden und nicht durch die Vorgabe einer unerklärlichen pauschalen Marktanteilobergrenze(72).
77. Mithin stelle ich fest, dass die Marktanteilobergrenze gegen Art. 49 AEUV verstößt.
78. Infolgedessen schlage ich dem Gerichtshof vor, die dritte und die vierte Frage dahin zu beantworten, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, im Rahmen von Art. 49 AEUV zu entscheiden, ob eine gesetzliche Zulassungsregelung wie die im Ausgangsverfahren beschriebene, durch die der Zugang zur Tätigkeit eines Betreibers von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen geregelt wird, geeignet ist, das Ziel der Straßenverkehrssicherheit zu erreichen, und nicht über das Erforderliche hinausgeht. Art. 49 AEUV steht jedoch einer gesetzlichen Zulassungsanforderung entgegen, durch die eine konkrete Obergrenze für den Marktanteil festgesetzt wird, den private Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen halten dürfen.
3. Schlussüberlegung
79. Für den Fall, dass der Gerichtshof meiner Auffassung in der Frage, ob Dienstleistungen der Kfz-TÜ als „Verkehrsdienstleistungen“ einzustufen sind, und dementsprechend in der Frage der Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie nicht folgen sollte(73), bleibt abschließend festzuhalten, dass dies meines Erachtens keine nennenswerten Konsequenzen für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens hätte.
80. Es bedarf keiner Erörterung des Umfangs der mit der Dienstleistungsrichtlinie bewirkten Harmonisierung(74). Es genügt der Hinweis, dass gemäß Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie nationale Zulassungsanforderungen, die wie oben dargelegt über das nach Art. 49 AEUV zulässige Maß hinausgehen, nicht unter dem Vorwand unbeanstandet bleiben können, sie entsprächen der Richtlinie. Im Übrigen fände die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. i vorgesehene Ausnahme betreffend die Ausübung öffentlicher Gewalt aus denselben Gründen ebenfalls keine Anwendung.
81. Dementsprechend würde ich dem Gerichtshof für diesen Eventualfall vorschlagen, im Übrigen gleichfalls in dem in den Rn. 50 bis 78 der vorliegenden Schlussanträge aufgezeigten Sinne zu entscheiden.
IV – Ergebnis
82. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Tribunal Supremo in der Rechtssache C-168/14 vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:
– Auf die Erbringung von Dienstleistungen der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen findet weder die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt noch Art. 56 AEUV Anwendung. Die Tätigkeiten der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen fallen jedoch in den Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV.
– Die Möglichkeit privater Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Fahrzeugen, die Stilllegung von Fahrzeugen anzuordnen, die so schwerwiegende Sicherheitsmängel aufweisen, dass ihre Teilnahme am Straßenverkehr eine unmittelbare Gefahr darstellen würde, ist nicht als Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 51 AEUV anzusehen, wenn nach nationalem Recht eine solche Anordnung aufgrund einer technischen Untersuchung obligatorisch ist und jedenfalls die Anwendung von Zwang zur Stilllegung des Fahrzeugs den Rechtsvollzugsstellen vorbehalten ist.
– Es ist Sache des nationalen Gerichts, im Rahmen von Art. 49 AEUV zu entscheiden, ob eine gesetzliche Zulassungsregelung wie die im Ausgangsverfahren beschriebene, durch die der Zugang zur Tätigkeit eines Betreibers von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen geregelt wird, geeignet ist, das Ziel der Straßenverkehrssicherheit zu erreichen, und nicht über das Erforderliche hinausgeht. Art. 49 AEUV steht jedoch einer gesetzlichen Zulassungsanforderung entgegen, durch die eine konkrete Obergrenze für den Marktanteil festgesetzt wird, den private Betreiber von Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen halten dürfen.

1 – Originalsprache: Englisch.

2 – Weißbuch der Kommission vom 28. März 2011 (KOM[2011] 144 endg.), „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“, Abschnitt 2.5, Nr. 9.

3 – Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36).

4 – Richtlinie 2009/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die technische Überwachung der Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (Neufassung) (ABl. L 141, S. 12).

5 – Richtlinie 96/96/EG des Rates vom 20. Dezember 1996 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die technische Überwachung der Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (ABl. L 46, S. 1).

6 – Ley 12/2008, de 31 de julio, de seguridad industrial (BOE Nr. 204 vom 23. August 2008).

7 – Decreto 30/2010, de 2 de marzo, por el que se aprueba el reglamento de desarrollo de la Ley 12/2008, de 31 de julio, de seguridad industrial (DOGC Nr. 5582 vom 8. März 2010).

8 – Decreto 45/2010, de 30 de marzo, por el que se aprueba el Plan territorial de nuevas estaciones de inspección técnica de vehículos de Cataluña para el periodo 2010-2014 (DOGC Nr. 5600 vom 1. April 2010).

