Montag, 27. Oktober 2014

VG München: Untersagung von Fernsehwerbung für öffentliches Glücksspiel


Geänderte Vollzugspraxis der Landesmedienanstalt bei Glücksspielwerbung führt zur Rechtswidrigkeit alter Untersagungsverfügungen

Untersagung von Fernsehwerbung für öffentliches Glücksspiel


VG München 17. Kammer, Urteil vom 30.01.2014, M 17 K 11.5502

§ 5 Abs 3 GlSpielWStVtr, § 38 RdFunkStVtr BY, § 41 RdFunkStVtr BY

Tenor
I. Der Bescheid vom .... Oktober 2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom .... Juli 2012 und .... Oktober 2012 wird in Nr. 2 mit Wirkung ab .... Januar 2014 aufgehoben.

II. Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 2/3, die Beklagte 1/3 zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand
1
Die Klägerin ist Anbieterin des Fernsehspartenprogramms „...“, das von der Beklagten genehmigt wurde.

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1. Mit Schreiben vom .... September 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, im Rahmen der Programmbeobachtung habe sie festgestellt, dass trotz vorangegangener medienrechtlicher Beanstandung (Bescheid vom .... August 2011) im Programm von ... weiterhin der Sportwetten- und Glücksspielanbieter ... beworben werde. Auf die konkreten Sendezeiten und die bildlichen Darstellungen wurde hingewiesen. Die Werbung stelle einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 4 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) i.V.m. Ziffer 2 Abs. 1 Werberichtlinie (WRL) und § 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) dar. Die Klägerin wurde um Stellungnahme gebeten, die dann mit Schreiben vom .... September 2011 abgegeben wurde.

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Die Kommission für Zulassung und Aufsicht – ZAK – beschloss in der Sitzung vom .... Oktober 2011, festzustellen und zu missbilligen, dass die ... GmbH mit der Ausstrahlung von Sponsorhinweisen, Werbespots, Splitscreen-Werbespots und Dauerwerbesendungen für ... während der im Einzelnen genannten Sportübertragungen gegen § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RStV i.V.m. Ziffer 2 Abs. 1 WRL und § 5 Abs. 3 GlüStV verstoßen hat. Die ZAK beschloss eine Untersagung aller Fernsehwerbeformen für „...“, sofern von diesen eine Anreizwirkung zur Teilnahme am Glücksspiel ausgeht. Sie beschloss ferner, dass die Entscheidung innerhalb von sechs Wochen umzusetzen sei. Der Beschlussvorlage war ein Hinweis auf das Votum der Prüfgruppe beigefügt sowie eine ausführliche Darstellung des Sachverhalts und eine Bewertung, die damit endete, dass eine Beanstandung als mildestes Mittel nicht ausreiche, nachdem die betreffenden Verstöße bereits einmal förmlich beanstandet worden seien, ... seine Werbemaßnahmen jedoch fortgeführt habe. Nur durch die Untersagung könne eine effektive Aufsicht in diesem Bereich gewährleistet werden.

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2. Mit Bescheid vom .... Oktober 2011 stellte die Beklagte fest und missbilligte, dass die ... GmbH mit der Ausstrahlung von Sponsorhinweisen, Werbespots, Splitscreen-Werbespots und Dauerwerbesendungen für ... während der Übertragung von Sportereignissen am .... August 2011, .... August 2011, .... August 2011 und .... September 2011 gegen § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RStV i.V.m. Ziffer 2 Abs. 1 WRL und § 5 Abs. 3 GlüStV verstoßen hat (Nr. 1). Sie untersagte der Klägerin die weitere Ausstrahlung von Fernsehwerbeformen für „...“, insbesondere durch Spotwerbung, Dauerwerbesendungen, Teleshopping und Sponsorhinweisen, sofern von diesen eine Anreizwirkung zur Teilnahme am Glücksspiel ausgeht (Nr.2). Die sofortige Vollziehung der Untersagung nach Nr. 2 wurde angeordnet (Nr. 3).

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Zur Begründung wurde zunächst auf die Praxis der Klägerin hingewiesen, bei verschiedenen Sportsendungen Sponsorhinweise, Werbespots und Dauerwerbesendungen von ca. drei Minuten für ... auszustrahlen. Außerdem seien sogenannte Splitscreen-Spots beobachtet worden. Die Beanstandung beruhe auf § 38 Abs. 2 RStV. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RStV dürfe Werbung nicht irreführend sein oder den Interessen des Verbrauchers schaden oder Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit gefährden. Gemäß Werberichtlinie seien spezielle Verbraucherschutzinteressen einzubeziehen, so vorliegend das Werbeverbot des § 5 Abs. 3 GlüStV. Das Angebot von www.... stelle öffentliches Glücksspiel dar, wie sich nicht zuletzt aus den Feststellungen der Regierung von Mittelfranken als Glücksspielaufsichtsbehörde ergebe. Die oben aufgeführten Werbemaßnahmen unterfielen dem Werbebegriff des Glücksspielstaatsvertrags. Dieser sei weiter zu verstehen als der rundfunkrechtliche Begriff. Unter Werbung falle somit jede Maßnahme, welche dazu auffordere oder anreize, an dem angebotenen Glücksspiel teilzunehmen. Hierzu sei bereits die Nennung der Internetadresse ausreichend. Die neu zu beobachtenden Werbespots und Splitscreen-Spots zielten auf die Nennung und Einblendung der Seite ... ab. Von jeder dieser Gestaltungen gehe ein werbender Anreiz aus. Aus Sicht der Landeszentrale gelte das Werbeverbot des § 5 Abs. 3 GlüStV sowohl für erlaubte als auch für unerlaubte Glücksspiele. Lediglich § 5 Abs. 4 GlüStV stelle eine spezielle Regelung für unerlaubtes Glücksspiel dar. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2011 stelle § 5 Abs. 3 GlüStV nicht auf bestimmte Anbieter ab, sondern verbiete eine bestimmte Art und Weise der Werbung. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei das Urteil nicht durch neuere Entscheidungen des EuGH überholt. Der EuGH habe vielmehr festgestellt, dass grundsätzlich ein staatliches Monopol möglich sei. Da § 5 Abs. 3 GlüStV unabhängig von einer Erlaubnis für alle öffentlichen Glücksspiele gelte, sei die EuGH-Entscheidung hier nicht einschlägig. Nach § 38 Abs. 2 RStV sei die Beklagte verpflichtet, Maßnahmen zu treffen. Ein Entschließungs- oder Auswahlermessen stehe ihr nicht zu. Die Beanstandung in Form der Missbilligung sei die mildere Form der Verwaltungsmaßnahme. Angesichts der bereits in der Vergangenheit erfolgten ähnlichen Verstöße sei es erforderlich gewesen, eine neue Beanstandung zu erlassen. Die Untersagungsverfügung sei ebenfalls auf § 38 Abs. 2 RStV gestützt. Die Klägerin habe trotz vorangegangener Beanstandung die Werbemaßnahmen weiter fortgeführt. Es habe sich gezeigt, dass die Beanstandung als mildestes Mittel nicht ausreiche, um den Sender zu einem rechtskonformen Verhalten anzuhalten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolge im überwiegenden öffentlichen Interesse. Es gehe um den Schutz der Fernsehzuschauer vor werblich wirkenden Maßnahmen mit dem Anreiz zur Teilnahme an öffentlichen Gewinnspielen. Die effektive Durchsetzung dieses Schutzes sei geboten. Es würde in der Öffentlichkeit zwangsweise der Eindruck entstehen, dass das Vorgehen (Werbesendung) geduldet werde und die Öffentlichkeit könne zu dem Schluss kommen, dass dem Glücksspiel doch nicht die vermutete Gefährlichkeit anhafte. Auf Seiten des Anbieters seien sowohl die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV als auch die Grundrechte des Art. 5 und 12 GG zu berücksichtigen gewesen. Die Dienstleistungsfreiheit gelte jedoch nicht unbeschränkt, sie könne insbesondere aus Gründen des Allgemeinwohls beschränkt werden. Auch die Ausübung des Grundrechts aus Art. 5 GG sei nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze zulässig. Die Berufsausübungsfreiheit könne beschränkt werden. Die von der Klägerin genannten Beschlüsse des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hätten andere Fälle betroffen, in denen es um die sofortige Vollziehbarkeit einer glücksspielrechtlichen Untersagung wegen fehlender Erlaubnis gegangen wäre. Bei der hier streitentscheidenden Norm des § 5 Abs. 3 GlüStV liege kein vergleichbarer Fall vor.