9 – Nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes Nr. 12/2008 ist der Begriff „Unternehmen oder Unternehmensgruppe“ im Sinne des genannten Gesetzes in anderweitigen spanischen Rechtsvorschriften definiert. Das vorlegende Gericht hat es nicht für notwendig befunden, dem Gerichtshof die Definition dieses Begriffs im nationalen Recht anzugeben.

10 – Der Marktanteil eines Betreibers wird anhand der Anzahl der Prüfstraßen in ortsfesten Stationen zur technischen Überwachung, über die der jeweilige Betreiber verfügt, im Verhältnis zur Gesamtzahl solcher Prüfstraßen in Katalonien ermittelt (vgl. Art. 74 Abs. 2 des Dekrets Nr. 30/2010).

11 – Diese Mindestentfernungen betragen – grob gesagt – 4 km in Gemeinden mit mehr als 30 000 Einwohnern, 20 km im übrigen Gebiet Kataloniens und 10 km in Fällen mit gemischten Gegebenheiten. Für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Dekrets Nr. 45/2010 bestehenden Stationen können diese Entfernungen um bis zu 20 % verringert werden.

12 – Nach Art. 3 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie – in dem der Grundsatz kodifiziert ist, dass nachrangige Rechtsvorschriften in Einklang mit höherrangigem Recht auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C-305/05, EU:C:2007:383, Rn. 28) – muss Art. 2 Abs. 2 Buchst. d mit Art. 58 Abs. 1 AEUV konform ausgelegt werden.

13 – Vgl. Urteil Yellow Cab Verkehrsbetrieb (C-338/09, EU:C:2010:814, Rn. 30).

14 – Vgl. Urteil Kommission/Frankreich (167/73, EU:C:1974:35, Rn. 24/26).

15 – Vgl. Urteil Kommission/Portugal (C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 26 – Hervorhebung nur hier).

16 – Vgl. entsprechend Urteil Yellow Cab Verkehrsbetrieb (C-338/09, EU:C:2010:814, Rn. 31 und 32).

17 – In ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Griechenland (C-251/04, EU:C:2006:565, Nrn. 28 und 29) scheint Generalanwältin Sharpston davon auszugehen, dass der Begriff „Dienstleistung auf dem Gebiet des Verkehrs“ eng auszulegen ist. Einen eher ganzheitlichen Ansatz vertritt Generalanwalt Cruz Villalón in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Yellow Cab Verkehrsbetrieb (C-338/09, EU:C:2010:568, Fn. 10). Unentschieden äußert sich Barnard, C., „Unravelling the Services Directive“, 45 C.M.L.Rev. (2008) 2, S. 341.

18 – Richtlinie 2014/45/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die regelmäßige technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/40/EG (ABl. L 127, S. 51).

19 – Vgl. Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. L 102, S. 1).

20 – Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (ABl. 2005, L 3 S. 1). Die genannte Verordnung wurde auf Art. 37 EG gestützt.

21 – Insoweit möchte ich daran erinnern, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass angemessener gemeinsamer Regeln auf dem Gebiet des Verkehrs über einen weiten Ermessensspielraum verfügt. Nach der Rechtsprechung fällt die Regelung der Arbeitszeit von Kraftfahrern in diesen Ermessensspielraum – vgl. Urteil Spanien und Finnland/Parlament und Rat (C-184/02 und C-223/02, EU:C:2004:497, Rn. 29, 30, 33 bis 36 und 39 bis 41).

22 – C-133/00, EU:C:2001:514, Rn. 38 bis 40.

23 – Hervorhebung nur hier. Hierzu heißt es im von der Kommission im Jahr 2007 herausgegebenen Handbuch zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie (S. 11) näher: „Die Ausnahme von Verkehrsdienstleistungen erfasst … nicht Dienstleistungen, die keine Verkehrsdienstleistungen als solche sind, wie z. B. Fahrschulen, Umzugsservice, Fahrzeugvermietungen, Beerdigungsdienstleistungen und Luftfotografiedienstleistungen. Sie deckt auch nicht geschäftliche Tätigkeiten in Häfen und Flughäfen, wie beispielsweise Geschäfte und Restaurants, ab.“

24 – In der Vorlageentscheidung heißt es, dass die Stilllegung eines Fahrzeugs angeordnet werden kann, wenn es Sicherheitsmängel aufweist (vgl. in diesem Zusammenhang Art. 7 Abs. 2 Buchst. c und Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2014/45).

25 – Vgl. insbesondere 33. Erwägungsgrund und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Dienstleistungsrichtlinie.

26 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Yellow Cab Verkehrsbetrieb (C-338/09, EU:C:2010:814, Rn. 33). Vgl. außerdem Urteil Ottica New Line di Accardi Vincenzo (C-539/11, EU:C:2013:591, Rn. 17 bis 23).

27 – Vgl. Urteil Attanasio Group (C-384/08, EU:C:2010:133, Rn. 36).