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3. Die Klägerin erhob am 14. November 2011 Klage und beantragte,

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den Bescheid vom .... Oktober 2011 betreffend die Beanstandung der Ausstrahlung von Sponsorenhinweisen, Werbespots, Splitscreen-Werbespots und Dauerwerbesendungen für „...“ sowie die Untersagung von Fernsehwerbeformen für „...“, insbesondere durch Spotwerbung, Dauerwerbesendungen, Teleshopping und Sponsorenhinweisen, aufzuheben.

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4. Mit Änderungsbescheid vom .... Juli 2012 fasste die Beklagte den Bescheid vom .... Oktober 2011 in Nr. 2 mit Wirkung vom .... Juli 2012 wie folgt: „Der (Klägerin) wird die weitere Ausstrahlung von allen Fernsehwerbeformen (§ 7 RStV) für „...“ untersagt.“

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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Glücksspieländerungsstaatsvertrag sei zum .... Juli 2012 in Kraft getreten. Damit ändere sich der glücksspielrechtliche Werbebegriff insoweit, als er im Gegensatz zum bisherigen Glücksspielrecht nur noch auf § 7 RStV und nicht mehr auf § 8 RStV Bezug nehme.

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5. Am .... September 2012 änderte die ZAK den am .... Oktober 2011 gefassten Beschluss mit Wirkung vom .... Juli 2012 in Nr. 2 wie folgt:

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„2. Die ZAK beschließt eine Untersagung der weiteren Ausstrahlung von allen Fernsehwerbeformen (§ 7 RStV) für „...“. Diese Untersagung steht unter der auflösenden Bedingung der vollziehbaren Erteilung einer glückspielrechtlichen Fernseh-Werbeerlaubnis i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüÄndStV.

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Die sofortige Vollziehung der Untersagung wird nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet.“

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Die Beklagte hatte der Klägerin mit Schreiben vom .... August 2012 Gelegenheit gegeben, sich zur neuen Rechtslage zu äußern. Sie wies dabei darauf hin, dass sie erwäge, die gegenwärtigen Untersagungsanordnungen von allen Fernsehwerbeformen unter die auflösende Bedingung zu stellen, dass der Glücksspielveranstalter zum einen über eine Konzession nach dem Glücksspielstaatsvertrag verfüge und zum anderen dieser konzessionierte Anbieter über eine von den Glücksspielbehörden erteilte Werbeerlaubnis verfüge, die den Werbeanforderungen des Glücksspielstaatsvertrags unterliegt.

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Die Beklagte fasste dann mit Änderungsbescheid vom .... Oktober 2012 den Bescheid vom .... Oktober 2011, geändert durch Bescheid vom .... Juli 2012, mit Wirkung vom .... Juli 2012 in Nrn. 2. und 3. wie folgt:

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„2. Der (Klägerin) wird die weitere Ausstrahlung von allen Fernsehwerbeformen (§ 7 RStV) für „...“ untersagt. Diese Untersagung steht unter der auflösenden Bedingung der vollziehbaren Erteilung einer glücksspielrechtlichen Fernseh-Werbeerlaubnis i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüÄndStV.

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3. Die sofortige Vollziehung der Untersagung nach Nr. 2 wird angeordnet.“

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Die Untersagungsverfügung beruhe auf § 38 Abs. 2 RStV. Zur Rechtslage vor dem .... Juli 2012 werde an der Beanstandung festgehalten. Auch in der seit .... Juli 2012 geltenden Fassung der Neubekanntmachung des Glücksspielstaatsvertrags werde weiterhin ein eigenständiger glücksspielrechtlicher Werbebegriff verwendet. Danach sei im Ergebnis jede Art der kommerziellen Kommunikation im Fernsehen, die darauf abziele, die Teilnahme am Glücksspiel zu fördern, mit Erlaubnisvorbehalt verboten. Mit dem in Satz 2 neu eingefügten Erlaubnisvorbehalt solle die Untersagungsverfügung insofern angepasst werden, als der Möglichkeit einer künftigen Erlaubniserteilung Rechnung getragen werde. Im Zuständigkeitsbereich des Fernsehens werde jegliche Werbung, die gegen § 5 GlüÄndStV verstoße, ohne Unterschied geahndet.

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6. Unter Abänderung ihres ursprünglichen Antrags stellte die Klägerin mit Schreiben vom .... November 2012 den Antrag,

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den Bescheid vom .... Oktober 2011, in Gestalt der Änderungsbescheide vom .... Juli 2012 und .... Oktober 2012, betreffend die Beanstandung der Ausstrahlung von Sponsorenhinweisen, Werbespots, Splitscreen-Werbespots und Dauerwerbesendungen für „...“ sowie die Untersagung der weiteren Ausstrahlung von allen Fernsehwerbeformen (§ 7 RStV) für „...“ bis zur vollziehbaren Erteilung einer glücksspielrechtlichen Fernseh-Werbeerlaubnis i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV aufzuheben.

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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Werbeverbot zunächst nur bis zum .... Dezember 2011 aus § 5 Abs. 3 GlüStV ergeben habe. Zwar sehe Art. 10 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen (AGGlüStV) eine Fortgeltung der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags vor, dies stelle aber eine wesentliche Änderung da, so das der Freistaat Bayern seiner europarechtlichen Notifizierungspflicht nicht nachgekommen sei.

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Die dem Bescheid zugrundeliegende Ermächtigungsgrundlage müsse zudem aufgrund Verstoßes gegen europarechtliche Vorgaben unangewendet bleiben müsse. Auch der neue Glücksspielstaatsvertrag verstoße in nicht zu rechtfertigender Weise gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV, da das Werbeverbot nicht geeignet sei, die Ziele der Bekämpfung der Glücksspielsucht und des Jugendschutzes in kohärenter und systematischer Weise zu gewährleisten. Es sei insoweit eine medien- und sektorenübergreifende Kohärenzprüfung geboten, so dass schon die rechtliche und tatsächliche Situation in Glücksspielbereichen, die von einer die Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Regelung nicht erfasst würden, zur Inkohärenz dieser Regelung führe. Dies gelte erst recht, wenn Verstöße gegen diese Regelung strukturell geduldet würden. Es komme daher nicht darauf an, ob es sich um eine monopolakzessorische Regelung handele.

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Mit dem Ziel der kohärenten Suchtbekämpfung sei es unvereinbar, dass Arten von Glücksspielen, wie Pferdewetten und Automatenspiele, gerade nicht unter das Monopol fielen, die eine höheres Suchtpotential als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufwiesen. Werbung für die nachweislich gefährlicheren Automatenspiele sei auch im Fernsehen und im Internet zulässig. Ein auf Suchtbekämpfung und Spielerschutz gestütztes Sportwettenmonopol könne die vom EuGH aufgestellten Anforderungen nur erfüllen, wenn andere Glücksspiele mir anderem oder ähnlichem Suchtpotenzial nicht zu diesen Zielsetzungen widersprechend behandelt würden.