28 – Vgl. Urteil Airport Shuttle Express u. a. (C-162/12 und C-163/12, EU:C:2014:74, Rn. 41 bis 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29 – Vgl. meine Schlussanträge in den Rechtssachen Venturini u. a. (C-159/12 bis C-161/12, EU:C:2013:529, Nr. 33).

30 – Vgl. Urteile Attanasio Group (C-384/08, EU:C:2010:133, Rn. 24), Blanco Pérez und Chao Gómez (C-570/07 und C-571/07, EU:C:2010:300, Rn. 39 und 40), Venturini u. a. (C-159/12 bis C-161/12, EU:C:2013:791, Rn. 26) und Susisalo u. a. (C-84/11, EU:C:2012:374, Rn. 18 bis 22).

31 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti (C-451/03, EU:C:2006:208, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Peñarroja Fa (C-372/09 und C-373/09, EU:C:2011:156, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33 – Vgl. u. a. Urteile Kommission/Österreich (C-393/05, EU:C:2007:722), Kommission/Deutschland (C-404/05, EU:C:2007:723) und SOA Nazionale Costruttori (C-327/12, EU:C:2013:827).

34 – Vgl. Urteil SOA Nazionale Costruttori (C-327/12, EU:C:2013:827, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Portugal (C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 38 bis 45).

36 – Gemäß dem 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/45 „[ist d]ie technische Überwachung … eine hoheitliche Tätigkeit und sollte daher von den Mitgliedstaaten oder entsprechend ermächtigten öffentlichen oder privaten Stellen unter staatlicher Aufsicht durchgeführt werden. Die Mitgliedstaaten sollten durchgängig weiterhin für die technische Überwachung zuständig sein, selbst wenn das nationale System privaten Stellen einschließlich der Stellen, die auch Reparaturen durchführen, gestattet, Prüfungen im Rahmen der technischen Überwachung durchzuführen“ (Hervorhebung nur hier).

37 – Im Gegensatz zur Richtlinie 2014/45; vgl. insbesondere Art. 14 („Überwachung von Prüfstellen“) und Anhang V dieser Richtlinie.

38 – Wie etwa den Art. 4 und 5 („Ausnahmeregelungen“) und insbesondere Art. 3 Abs. 1, der wie folgt lautet: „Die Mitgliedstaaten treffen die ihres Erachtens erforderlichen Maßnahmen, damit nachgewiesen werden kann, dass das Fahrzeug einer technischen Untersuchung, die mindestens den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht, mit positivem Ergebnis unterzogen worden ist.“

39 – Ich verweise insbesondere auf den von OCA in ihren Erklärungen angeführten Art. 79 Abs. 1 Buchst. c des Dekrets Nr. 30/2010. In seiner Antwort auf die vom Gerichtshof gestellten Fragen gibt das Tribunal Supremo an, dass die in dieser Bestimmung genannte gemeindliche Behörde (die Agencia Catalana de Seguridad Industrial) nicht geschaffen worden sei und deshalb keine Leitlinien herausgegeben habe. Das vorlegende Gericht verweist jedoch auf das in der folgenden Fußnote angeführte Handbuch, das von der spanischen Zentralverwaltung veröffentlicht worden sei.

40 – Vgl. Manual de procedimiento de inspección de las estaciones I.T.V., Januar 2012, S. 11, in dem es heißt: „Falls bei einem negativen Ergebnis der technischen Untersuchung das Fahrzeug derartige Mängel aufweist, dass die Benutzung des Fahrzeugs eine Gefahr für die Fahrzeuginsassen oder andere Nutzer öffentlicher Straßen darstellen würde, erklärt die Station zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen den Mangel für sehr schwerwiegend und das Ergebnis der Prüfung für negativ“ (Hervorhebung nur hier).

41 – EU:C:2009:651, Rn. 26.

42 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Nasiopoulos (C-575/11, EU:C:2013:430, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch entsprechend Urteil Kommission/Italien (C-110/05, EU:C:2009:66, Rn. 61).

43 – Vgl. Urteil SOA Nazionale Costruttori (C-327/12, EU:C:2013:827, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44 – Vgl. Urteil Ottica New Line di Accardi Vincenzo (C-539/11, EU:C:2013:591, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45 – Vgl. Urteile Gebhard (C-55/94, EU:C:1995:411, Rn. 37) und in diesem Sinne Kommission/Portugal (C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 46).

46 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Yellow Cab Verkehrsbetrieb (C-338/09, EU:C:2010:814, Rn. 34).

47 – In den Erwägungsgründen heißt es: „… Es ist notwendig, das Angebot der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen an den bestehenden Bedarf anzupassen, sowohl hinsichtlich der Abdeckung in den regionalen Bereichen, in denen derzeit kein ausreichendes Angebot vorhanden ist, um eine Annäherung des Dienstleistungsangebots an die Zahl der Nutzer zu erreichen, als auch um das in Gebieten mit sehr stark ausgelasteten Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen bestehende, mit langen Wartezeiten verbundene Dienstleistungsdefizit zu verringern … Bei der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen ist wegen der räumlichen Gegebenheiten eine übermäßige Konzentration des Angebots in einem bestimmten Gebiet aus rein wirtschaftlichen Erwägungen zum Nachteil anderer Gebiete, die wegen eines geringeren Fahrzeugbestands nicht über eine ausreichende Abdeckung verfügen, mit den sich daraus ergebenden Gefahren für die Nutzer zu vermeiden. Andererseits kann in den Gebieten mit einer wegen des Fahrzeugaufkommens besonders hohen Nachfrage eine erhöhte Konzentration der Stationen zu einer Tendenz der Betreiber, aus Wettbewerbsgründen ihre Anforderungen zu senken, und infolgedessen zu einer Verschlechterung der Qualität der Dienstleistung beitragen“.

48 – In der Vorlageentscheidung wird ausdrücklich auf die Notwendigkeit, eine hinreichende regionale Deckung, eine hohe Dienstleistungsqualität und wirksamen Wettbewerb sicherzustellen, aber auch auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs betreffend den Schutz der öffentlichen Gesundheit, den Umweltschutz und den Verbraucherschutz verwiesen.

49 – Vgl. Urteil Kommission/Portugal (C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti (C-451/03, EU:C:2006:208, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Essent u. a. (C-105/12 bis C-107/12, EU:C:2013:677, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52 – Zu Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie zur Versorgung mit Arzneimitteln und pharmazeutischen Diensten vgl. u. a. Urteile Blanco Pérez und Chao Gómez (C-570/07 und C-571/07, EU:C:2010:300, Rn. 70) sowie Venturini u. a. (C-159/12 bis C-161/12, EU:C:2013:791, Rn. 46). Zurückhaltender in Bezug auf Optiker ist das Urteil Ottica New Line di Accardi Vincenzo (C-539/11, EU:C:2013:591, Rn. 43). Hingegen hat der Gerichtshof bei großen Einzelhandelseinrichtungen die Anforderung einer Mindestbevölkerungsdichte nicht zugelassen – vgl. Urteil Kommission/Spanien (C-400/08, EU:C:2011:172, Rn. 80 bis 83). In der Rechtssache Attanasio Group (C-384/08, EU:C:2010:133) ging es um eine Mindestentfernung zwischen Tankstellenanlagen, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung vorgeschrieben worden war (vgl. Rn. 47 und 52 bis 54). Auch dies hat der Gerichtshof nicht gelten lassen.

53 – Gemäß dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/40 „[ist es i]m Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik … erforderlich, dass für den Verkehr bestimmter Fahrzeuge in der Gemeinschaft … hinsichtlich der Sicherheit … die besten Voraussetzungen gegeben sind“.

54 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Spanien (C-400/08, EU:C:2011:172, Rn. 75 und 76).

55 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Ottica New Line di Accardi Vincenzo (C-539/11, EU:C:2013:591, Rn. 48 und 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56 – In der Vorlageentscheidung wird u. a. Art. 37 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 12/2008 angeführt, dem zufolge in dem Fall, dass die katalanische Regierung die Anzahl der Stationen zur technischen Überwachung von Fahrzeugen und der Prüfstraßen begrenzt, ein öffentliches Ausschreibungsverfahren vorzusehen ist. Der Vorlageentscheidung lässt sich außerdem entnehmen, dass das Tribunal Superior de Justicia bestimmte Vorschriften des Dekrets Nr. 30/2010 für nichtig erklärt hat, da die Erteilung der Zulassung im Rahmen der Übergangsregelung an die etablierten Unternehmen, ohne dass diese ein Angebot abgeben müssten, eine Diskriminierung neuer Marktteilnehmer darstelle.

57 – In ihren schriftlichen Erklärungen hat die Kommission sogar eingewandt, dass die Vorlageentscheidung nicht präzise genug sei, um die Vereinbarkeit der katalanischen Regelung für die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen mit Art. 49 AEUV beurteilen zu können. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission dann jedoch geltend gemacht, die Regelung verstoße gegen Art. 49 AEUV.

58 – C-159/12 bis C-161/12, EU:C:2013:791.

59 – Vgl. Art. 1 Abs. 2 und Anhang I der Richtlinie 2009/40.

60 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Italien (C-111/05, EU:C:2009:66, Rn. 65 und 66). Vgl. auch Urteil Kommission/Spanien (C-400/08, EU:C:2011:172, Rn. 75).

61 – Vgl. Urteil Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62 – Vgl. Urteil Kommission/Spanien (C-400/08, EU:C:2011:172, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63 – Bericht Nr. IR 7/2010 vom 31. Mai 2010.