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Die Kohärenzerfordernisse seien auch deswegen nicht erfüllt, weil es an einer spezifischen, erweislichen Gefährdungslage fehle; eine empirische Analyse zur spezifischen Gefährdungslage hinsichtlich Internet- und Fernsehwerbung sei nicht durchgeführt worden. Der EuGH habe aber entschieden, dass eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit allenfalls dann gerechtfertigt sei, wenn erwiesen sei, dass durch das Internet die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt würden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergingen. Ein entsprechender Nachweis für die Bewerbung von Glücksspielen im Fernsehen fehle bisher. Eine direkte Zugangsmöglichkeit, die in gleicher Weise durch Anonymität und Isolation geprägt sei, bestehe etwa auch im Printbereich, z.B. durch den Einsatz von QR-Codes. Eine stärkere bewusste oder unbewusste Beeinflussung gerade durch die Verbindung von Bild und Ton oder aufgrund der bestehenden Möglichkeit zur direkten Teilnahme an den Glücksspielen sei nicht nachgewiesen. Da Fernsehwerbung nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag erlaubt werden solle, gehe auch der Gesetzgeber offenkundig nicht mehr von einer besonderen Gefährlichkeit aus. Auch vermenge das Bundesverwaltungsgericht die Veranstaltung und die Bewerbung von Glücksspielen. Die Gefahren seien insoweit nicht vergleichbar, da für die Werbung nach dem GlüStV erhebliche inhaltliche Beschränkungen gälten. Werbung, die den Vorgaben des § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV entspreche, stehe gerade nicht im Widerspruch zu den Zielen des GlüStV und könne daher keinen spezifischen nachteiligen Effekt auf das Spiel- und Suchtverhalten haben. Im Übrigen ergäben sich durch Internet- und Fernsehwerbung gerade keine erhöhten Gefahren. Diese unterschieden sich weder hinsichtlich der Breitenwirkung noch hinsichtlich ihrer Intensität von den weiterhin zulässigen Werbemöglichkeiten. Es sei dabei auch zu bedenken, dass seit 2004 rund sechs Millionen mehr Hörfunkgeräte als Fernsehgeräte angemeldet seien. Werbung im Internet oder Fernsehen könne auch nicht auf andere Weise aufdringlich oder belästigend sein als Werbung im Hörfunk, in Printmedien oder auf Plakatwänden. Insbesondere die Plakatwerbung, der man sich nicht entziehen könne, sei weit aufdringlicher und von ungleich größerer Anonymität geprägt als Werbemaßnahmen im Internet oder Fernsehen, die durch Um- oder Abschalten bzw. „Wegklicken“ umgangen werden könnten. Zudem seien die Aspekte der „Anonymität“ und „Isolation“ nicht vom Internet auf das Fernsehen übertragbar, da Letzteres grundsätzlich nur den zeitgleichen, parallelen Empfang von Sendungen vorsehe. Das Fernsehen diene der Kommunikation und sei maßgeblich auf die Ermöglichung und Förderung sozialer wie gesellschaftlicher Interaktion geprägt. Allein der Umstand, dass gegebenenfalls die technische Möglichkeit bestehe, mit ein und demselben Endgerät beide Medien nutzbar zu machen, vermöge keine spezifische Gefährdungslage zu begründen. Dies streite allenfalls für ein Internetverbot. Sonst müsste im Hinblick auf die zunehmende Beliebtheit des Internetradios auch Radiowerbung verboten werden. Kinowerbung sei ebenfalls nicht verboten, obwohl es auch hier zu einer Verbindung von Bild und Ton komme.

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Im Übrigen folge aus der vom BayVGH festgestellten Unionsrechtswidrigkeit des Internetwerbeverbots aufgrund des gleichartigen Gefährdungspotentials die Unionsrechtswidrigkeit des (Gesamt-)Werbeverbots. Auch nach der Rechtsprechung des BVerwG und des EuGH sei in die Prüfung der Kohärenz die medienübergreifende Wechselwirkung von Werbung und Vermarktung einzubeziehen.

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Zudem hätten die staatlichen Glücksspielanbieter ihr Angebot etwa durch die Einführung der Lotterie Eurojackpot ausgeweitet und das Fernsehwerbeverbot werde systematisch umgangen. Belegt werde die Inkohärenz auch durch die ausufernden Werbeaktivitäten des staatlichen Sportwettenanbieters ..., die gegen die Werbevorgaben des Glücksspielstaatsvertrags verstießen. Die Ziehung der Lottozahlen werde mit werblicher Einkleidung ausgestrahlt. Dies sei, wie das BVerwG festgestellt habe, Werbung und kein redaktioneller Teil des Programms. Das BVerwG habe auch darauf hingewiesen, dass etwa für die Lotto-Glücksspirale im Fernsehen geworben werde. Zudem werde durch Trikot- und Bandenwerbung bei Sportübertragungen im Fernsehen geworben, obwohl dies gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV nicht zulässig sei. Maßgeblicher Preisfaktor für solche Sponsoring-Partnerschaften seien gerade die Fernsehübertragungen der Banden- bzw. Trikotwerbung. Die im Rahmen des Monopols agierenden staatlichen Anbieter unterwürfen ihre Werbemaßnahmen weder einer sachgerechten Begrenzung noch ließen sich die Werbemaßnahmen mit den Untersagungsmaßnahmen staatlicher Behörden gegenüber privaten Anbietern vereinbaren. Die werblichen Aktivitäten der im Monopol agierenden Glücksspielanbieter in den zulässigen Werbemedien seien nicht an dem Ziel der Suchtprävention ausgerichtet. Die Prämissen des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 1. Juni 2011 über die Kohärenz der Werbeverbote seien daher nicht länger haltbar. Lotteriegesellschaften der Länder böten entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV Onlineangebote an. Hierfür werde auf den entsprechenden Internetseiten auch ohne Erlaubnis massiv geworben. Das Vollzugsdefizit bezüglich der Werbung im Lotteriebereich sei für den gesamten Glücksspielmarkt in Deutschland erheblich, da ohne konsequente Umsetzung des Verbots dieses für die Erreichung der mit ihm verfolgten Gemeinwohlziele von vornherein ungeeignet sei. Für staatliche Sportwettenanbieter gelte im GlüStV zudem eine Übergangsregelung, so dass diese privilegiert würden, was den Gemeinwohlzielen entgegenlaufe.

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Auch Spielhallen würden privilegiert, so dass der Glücksspielstaatsvertrag überhaupt nicht darauf abziele, kurzfristig ein kohärentes, systematisches Regelungsniveau herzustellen.

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Diese Verstöße würden von den zuständigen Behörden strukturell geduldet, so dass ein Vollzugsdefizit vorliege. Es würden mit dem Werbeverbot somit erkennbar vorrangig andere, d.h. fiskalische Zwecke verfolgt.

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Schließlich liege auch aufgrund der divergierenden Regelungen und der Öffnung des Marktes in Schleswig-Holstein Inkohärenz vor. Die Feststellung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 29. November 2012 (7 CS 12.1527), dass auch das neue Glücksspielrecht in Schleswig-Holstein Werbeverbote für Glücksspiel im Internet und Fernsehen beinhalte, sei schlicht falsch. Auch Niedersachsen gehe im Übrigen mit seinem Landesrecht über die Regelungen des neuen Glücksspielstaatsvertrags hinaus.