64 – Vgl. Urteil Attanasio Group (C-384/08, EU:C:2010:133, Rn. 55), in dem der Gerichtshof offenbar angenommen hat, dass das Ziel einer „Rationalisierung des den Benutzern geleisteten Dienstes“ rein wirtschaftlicher Art ist. Allerdings kann eine Beschränkung gerechtfertigt sein, wenn sie durch wirtschaftliche Überlegungen vorgegeben wird, mit denen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird – vgl. Urteil Essent u. a. (C-105/12 bis C-107/12, EU:C:2013:677, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65 – EU:C:2011:172, Rn. 95 bis 98. Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Spanien (C-400/08, EU:C:2010:588, Nrn. 84 und 85).

66 – EU:C:2010:133, Rn. 56.

67 – EU:C:2009:651, Rn. 53. Allerdings hat Portugal auch keinen stichhaltigen Grund zu seiner Verteidigung vorgetragen – vgl. Rn. 49.

68 – Vgl. Anhang II und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2009/40.

69 – Vgl. 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/40, wonach „[d]ie Mitgliedstaaten … im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten die Qualität und die Verfahren der technischen Überwachung der Fahrzeuge gewährleisten [müssen]“. Im fünften Erwägungsgrund wird dies als „Mindestvorschrift“ bezeichnet.

70 – Im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/40 heißt es, dass „[d]ie Untersuchungen … relativ einfach, schnell und kostengünstig sein [sollten]“.

71 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Spanien (C-400/08, EU:C:2011:172, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Attanasio Group (C-384/08, EU:C:2010:133, Rn. 54).

73 – Falls die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen nicht als Verkehrsdienstleistung zu qualifizieren ist, fällt sie unter den Begriff „Dienstleistung“ (und der Betreiber der technischen Prüfstation unter den Begriff „Dienstleistungserbringer“) im Sinne von Nr. 1 des Art. 4 („Begriffsbestimmungen“) der Dienstleistungsrichtlinie. Dementsprechend fände die Richtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 1 Anwendung.

74 – Ich verweise an dieser Stelle auf die Schlussanträge von Generalanwalt Cruz Villalón in der Rechtssache Rina Services u. a. (C-593/13, EU:C:2015:159, Nr. 23).

Schlussanträge


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)
30. Juni 2016(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Niederlassungsfreiheit – Öffentliche Gesundheit – Art. 49 AEUV – Apotheken – Angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln – Bewilligung des Betriebs – Territoriale Verteilung der Apotheken – Ziehung von Grenzen, die im Wesentlichen auf einem demografischen Kriterium beruhen“

In der Rechtssache C-634/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Entscheidung vom 24. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2015, in dem Verfahren
Susanne Sokoll-Seebacher,
Manfred Naderhirn,
Beteiligte:
Agnes Hemetsberger,
Mag. Jungwirth und Mag. Fabian OHG u. a.,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Šváby sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter) und M. Safjan,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV.
2 Es ergeht in von Frau Susanne Sokoll-Seebacher und Herrn Manfred Naderhirn angestrengten Verfahren, die die Eröffnung einer neuen öffentlichen Apotheke bzw. die Erweiterung des Standorts der Betriebsstätte einer bestehenden öffentlichen Apotheke betreffen.
Rechtlicher Rahmen
3 § 10 des Apothekengesetzes in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: ApG) bestimmt:
„(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn
1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und
2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.
(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn
1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen … (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder
2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 Meter beträgt oder
3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.
(3) Ein Bedarf gemäß Abs. 2 Z 1 besteht auch dann nicht, wenn sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke
1. eine ärztliche Hausapotheke und
2. eine Vertragsgruppenpraxis befindet, …

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.
(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.
(6) Die Entfernung gemäß Abs. 2 Z 2 darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.
(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer einzuholen. …
…“
4 § 46 Abs. 5 ApG bestimmt:
„Über einen Antrag auf Erweiterung des bei Erteilung der Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke gemäß § 9 Abs. 2 festgesetzten Standortes oder um nachträgliche Festsetzung des Standortes, wenn dieser bei Erteilung der Konzession nicht gemäß § 9 Abs. 2 bestimmt wurde, ist das für die Konzessionserteilung vorgesehene Verfahren durchzuführen.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
5 In den Ausgangsverfahren, über die das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich zu entscheiden hat, sind bereits Vorabentscheidungen ergangen, nämlich das Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), und der Beschluss vom 15. Oktober 2015, Naderhirn (C-581/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:707).
6 Frau Sokoll-Seebacher focht beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Entscheidung vom 29. Dezember 2011 an, mit der die zuständige Verwaltungsbehörde ihren Antrag auf Erteilung einer Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke im Gemeindegebiet von Pinsdorf (Österreich) abgewiesen hatte.
7 Auch Herr Naderhirn hatte bei der zuständigen Verwaltungsbehörde mit seinem Antrag auf Erweiterung des Standorts der Betriebsstätte seiner im Gemeindegebiet von Leonding (Österreich) gelegenen öffentlichen Apotheke keinen Erfolg. Diese Erweiterung verfolgt er nun vor dem vorlegenden Gericht weiter.
8 Die Verwaltungsbehörden stützten sich beim Erlass der genannten Entscheidungen auf § 10 Abs. 2 Z 3 ApG.
9 Im Rahmen der Frau Sokoll-Seebacher betreffenden Rechtssache setzte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich das Verfahren aus und wollte vom Gerichtshof wissen, ob eine nationale Regelung wie § 10 Abs. 2 Z 3 ApG mit Art. 49 AEUV vereinbar ist.
10 Im Anschluss an das Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), erteilte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, das aufgrund der Reform der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit nunmehr für die Fortführung des Verfahrens zur Erteilung der Konzession zuständig ist, Frau Sokoll-Seebacher mit Erkenntnis vom 21. Februar 2014 die Konzession für eine in der Gemeinde Pinsdorf neu zu errichtende öffentliche Apotheke. Des Weiteren gab dieses Gericht, mit Erkenntnis vom 28. Mai 2014, dem Antrag von Herrn Naderhirn auf Erweiterung des Standorts der Betriebsstätte seiner öffentlichen Apotheke statt.
11 Allerdings erhoben Frau Agnes Hemetsberger als Inhaberin einer Apotheke in der Nähe jener Apotheke, für die Frau Sokoll-Seebacher die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke beantragt hatte, sowie in der Nähe der Apotheke von Herrn Naderhirn tätige Apotheker gegen die in der vorstehenden Randnummer erwähnten Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
12 Mit Erkenntnissen vom 8. Oktober 2014 und 30. September 2015 gab der Verwaltungsgerichtshof der jeweiligen Revision gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich mit der Begründung statt, ihr Inhalt sei rechtswidrig.
13 Im Einzelnen vertrat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. September 2015 die Auffassung, dass das Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), so zu verstehen sei, dass § 10 Abs. 2 Z 3 ApG lediglich dann unangewendet zu lassen und die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ohne Rücksicht auf eine allfällige Einschränkung des Kundenpotenzials der benachbarten Apotheken auf unter 5 500 zu versorgende Personen zu erteilen sei, wenn die neu zu errichtende Apotheke dazu erforderlich sei, um für die in bestimmten ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhafte Bevölkerung die zumutbare Erreichbarkeit einer Arzneimittelabgabestelle zu gewährleisten. Wenn aber die Erteilung der beantragten Konzession nicht bereits aus diesen Gründen unionsrechtlich geboten sei, so sei § 10 Abs. 2 Z 3 ApG weiterhin anzuwenden.
14 Da die Ausgangsrechtssachen an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zurückverwiesen wurden, befasste dieses Gericht, das gegenüber der Auslegung des Urteils vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), durch den Verwaltungsgerichtshof zurückhaltend eingestellt ist, im Rahmen der Herrn Naderhirn betreffenden Rechtssache den Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsersuchen, mit dem es u. a. wissen wollte, ob das Vorliegen innerstaatlicher Vorschriften, nach denen ein nationales Gericht vorbehaltlos an die Auslegung des Unionsrechts durch ein anderes nationales Gericht gebunden ist, mit Art. 267 AEUV und dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts vereinbar ist.
15 Mit Beschluss vom 15. Oktober 2015, Naderhirn (C-581/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:707), hat der Gerichtshof diese Frage verneint.
16 Da das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich der Auffassung ist, dass der Gerichtshof nicht alle für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten erforderlichen sachlichen Gesichtspunkte geliefert habe, hat es das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen eingereicht und den Gerichtshof ersucht, seine Rechtsprechung zu Art. 49 AEUV zu präzisieren.
17 In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 49 AEUV, insbesondere das Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, im Hinblick auf die bzw. unter Zugrundelegung der vom Gerichtshof in dessen Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), im Tenor (bzw. in Rn. 51) getroffene Feststellung, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung wie § 10 Abs. 2 Z 3 ApG, die als essenzielles Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine starre Grenze von weiterhin zu versorgenden (konkret: in einem Ausmaß von 5 500) Personen festlegt, entgegensteht,