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Die Neuregelung im Glücksspielstaatsvertrag habe zwar durch die Erstreckung des Verbots auf Automatenspiel und Pferdewetten die Gesamtkohärenz erhöht, sie ändere aber nichts daran, dass die systematischen Verstöße der staatlichen Glücksspielanbieter sowohl gegen das Werbeverbot als auch gegen einen ausdrücklich statuierten Erlaubnisvorbehalt die Ziele des Werbeverbots nachhaltig konterkarierten. Bereits strukturell bestätige der neue Glücksspielstaatsvertrag die Inkohärenz der Gesamtregelung durch ein staatliches Internet-Lotteriemonopol und die Privilegierung von Spielhallen und staatlichem Sportwettenangebot. Ungeachtet dessen bestehe aufgrund der staatlichen Werbepraxis eine greifbare Inkohärenz. Die Praxis der Glücksspielpolitik stelle insgesamt die Erreichung der mit dem Werbeverbot verfolgten Ziele in Frage. Die vom BayVGH (U.v. 26.6.2012, 10 BV 09.2259) genannten Beispiele zur Internetwerbung belegten, dass die Verstöße von den zuständigen Behörden strukturell geduldet würden. Die staatlichen Anbieter mit ihren jeweiligen Internetseiten und Aufritten in sozialen Netzwerken betrieben eine Angebotspolitik, die gegen das Werbeverbot verstoße. Würden diese Verstöße systematisch geduldet, bestehe insofern folglich ein strukturelles Vollzugsdefizit, so dass ein neben dem Internetwerbeverbot zugleich bestehendes Fernsehwerbeverbot die zu seiner Rechtfertigung angeführten Ziele gleichfalls nicht erreichen könne. Weder Jugendschutz noch Spielsuchtbekämpfung könnten kohärent und systematisch erreicht werden, wenn nachhaltig und breitenwirksam für die staatlichen Glücksspielangebote geworben werde.

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Der Deutsche Lotto- und Totoblock und die Landeslotteriegesellschaften verstießen auch weiterhin dezidiert gegen das Verbot der Fernsehwerbung. Durch Banden- und Trikotwerbung werde in massiver Form eine Fernsehpräsenz geschaffen. An dem Vollzugsdefizit und den primär verfolgten fiskalischen Interessen habe sich somit nichts geändert.

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Fehle es an einer Rechtfertigung des selektiven Werbeverbots gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV, diene diese Regelung einzig zur Absicherung des staatlichen Glücksspielmonopols und teile daher das Schicksal des Monopols als nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit.

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Die eingefügte auflösende Bedingung sei unverhältnismäßig. Zum einen könne die Klägerin die dort genannte Erlaubnis nicht selbst beantragen, sondern lediglich der Glücksspielanbieter. Zum anderen bestehe die Erlaubnismöglichkeit derzeit weder rechtlich noch tatsächlich. Die hierfür maßgebliche Werberichtlinie sei weder erlassen noch notifiziert. Auch sei zu berücksichtigen, dass Sponsorenhinweise seit der Neufassung des § 5 Abs. 3 GlüStV im Jahr 2012 erlaubt seien, so dass fraglich sei, ob die Untersagung noch als mildestes Mittel angesehen werden könne. Jedenfalls hätte aber darüber und über den Erlass des Änderungsbescheids vom .... Juli 2012 die ZAK entscheiden müssen. Auch sei die Klägerin vor Erlass dieses Bescheids nicht angehört worden.

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Der angefochtene Bescheid sei schließlich ermessenfehlerhaft. Insbesondere sei dem vorgesehenen Erlaubnisvorbehalt und der Frage der Gesamtkohärenz keine Bedeutung beigemessen worden und die Beklagte lasse die gegen ihr Einschreiten sprechenden Aspekte konsequent außer Acht.

34
Die Klägerin sei als private Rundfunkanbieterin auf die Finanzierung durch Werbung angewiesen, so dass die Untersagung sie in ihrem Grundrecht gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzte. Die Werbung sei insoweit unverzichtbarer Bestandteil des Programms und damit dem geschützten Kernbereich dieses Grundrechts zuzuordnen.

35
Die Bevollmächtigten der Beklagten beantragten,

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die Klage abzuweisen.

37
Die Klägerin habe im Fernsehen für öffentliches und unerlaubtes Glücksspiel geworben, da der Anbieter „...“ über keine inländische Behördengenehmigung verfüge. § 7 Abs. 1 Nrn. 3, 4 RStV i.V.m. Ziffer 2 Abs. 1 WRL, § 5 Abs. 3, 4 GlüStV seien damit tatbestandlich erfüllt. Relevant für die Anwendung des § 5 Abs. 3 GlüStV sei allein, ob eine glücksspielrechtliche Werbung vorliege. In diesem Sinne sei auch der erläuternde Klammerzusatz zu verstehen. Auf die rundfunkrechtliche Definition von „Werbung“ in § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV sei dagegen gerade nicht Bezug genommen worden.

38
Der Änderungsbescheid vom .... Juli 2013 diene auch nur der Klarstellung, da die Tathandlung „Bewerben von öffentlichem Glücksspiel im Fernsehen“ auch nach der Änderung des GlüStV verboten sei, so dass keine Beschlussfassung der ZAK und neue Anhörungspflichten angezeigt gewesen seien. Im Übrigen wäre dem Anhörungsbedürfnis der Klägerin durch die schriftsätzlichen Ausführungen in diesem Verfahren genüge getan, ein etwaiger Anhörungsmangel somit geheilt. Außerdem habe die Beklagte mit Schreiben vom .... August 2012 die Klägerin nochmals angehört und ein Beschluss der ZAK sei am .... September 2012 ergangen.

39
Die Vorschrift des Art. 10 Abs. 2 AGGlüStV habe nicht der Notifizierung nach der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften bedurft. Zum einen handele es sich nicht um eine Vorschrift über Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne dieser Richtlinie. Jedenfalls sei den Verpflichtungen durch ordnungsgemäße Notifizierung des Glücksspielstaatsvertrags entsprochen worden. Aus der Anordnung der Fortgeltung des Vertrags folge kein über den GlüStV hinausgehender notifizierungspflichtiger Inhalt des Ausführungsgesetzes. Insbesondere sei die Fortgeltung keine notifizierungspflichtige Verschärfung oder Änderung des Anwendungsbereichs.

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§ 5 Abs. 4 bzw. Abs. 3 GlüStV sei auch europarechtskonform. § 5 Abs. 3 GlüStV sei eine allgemeine verbraucherschützende und suchtpräventive Regelung, die nicht der Statuierung des Monopols diene und nicht monopolakzessorisch sei. Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des EuGH befassten sich vordringlich mit der Europarechtskonformität des Staatsmonopols und den damit im Zusammenhang stehenden Anforderungen an eine kohärente und systematische Politik zur Beschränkung des Glücksspiels. Auch das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof gingen klar von der weiteren Anwendbarkeit der Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags aus. Die statuierten Werbeverbote gälten für In- und Ausländer unterschiedslos, seien also nicht um unionsrechtlichen Sinn diskriminierend.

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Sie dienten auch den unionsrechtlich legitimen Zwecken des Jugend- und Verbraucherschutzes. Ferner seien die streitgegenständlichen Werbeverbote geeignet, zur Erreichung dieser Zwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen und hielten sich im Rahmen des Erforderlichen. Insbesondere würden mit den Verboten keine fiskalischen Interessen verfolgt. Das Werbeverbot gelte zudem für sämtliche Glücksspielarten, die der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterlägen.

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Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass auch nach der Änderung des GlüStV im Jahr 2012 Sponsorenhinweise weiterhin verboten seien, wenn der Rahmen des bloßen Hinweischarakters verlassen werde und Anreize zum Glücksspiel geschaffen würden, so dass die verbotene Tathandlung des Bewerbens von öffentlichem Glücksspiel im Fernsehen verwirklicht werde.

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Automatenspiele unterfielen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und seien hier irrelevant, da sie die körperliche Anwesenheit des Spielers voraussetzten. Auch sonstige Bereiche des Glücksspiels konterkarierten die mit den Werbeverboten verfolgten Ziele nicht. Die Nutzung des Fernsehens als Werbemedium sei mit besonderer Anreizwirkung verbunden. Dass die tatsächliche Erreichbarkeit der verfolgten Ziele durch die Rechtslage oder Praxis in andern Glücksspielbereichen in Frage gestellt würde, lasse sich nicht erkennen.

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Das Gefahrenpotential, das von der Rechtsprechung bezüglich Internetangeboten herausgestellt worden sei, sei aufgrund der umfassenden Breitenwirkung sowie der Anonymität und Isolation auf Werbung im Fernsehen zu übertragen. Das Bewerben und Veranstalten von Glücksspielen gehe aufgrund der technischen Möglichkeiten der heutigen Fernsehgeräte unmittelbar ineinander über. Die besondere Gefahrenlage finde zudem in der Gesetzesbegründung ihren Niederschlag. Das Bundesverwaltungsgericht vermenge auch nicht die Veranstaltung und Bewerbung von Glücksspielen. Vielmehr seien die jeweiligen Gefahren vergleichbar. Insbesondere zeichneten sich die Medien des Internets und des Fernsehens gerade dadurch aus, dass der Übergang von der Werbung – anders als bei Printmedien oder beim Hörfunk – zur unmittelbaren Teilnahme regelmäßig möglich sei. Der gleichzeitigen Wahrnehmung von Ton und Bild in den visuellen Medien komme eine ungleich größere Anreiz- und Prägungswirkung zu. Auch beim Internetradio würden die Internetradiosender wie Sender genutzt, die über herkömmliche Geräte ausgestrahlt würden; eine gleichzeitig akustische und visuelle Wahrnehmung liege nicht vor. Entscheidend sei nicht die Möglichkeit, den Fernseher abzuschalten oder Werbung wegklicken zu können, sondern der Umstand, dass der Verbraucher durch einen einzelnen Tastendruck zur Teilnahme am Glücksspiel übergehen könne. Der Gesetzgeber habe durch die Ausgestaltung von Werbeverboten klar zu verstehen gegeben, dass die nur inhaltliche Ausgestaltung der Werbung den verfolgten Gemeinwohlzielen nicht ausreichend Rechnung trage.

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Der BGH habe auch klargestellt, dass Verbotsvorschriften nicht deshalb zur Verfolgung legitimer Gemeinwohlinteressen ungeeignet seien, weil bislang konkrete und belastbare Nachweise fehlten, dass solche Interessen gefährdet werden könnten. Die Eignung könne auch ohne konkrete Untersuchungen bzw. empirischen Nachweis belegt werden. Die Klägerin überspanne insoweit die seitens des EuGH aufgestellten Anforderungen und setze sich über die auch durch den EuGH herausgestellte Einschätzungsprärogative der Mitgliedstaaten hinweg. Es sei auch unzutreffend, dass der Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten des ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags nicht mehr von der besonderen Gefährlichkeit der Fernsehwerbung ausgehe, wie die Formulierung des § 5 Abs. 3 GlüStV und die amtliche Begründung zeigten. Die mit dem Erlaubnisvorbehalt verbundene regulierte und kontrollierte Zulassung der Werbung auch im Fernsehen wolle Schlimmeres verhindern, nämlich, dass Glücksspielwillige an illegale Anbieter gerieten. Der hier betroffene Glücksspielanbieter verfüge aber weder über eine Glücksspielkonzession noch über eine Werbekonzession. Die Ausschreibung für die Glücksspielkonzessionen laufe bereits, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Gesetzgeber die volle Umsetzung der ihm eröffneten Möglichkeiten unangemessen in die Länge ziehe. Im Übrigen sei durch die Möglichkeit des Erlaubnisverfahrens die Intensität der Beschränkung deutlich herabgesetzt worden, so dass auch an die Rechtfertigung im Blick auf die Dienstleistungsfreiheitseinschränkung weniger strenge Anforderungen zu stellen seien.

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Die Kohärenzprüfung sei allein auf den vorliegend maßgeblichen Vertriebskanal des Fernsehens zu beschränken. Insbesondere folge aus der Entscheidung des BayVGH vom 26. Juni 2012 zum Internetwerbeverbot nicht gleichzeitig die Annahme der Europarechtswidrigkeit auch des Fernsehwerbeverbots. Selbst bei einem unterstellten Vollzugsdefizit im Bereich des Internetwerbeverbots könne eine systematische und kohärente Anwendung des Fernsehwerbeverbots erfolgen. Denn auf Ebene des Fernsehens könnten der Jugendschutz und die Suchtprävention wirksam verfolgt und systematisch durchgesetzt werden. Das Medium Fernsehen sei das am umfassendsten in Anspruch genommene und am leichtesten zugängliche Medium. Das Fernsehwerbeverbot sei daher für sich genommen geeignet, den Zielvorstellungen des Gesetzgebers gerecht zu werden. Zudem setze eine Konfrontation mit Glücksspielwerbung im Internet im Regelfall eine entsprechende Initiative des Internetnutzers in Gestalt des Aufrufs der entsprechenden Seiten voraus, während der Bürger im Fernsehen in einer für ihn nicht verhinderbaren Art und Weise mit Werbung und Splitscreen-Werbespots konfrontiert werde. Die drei in § 5 Abs. 3 GlüStV genannten Verbreitungswege seien auch nicht gleichwertig, wie sich bereits aus § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV ergebe. In ca. 97 % der Haushalte befände sich ein Fernsehgerät, aber nur 77 % hätten einen Internetanschluss und das Fernsehen genieße wesentlich höhere Glaubwürdigkeit. Auch das Beispiel der Tabakwerbung zeige, dass eine unterschiedliche Handhabung von Werbung in unterschiedlichen Medien nicht zwangsläufig eine medienübergreifende Konterkarierung nur in einzelnen medialen Sparten verbotener Werbung bedeute.

47
Im Übrigen liege hinsichtlich des Internetwerbeverbots gar kein strukturell begründeter Vollzugsmangel vor, der in der Regelung selbst angelegt sei und auf das Fernsehwerbeverbot durchschlagen könne. Verstöße gegen das Fernsehwerbeverbot würden ebenfalls nicht strukturell geduldet, sondern konsequent und sowohl gegenüber staatlichen als auch privaten Anbietern unterbunden. Bei der Ausstrahlung der Ziehung der Lottozahlen handele es sich um ein redaktionelles Programm und nicht um werbliche Maßnahmen, wie sich auch aus der amtlichen Begründung zum GlüStV ergebe. Zudem seien Zuschauer insoweit vordringlich solche Personen, die schon Spielteilnehmer seien. Banden- und Trikotwerbung sei an das Vor-Ort-Publikum gerichtet und die Mitübertragung von vor Ort angebrachten Werbebotschaften könne bei Sportveranstaltungen nicht gänzlich vermieden werden. Es fehle bei dieser Abbildung der realen Lebenswirklichkeit an der Werbeabsicht. Ein Vollzugsdefizit und damit die Unverhältnismäßigkeit des Fernsehwerbeverbots seien daher nicht gegeben. Es könne auch nicht angenommen werden, dass tatsächlich fiskalische Ziele verfolgt würden.

48
Zudem habe der BayVGH klargestellt, dass die Ziele der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und des Jugend- und Spielschutzes die Beschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen könnten und das Werbeverbot im Fernsehen grundsätzlich geeignet und erforderlich sei, diese Ziele zu erreichen. Die besondere Gefährdungslage betreffend die Bewerbung öffentlichen Glücksspiels werde damit anerkannt. Auch werde nach der Rechtsprechung des BayVGH durch die Rechtslage oder Praxis in anderen als den von § 5 Abs. 3 GlüStV erfassten Glücksspielbereichen dessen Eignung, die Verwirklichung der zu seiner Rechtfertigung angeführten Ziele zu gewährleisten, nicht in Frage gestellt.