a) dahin zu verstehen, dass der Umstand der Festlegung nicht bloß eines flexiblen Richt-, sondern eines exakten (d. h. eines ziffernmäßig bestimmten und somit im Wege der Auslegung nicht flexibilisierbaren) Grenzwertes diese Regelung gesamthaft besehen inkohärent und damit unionsrechtswidrig macht, weil die zuständigen nationalen Behörden damit generell keine Möglichkeit haben, von diesem Grenzwert abzuweichen, um örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen (zumal ja die in Rn. 24 des Urteils vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher [C-367/12, EU:C:2014:68], aufgestellten Kriterien für eine kohärente und systematische Zielerreichung jeweils kumulativ vorliegen müssen) – mit der Folge, dass jenes Bedarfsprüfungskriterium innerstaatlich so lange nicht anzuwenden ist, bis dieses vom nationalen Gesetzgeber durch eine unionsrechtskonforme, flexiblere Regelung (etwa analog zu § 10 Abs. 6 ApG hinsichtlich der in § 10 Abs. 2 Z 2 ApG festgelegten 500-Meter-Grenze) ersetzt wird,
oder
b) dahin zu verstehen, dass die in § 10 Abs. 2 Z 3 ApG normierte Festlegung nicht bloß eines flexiblen Richt-, sondern eines exakten (d. h. eines ziffernmäßig bestimmten und somit im Wege der Auslegung nicht flexibilisierbaren) Grenzwertes lediglich dann und insoweit unionsrechtswidrig ist, wenn bzw. als diese in einem konkreten Fall auf eine Sachverhaltskonstellation anzuwenden ist, in der aufgrund örtlicher Besonderheiten oder sonstiger faktischer Gegebenheiten tatsächlich deshalb ein Bedarf an der Neuerrichtung einer Apotheke besteht, weil anders für bestimmte Personen (insbesondere für sogenannte „Einfluter“, Neuzugezogene etc.) kein angemessener Zugang zu Arzneimitteln gewährleistet ist (vgl. Rn. 45 in Verbindung mit Rn. 50 des Urteils vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher [C-367/12, EU:C:2014:68]), selbst wenn dadurch das Versorgungspotenzial für eine oder mehrere bereits bestehende(n) Apotheke(n) künftig tatsächlich unter 5 500 Personen sinken sollte – mit der Folge, dass jenes Bedarfsprüfungskriterium bis zu einer klarstellenden Neuregelung durch den nationalen Gesetzgeber nur in solchen Konstellationen, jedoch gleichermaßen für ländliche, städtische oder sonstige Gebiete, nicht anzuwenden ist,
oder
c) dahin zu verstehen, dass die in § 10 Abs. 2 Z 3 ApG normierte Festlegung nicht bloß eines flexiblen Rieht-, sondern eines exakten (d. h. eines ziffernmäßig bestimmten und somit im Wege der Auslegung nicht flexibilisierbaren) Grenzwertes nur dann und insoweit unionsrechtswidrig ist, wenn bzw. als diese in einem konkreten Fall auf eine Sachverhaltskonstellation anzuwenden ist, die sich auf eine ländliche und abgelegene Gegend bezieht, selbst wenn dadurch das Versorgungspotenzial für eine oder mehrere bereits bestehende(n) Apotheke(n) künftig tatsächlich unter 5 500 Personen sinken sollte – mit der Folge, dass jenes Bedarfsprüfungskriterium bis zu einer klarstellenden Neuregelung durch den nationalen Gesetzgeber nur dann nicht anzuwenden ist, wenn dies Auswirkungen auf die Bevölkerung in einem ländlichen und/oder abgelegenen Gebiet hat?
Zur Vorlagefrage
18 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), so zu verstehen ist, dass das in der fraglichen nationalen Regelung festgelegte Kriterium einer starren Grenze der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke nur in einer konkreten Situation betreffend ein ländliches und/oder abgelegenes Gebiet oder in einer konkreten Situation, in der angesichts der örtlichen Besonderheiten ein Bedarf an einer zu errichtenden Apotheke unabhängig vom ländlichen oder städtischen Charakter des betroffenen Gebiets besteht, oder aber allgemein in jeder konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, nicht anzuwenden ist.
19 Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die Bindungswirkung eines im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteils nicht ausschließt, dass das nationale Gericht, an das dieses Urteil gerichtet ist, vor der Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits eine erneute Anrufung des Gerichtshofs für erforderlich hält. Eine solche Vorlage ist gerechtfertigt, wenn das nationale Gericht beim Verständnis oder bei der Anwendung des Urteils Schwierigkeiten hat, wenn es dem Gerichtshof eine neue Rechtsfrage stellt oder wenn es ihm neue Gesichtspunkte unterbreitet, die ihn dazu veranlassen könnten, eine bereits gestellte Frage abweichend zu beantworten (Beschluss vom 5. März 1986, Wünsche, 69/85, EU:C:1986:104, Rn. 15, Urteile vom 11. Juni 1987, X, 14/86, EU:C:1987:275, Rn. 12, und vom 6. März 2003, Kaba, C-466/00, EU:C:2003:127, Rn. 39).
20 Dies ist hier insofern der Fall, als das vorlegende Gericht wissen möchte, ob aus dem Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), hervorgeht, dass von der Anwendung des Kriteriums einer starren Grenze der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ in jedem Fall abzusehen ist oder nur in Rechtssachen, die bestimmte Gebiete oder besondere Situationen betreffen.
21 Gemäß Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt oder wenn die Antwort auf eine solche Frage klar aus seiner Rechtsprechung abgeleitet werden kann, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.
22 Genau dies ist hier der Fall, da die Antwort auf die Vorlagefrage klar aus dem Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), abgeleitet werden kann.
23 Nach der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung wird eine Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke nur dann erteilt, wenn ein „Bedarf“ besteht. Dieser Bedarf wird vermutet, es sei denn, mindestens einer der in dieser Regelung genannten konkreten Umstände steht dem entgegen (Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 28).
24 Zu diesen Umständen gehört die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus „weiterhin zu versorgenden Personen“, d. h. der ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern um diese Betriebsstätte (Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 43).