49
Es möge sein, dass einzelne Länder zur Durchsetzung der Ziele des Glücksspielrechts unterschiedliche Mittel anwendeten, dies ändere aber nichts daran, dass sich alle Regelungen von einer einheitlichen Zielvorstellung leiten ließen. Ein Uniformitätsgebot und absolut einheitliche Regelungen fordere auch der EuGH nicht, solange – wie hier – keine Konterkarierung der Werbeverbote stattfinde. Hinzukomme, dass die Regelung in Schleswig-Holstein schon „flächentechnisch“ nicht ausreichend sein dürfte, um eine einheitliche Regelung zu gefährden. Dies hätten auch der BayVGH und der BGH bestätigt. Im Übrigen habe der Schleswig-Holsteinische Landtag den ersten Glücksspieländerungsvertrag mittlerweile ebenfalls ratifiziert.

50
Da streitrelevant allein die Anwendbarkeit des Werbeverbots des § 5 Abs. 3 GlüStV sei, das nicht monopolakzessorisch sei, gingen die Ausführungen der Klägerseite zu sonstigen staatlichen Glücksspielangeboten an der Sache vorbei. Deren Einführung habe nichts damit zu tun, ob die Angebote unzulässig beworben würden. Auch gegenüber staatlichen Anbietern würden die Werbeverbote des Glücksspielstaatsvertrags durchgesetzt. Es erfolgten eine flächendeckende Fernsehüberwachung und ein entsprechender Zugriff im Falle unzulässiger werblicher Maßnahmen und damit eine systematische und kohärente Rechtsanwendung.

51
Die Untersagungsverfügung sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft, wie der BayVGH am 29. November 2012 (7 CS 12.1527 und 7 CS 12.1642) festgestellt habe; die Erteilung einer Werbeerlaubnis könne abgewartet werden. Es sei nicht absehbar, dass das Vergabeverfahren zeitliche Dimensionen erreichen werde, die nicht mehr zumutbar wären. Im Übrigen habe die Tatsache, dass Werbung für öffentliches Glücksspiel nunmehr nicht mehr ausnahmslos verboten sei, zu einer Herabsetzung der Rechtfertigungsbedürftigkeit auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung geführt.

52
7. Ein am .... Dezember 2012 gestellter Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen (M 17 S 12.6206), wurde mit Beschluss vom .... April 2013 abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Juli 2013 zurück (7 CS 13.929).

53
8. Wie die Beklagte mit Schreiben vom .... Januar 2014 mitteilte, haben sich die Mitglieder der ZAK in ihrer Sitzung am .... November 2013 darauf verständigt, dass die zuständigen Landesmedienanstalten bis zum Abschluss der laufenden Konzessionsverfahren im Hinblick auf Glücksspielwerbung im Fernsehen für private Glücksspielanbieter, die eine Konzession beantragt haben, nur noch dann aufsichtlich tätig werden müssen, wenn die zuständige Glücksspielaufsichtsbehörde gegen diese Werbung eine wirksame Verbots- und Untersagungsverfügung beschlossen hat. Die Klägerin wurde von der Beklagten mit Schreiben vom .... Januar 2014 informiert, dass die sofortige Vollziehung der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung bis auf Weiteres ausgesetzt werde. Eine Wiederaufnahme des Sofortvollzugs sei jedoch im Bedarfsfalle jederzeit möglich.

54
9. In der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2014 beschloss das Gericht im Einvernehmen mit den Beteiligten, das Verfahren, soweit sich die Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom .... Oktober 2011, also gegen die Beanstandungsverfügung, richtet, abzutrennen. Insoweit wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

55
Soweit sich die Untersagungsanordnung (Nr. 2 des Bescheids vom .... Oktober 2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom .... Juli 2012 und .... Oktober 2012) auf die Vergangenheit bezog, erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.


56
Die Klägerin beantragte daher zuletzt,

57
den Bescheid vom .... Oktober 2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom .... Juli 2012 und .... Oktober 2012 betreffend die Untersagung der weiteren Ausstrahlung von allen Fernsehwerbeformen (§ 7 RStV) für „...“ (Nr. 2) bis zur vollziehbaren Erteilung einer glücksspielrechtlichen Fernseh-Werbeerlaubnis i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV für die Zukunft aufzuheben.

58
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, auf die vorgelegten Behördenakten und die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vom 14. Juni 2012 und 30. Januar 2014 verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe
59
Die Klage ist zulässig, insbesondere sind die unter Berücksichtigung der Änderungsbescheide und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vorgenommen Antragsänderungen sachdienlich und damit gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 7 CS 12.1527 – juris Rn. 18).

60
Die Klage ist auch begründet, da die nunmehr allein streitgegenständliche Nr. 2 des Bescheids vom .... Oktober 2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom .... Juli 2012 und .... Oktober 2012 rechtswidrig ist und die Klägerin daher in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

61
1. Entgegen den Ausführungen der Klägerin ist die streitgegenständliche Untersagungsverfügung allerdings formell rechtmäßig.

62
Der angefochtene Bescheid in der Form der Änderungsbescheide vom .... Juli und .... Oktober 2012 ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG verletzt hätte. Ein etwaiger Anhörungsmangel wäre jedenfalls durch die mit Schreiben der Beklagten vom .... August 2012 durchgeführte Anhörung und den darauf ergangenen Änderungsbescheid vom .... Oktober 2012 gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt. Die während des laufenden gerichtlichen Verfahrens durchgeführte Anhörung ist ihrer Funktion gerecht geworden (BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 7 CS 12.1527 – juris Rn. 23; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, Rn. 74 zu § 45).

63
Eine etwaige formelle Fehlerhaftigkeit wegen des Fehlens eines Beschlusses der ZAK ist jedenfalls durch den Bescheid vom .... Oktober 2012 gegenstandslos geworden. Die zuständige ZAK hat – auf der Grundlage einer entsprechenden ausführlich begründeten Beschlussvorlage der Beklagten – am .... September 2012 die Untersagungsverfügung neu gefasst. Diese Neufassung wurde von der Beklagten mit dem Änderungsbescheid vom .... Oktober 2012 umgesetzt. Die ZAK hat damit als Organ der Beklagten ihre rundfunkrechtlich begründete Zuständigkeit für die streitgegenständliche Aufsichtsmaßnahme (§ 35, § 36 Abs. 2 Nr. 7, § 38 Abs. 2 RStV) wahrgenommen (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 7 CS 12.1642 – juris Rn. 12).

64
Schließlich verstößt die Untersagungsverfügung auch nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG müssen Verwaltungsakte inhaltlich hinreichend bestimmt sein, das heißt, sie müssen insbesondere für die Adressaten so vollständig, klar und unzweideutig sein, dass diese ihr Verhalten danach richten können. Dabei genügt es allerdings, wenn hinreichende Klarheit aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung des Verwaltungsakts, gewonnen werden kann (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37 Rn. 5, 12). Davon ist hier auszugehen, da der Anordnung eindeutig zu entnehmen ist, dass jede Werbeform für „...“ im Fernsehen verboten ist, somit also auch Sponsorenhinweise unzulässig sind, wenn diese zum Wetten auffordern oder anreizen und damit den glücksspielrechtlichen Werbebegriff erfüllen (vgl. BayVGH, B.v. 29.22.2012 – 7 CS 12.1642 – juris Rn. 13).

65
2. Der Bescheid ist jedoch materiell rechtswidrig.

66
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Denn bei der Beurteilung von Dauerverwaltungsakten, wie hier der Untersagungsverfügung, sind grundsätzlich Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Gerichts durch Urteil zu berücksichtigen. Wird der angegriffene Verwaltungsakt – wie hier – bis zur gerichtlichen Entscheidung geändert, so hat das Gericht diese Änderung zu berücksichtigen (Külpmann in Finkelnburg, 6. Aufl. 2011, Rn 953; BayVGH, B.v. 1.4.2011 – 10 AS 10.2500 – juris Rn. 22 m.w.N.). Auch muss im vorliegenden Fall die Rechtslage vor dem 1. Juli 2012, also vor dem Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags, außer Betracht bleiben. Die Untersagungsverfügung ist damit nicht mehr an der ursprünglichen Fassung des § 5 Abs. 3 GlüStV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV) vom 20. Dezember 2007 (GVBl S. 922, BayRS 2187-3-I), zu messen (s. BVerwG, U.v.20.6.2013 – 8 C 12.12 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 7 CS 12.1527 – juris Rn. 19), sondern es ist auf die seit Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags i.d.F. der Bekanntmachung vom 30. Juni 2012 (GVBl. S. 318) geltende Rechtslage abzustellen.

67
Die Untersagungsverfügung kann seit dem 1. Juli 2012 auf die Rechtsgrundlage in § 38 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 4 und § 41 Abs. 1 Satz 4 RStV sowie § 5 Abs. 3 GlüStV (n.F.) gestützt werden.

68
§ 5 Abs. 3 GlüStV verbietet Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen. Davon abweichend können die Länder zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV Werbung für Lotterien, Sport- und Pferdewetten im Internet und im Fernsehen unter Beachtung der Grundsätze des § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV erlauben.

69
Gemäß § 38 Abs. 2 (i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 4) RStV trifft die zuständige Landesmedienanstalt, wenn sie einen Verstoß unter anderem gegen dieses Werbeverbot feststellt, die erforderlichen Maßnahmen. Maßnahmen sind insbesondere Beanstandung, Untersagung, Rücknahme und Widerruf.

70
Hier hat die Beklagte von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und der Klägerin mit Bescheid vom .... Oktober 2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom .... Juli 2012 und .... Oktober 2012 die Ausstrahlung von allen Fernsehwerbeformen für „...“ untersagt.

71
Fernsehwerbung für Glücksspiel fällt in den sachlichen Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit. Alle Tätigkeiten, die darin bestehen, die Teilnahme an einem Geld- bzw. Glücksspiel gegen Entgelt zu ermöglichen, einschließlich der Werbung für solche Spiele, sind Dienstleistungen i.S.v. Art. 50 EGV bzw. Art. 57 AEUV (EuGH, U.v. 24.3.1994 – C-275/92 Schindler – NJW 1994, 2013/2014; EuGH, U.v. 21.10.1999 – C-67/98 Zenatti – EuZW 2000, 151/152; EuGH, U.v. 8.9.2010 – C-316, 358, 359, 360, 409, 410/07 Markus Stoß – NVwZ 2010, 1409/1411).

72
Eine Regelung, die Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen verbietet, stellt eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union dar. Sie kann nach Art. 55 EGV i.V.m. Art. 45, 46 EGV bzw. Art. 62 AEUV i.V.m. Art. 51, 52 AEUV durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (EuGH, U.v. 30.11.1995 – C-55/94 Gebhart – NJW 1996, 579; siehe auch BayVGH, U.v. 26.6.2012 – 10 BV 09.2259- juris Rn. 66 m.w.N), wenn diese Regelung nicht diskriminierend sowie grundsätzlich geeignet und erforderlich ist, um die mit ihr verfolgten Ziele zu erreichen. Zudem muss sie auch tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen und darf dazu nicht außer Verhältnis stehen (BayVGH, U.v. 26.6.2012 – 10 BV 09.2259, a.a.O. Rn. 70).

73
Da – wie bereits ausgeführt – für die Frage, ob die Untersagungsverfügung der Beklagten rechtmäßig ist, auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist, kann hier dahingestellt bleiben, ob die Verfügung ursprünglich rechtmäßig war. Denn zumindest seitdem die Beklagte hinsichtlich der Werbung von Glücksspielanbietern, die eine entsprechende Konzession beantragt haben, regelmäßig keine Untersagung mehr ausspricht, liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor, so dass die streitgegenständliche Verfügung zumindest zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtswidrig ist:

74
a) Das in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene Gleichbehandlungsgebot, das die Beklagte beim Erlass von glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügungen beachten muss, verbietet es ihr, die Klägerin gegenüber anderen ohne einen sachlichen Grund, der dies rechtfertigen könnte, zu benachteiligen (vgl. u.a. BVerwG, B.v. 19.2.1992 – 7 B 106/91 – juris Rn. 2; BayVGH, U.v. 26.6.2012 – 10 BV 09.2259 – juris Rn. 110 ff). Dagegen verstößt die Beklagte mit der streitgegenständlichen Untersagung.

75
aa) Die Beklagte hat mit Schreiben vom .... Januar 2014 und in der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2014 ausgeführt, dass die Landesmedienanstalten vereinbart haben, in den Fällen, in denen der private Glücksspielanbieter eine Konzession beantragt hat, hinsichtlich der diesbezüglichen Werbung nur dann aufsichtlich tätig zu werden, wenn die zuständige Glücksspielaufsicht gegen diese Werbung eine wirksame Verbots- oder Untersagungsverfügung beschlossen hat. Da im vorliegenden Fall unstrittig eine Konzession beantragt wurde, eine wirksame Verbots- und Untersagungsverfügung der Glücksspielaufsichtsbehörde aber nicht bekannt ist, würde nach der nunmehrigen Verwaltungspraxis der Beklagten keine Untersagungsanordnung mehr ergehen. Die streitgegenständliche Untersagung erging dagegen unabhängig davon, ob der Glücksspielanbieter eine Konzession beantragt hat und ob die Glücksspielaufsicht tätig wurde. Da somit die Glücksspielwerbung im Fernsehen nunmehr unter den oben genannten Voraussetzungen von der Beklagten grundsätzlich zugelassen wird, der Klägerin diese Werbung aber weiterhin untersagt ist, liegt eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.

76
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte im Rahmen des Art. 38 RStV kein Entschließungs-, sondern nur ein Auswahlermessen zusteht, da die Entscheidung auch insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein muss (vgl. BayVGH, U.v. 26.6.2012 – 10 BV 09.2259 – juris Rn. 110 ff.). Dabei ist auch der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung zu beachten, der aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG resultiert und zum Inhalt hat, dass eine Behörde vergleichbare Sachverhalte gleich behandeln muss, weil sonst ihre Entscheidung alleine wegen der Ungleichbehandlung rechtswidrig wäre, selbst wenn sie, isoliert betrachtet, rechtmäßig wäre. Der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung bewirkt also im Ergebnis eine Einengung der Bandbreite, die die Verwaltungsbehörde bei der Ermessensbetätigung hat (BayVGH, U.v. 7.8.2013 – 10 B 13.1234 – juris Rn. 44; Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 114 Rn.27). Wenn also die Beklagte in vergleichbaren Fällen keine Untersagung erlässt, darf sie das auch vorliegend nicht. Denn die Behörde ist zwar nicht gehindert, ihre Praxis für die Zukunft zu ändern, wenn hierfür ein sachlich einleuchtender Grund besteht, die Änderung muss dann jedoch auf alle neu Betroffenen Anwendung finden. Da die streitgegenständliche Untersagung als Dauerverwaltungsakt fort gilt, steht diese aber im Widerspruch zu der geänderten Praxis der Beklagten.