25 So ist nach dieser Regelung das Bestehen eines Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke dann ausgeschlossen, wenn die Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“, d. h. der ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern um diese Betriebsstätte, sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 29 und 43).
26 Diese Regelung sieht jedoch eine Anpassungsmaßnahme vor, wonach dann, wenn die Zahl der ständigen Einwohner weniger als 5 500 beträgt, die aufgrund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs von dieser Apotheke in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen sind (Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 43).
27 Es ist sachdienlich, das vorlegende Gericht darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 2009, Hartlauer, C-169/07, EU:C:2009:141, Rn. 55, vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a., C-171/07 und C-172/07, EU:C:2009:316, Rn. 42, und vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez, C-570/07 und C-571/07, EU:C:2010:300, Rn. 94).
28 Hierzu hat der Gerichtshof im Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 45 und 46), zum einen festgestellt, dass nach der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung sich für bestimmte, insbesondere in ländlichen Regionen wohnende Personen, erst recht, wenn sie wie z. B. ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Kranke zeitweilig oder längerfristig über eine eingeschränkte Mobilität verfügen, der Zugang zu Arzneimitteln als kaum angemessen erweisen kann.
29 Es gibt nämlich Personen, die nicht im Umkreis von vier Straßenkilometern um die Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke wohnen und daher weder in deren Versorgungsgebiet noch in einem anderen bestehenden Gebiet als ständige Einwohner berücksichtigt werden. Diese Personen können zwar allenfalls als „Einfluter“ berücksichtigt werden. Jedoch hängt ihr Zugang zu Apothekendienstleistungen in jedem Fall von Umständen ab, die ihnen grundsätzlich keinen dauerhaften und kontinuierlichen Zugang gewähren, da dieser an der Beschäftigung in einem bestimmten Gebiet oder einem dort benutzten Verkehrsmittel anknüpft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 45).
30 Zum anderen hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass in ländlichen und abgelegenen Gebieten, in die nur wenige einfluten, die Zahl der weiterhin zu versorgenden Personen wegen der niedrigen Bevölkerungsdichte ohne Weiteres unter 5 500 liegen kann, so dass der Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke niemals als zureichend angesehen werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 47 bis 49).
31 Daraus folgt, dass bei der Anwendung des Kriteriums der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ trotz der von der nationalen Regelung vorgesehenen Anpassungsmaßnahme die Gefahr besteht, dass für bestimmte Personen, die in Gebieten mit gewissen örtlichen Besonderheiten, wie ländlichen und abgelegenen Regionen außerhalb der Versorgungsgebiete bestehender Apotheken, wohnen, insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, kein gleicher und angemessener Zugang zu Apothekendienstleistungen sichergestellt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 50).
32 Durch die Bezugnahme auf ländliche oder abgelegene Regionen sowie auf Menschen mit eingeschränkter Mobilität wollte der Gerichtshof die Tragweite seiner Beurteilung der Kohärenz der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung jedoch keineswegs auf diese Art von Regionen und auf diese Kategorie von Personen begrenzen.
33 Aufgrund der von ihr festgelegten starren Grenze der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ ermöglicht die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung es der zuständigen Behörde nämlich nicht, die Besonderheiten jeder einzelnen geprüften Situation gehörig zu berücksichtigen und auf diese Weise die kohärente und systematische Erreichung des mit dieser Regelung angestrebten Hauptziels zu gewährleisten, das, wie der Gerichtshof in Rn. 25 seines Urteils vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), angemerkt hat, darin besteht, eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten.
34 Vor diesem Hintergrund ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass eine mitgliedstaatliche Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die als essenzielles Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine starre Grenze der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ festlegt, im Widerspruch zu Art. 49 AEUV, insbesondere zum Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, steht, weil die zuständigen nationalen Behörden keine Möglichkeit haben, von dieser Grenze abzuweichen, um örtliche Besonderheiten, d. h. im Endeffekt Besonderheiten der verschiedenen konkreten Situationen, wobei jede einzelne zu prüfen ist, zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 51).
35 Daraus folgt, dass die mit der Anwendung des Kriteriums einer starren Grenze der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ verbundene Inkohärenz systemimmanent ist. Daher können sich die Gefahren, die mit einer derartigen Anwendung einhergehen, auf die Beurteilung jeder einzelnen Situation auswirken.
36 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass das Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), so zu verstehen ist, dass das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung festgelegte Kriterium einer starren Grenze der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden darf.
Kosten
37 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Das Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), ist so zu verstehen, dass das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung festgelegte Kriterium einer starren Grenze der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden darf.
Unterschriften
Beschluss