77
Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung bis auf weiteres ausgesetzt hat. Damit kann zwar die Klägerin wie ihre Konkurrenten derzeit grundsätzlich für öffentliches Glücksspiel werben, so dass eine faktische Gleichstellung besteht. Rechtlich stellt sich die Situation aber durchaus unterschiedlich dar, da die Untersagung weiterhin existent ist und jederzeit wieder Gültigkeit entfalten kann. So hat die Beklagte selbst in ihrem Schreiben vom .... Januar 2014 ausgeführt, dass eine Wiederaufnahme des Sofortvollzugs jederzeit möglich ist. In diesem Fall würde der Klägerin aber das Werben für Glücksspiel mehr oder weniger sofort wieder unmöglich gemacht, während bei anderen Anbietern bzw. Fernsehsendern, die aufgrund der neuen Verwaltungspraxis der Landesmedienanstalten bisher keine Untersagungsverfügung erhalten haben, erst das entsprechende Verfahren durchgeführt werden müsste. Da dieses aufgrund der Einschaltung der verschiedenen Gremien bzw. zuständigen Stellen und der erforderlichen Anhörung der Betroffenen eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird, könnten andere Sender – im Gegensatz zur Klägerin – die Werbung auf jeden Fall noch für eine nicht unbeträchtliche Zeit weiter ausstrahlen, was für diese auch einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil bedeuten würde.

78
bb) Sachliche Gründe, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum die Untersagungsverfügung gegenüber der Klägerin nicht aufgehoben werden könnte, so dass diese mit anderen Sendern, die erst jetzt für öffentliches Glücksspiel werben und keine Untersagung erhalten, gleichgestellt wird. Sollte sich später doch wieder das Erfordernis einer Untersagung ergeben, könnte – ebenso wie bei den konkurrierenden Sendern – eine erneute Verfügung erlassen werden.

79
cc) Zwar gilt im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes, dass es „keine Gleichheit im Unrecht“ geben darf (Dürig/Scholz in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand 2013, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 179; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 40 Rn. 25), eine derartige Fallkonstellation liegt hier aber nicht vor. Denn dies würde voraussetzen, dass die jetzige Verwaltungspraxis der Beklagten rechtswidrig wäre. Davon kann aber nicht ausgegangen werden.

80
§ 38 RStV besagt zwar, dass bei einem Verstoß gegen § 5 Abs. 3 GlüStV die erforderlichen Maßnahmen zu treffen sind. Das heißt, der Beklagten als zuständiger Landesmedienanstalt ist lediglich ein Auswahlermessen hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahme, jedoch kein Entschließungsermessen zugestanden. Das hindert die Landesmedienanstalten aber gerade nicht, wie nunmehr beschlossen, in denjenigen Fällen, in denen eine Konzession beantragt wurde und die Glücksspielaufsicht nicht tätig wurde, von einer Untersagung abzusehen und als Maßnahme im Sinne von § 38 RStV zum Beispiel nur auf die rechtlichen Bedenken gegen die Werbung hinzuweisen. Ebenso kann die Beklagte in derartigen Fällen schon das Vorliegen eines „Verstoßes“ verneinen. Denn ein Verstoß gegen das Werbeverbot kann nur angenommen werden, wenn keine Erlaubnis erteilt werden kann. In den geschilderten Fallkonstellationen ist aber gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar, ob eine Konzession und eine Werbeerlaubnis erteilt werden wird. Dass die entsprechenden Verfahren nicht zeitnah zu einem Abschluss gebracht werden können, kann dem Glücksspielanbieter bzw. dem Fernsehsender nicht angelastet werden. Solange aber noch von einer Erlaubnisfähigkeit der Werbung ausgegangen werden kann, wäre eine entsprechende Untersagung unverhältnismäßig. So hat das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 11.7.2011 – 8 C 11/10 – juris Rn. 53) ausdrücklich entschieden, dass ein Erlaubnisvorbehalt eine vollständige Untersagung nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit rechtfertige. Diese Entscheidung betraf zwar die Veranstaltung von öffentlichem Glücksspiel ohne Erlaubnis (§ 4 Abs. 1 GlüStV), hinsichtlich des Werbens ohne Erlaubnis kann insoweit aber nichts anderes gelten.

81
Dafür, dass die jetzige Verwaltungspraxis der Landesmedienanstalten korrekt ist, spricht im Übrigen auch der Umstand, dass es letztendlich zu einem faktischen staatlichen Glücksspielmonopol kommen würde, wenn die Werbung privater Anbieter weiterhin mangels Konzession und damit auch mangels Werbeerlaubnis untersagt würde. Denn hinsichtlich staatlicher Glücksspielanbieter gilt die Konzession gemäß § 29 GlüStV fort. Die privaten Anbieter würden demgegenüber benachteiligt, da aufgrund der langen Konzessionsverfahren, deren Ende nicht absehbar ist, auch eine Werbeerlaubnis in nächster Zukunft nicht erteilt werden kann. Ein derartiges faktisches Glücksspielmonopol der staatlichen Anbieter wäre aber, auch wenn es nur vorübergehend sein sollte, inkohärent und damit europarechtswidrig (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 8.7.2012 – 7 CS 13.667; BVerwG, Urteile v. 20.6.2013 – 8 C 10/12, 8 C 12/12, 8 C 17/12; OVG NRW, U.v. 13.12.2001 – 4 A 3101/06).

82
Die jetzige Vorgehensweise der Beklagten, Glücksspielwerbung unter den oben genannten Bedingungen vorerst nicht zu untersagen, ist somit rechtmäßig, so dass der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG auf den vorliegenden Fall nicht nur anwendbar, sondern aufgrund der oben geschilderten, nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung auch verletzt ist.

83
b) Gleichzeitig verstößt die streitgegenständliche Untersagungsverfügung auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Wie bereits dargelegt, sind Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 50 EGV bzw. Art. 57 AEUV, wie hier die Werbeuntersagung, nur dann gerechtfertigt, wenn sie verhältnismäßig sind. Gleiches gilt für Eingriffe in die Berufsfreiheit des Art. 12 GG und in die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Da sich der Abschluss der Konzessions- bzw. Erlaubnisverfahren ohne Zutun der Antragsteller auf unabsehbare Zeit verzögert, die Erlaubnisfähigkeit der streitgegenständlichen Glücksspielwerbung gegenwärtig aber nicht verneint werden kann, ist eine Untersagungsverfügung im Hinblick auf den damit verbundenen nicht unerheblichen Eingriff in die Dienstleistungs-, Berufs- und Rundfunkfreiheit zum gegenwärtigen Zeitpunkt unverhältnismäßig (s.o. a). Zumindest aber ist es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren, es bei der Untersagungsverfügung gegenüber der Klägerin zu belassen, andererseits in anderen – gleichgelagerten – Fällen aber von einer derartigen Verfügung abzusehen. Es spricht insoweit auch viel dafür, dass der Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit in der Form einer Untersagungsverfügung gegenwärtig nicht erforderlich ist, um die Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere die Verhinderung und Bekämpfung von Glücksspiel- und Wettsucht sowie den Jugend- und Spielerschutz, zu erreichen.

84
Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO stattzugeben.

85
Da es sich bei der Untersagungsverfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, wurde zur Bestimmung des Streitwerts das wirtschaftliche Interesse der Klägerin für drei Jahre veranschlagt. Hinsichtlich der Werbeuntersagung für die Vergangenheit, bezüglich der der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die Untersagungsverfügung bis zur Änderung der Verwaltungspraxis der Beklagten rechtmäßig war (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 – M 17 K 11.3271), insoweit also die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen zur Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung verwiesen, so dass insoweit die Beklagte die Kostentragungspflicht trifft. Da die Änderung der Praxis ca. zwei Jahre nach Erlass des Ausgangsbescheids erfolgte, für den Streitwert aber, wie bereits dargelegt, drei Jahre angesetzt wurden, war es sachgerecht, der Klägerin 2/3 und der Beklagten 1/3 der Kosten aufzuerlegen.

86
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


87
Beschluss

88
Der Streitwert wird auf EUR 50.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Quelle