Donnerstag, 10. Oktober 2013

Nordrheinwestfälische Kommunen zahlen Zwangsgelder von mehr als 250.000 € an Sportwettvermittler zurück

Rechtsanwalt Guido Bongers

In mehreren von der Kanzlei “Bongers Rechtsanwälte” geführten Klageverfahren für private Sportwettvermittler haben unterschiedliche Städte in NRW in den letzten Wochen und Monaten Zwangsgelder in einer Grössenordnung von insgesamt über 250.000 € an die Mandaten zurückzahlen müssen.

Die Behörden hatten den Sportwettvermittlern zwischen 2005 und 2010 die Tätigkeit der Sportwettvermittlung an private Wettanbieter untersagt und sich dabei auf das damalig bestehende Wettmonopol berufen. Dieses Sportwettmonopol hatte sich bereits 2006 als verfassungswidrig erwiesen (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006) Es wurde dann indes durch die Bundesländer zum 1.1.2008 zur vermeintlichen Bekämpfung der Spielsucht erneuert. Auch diese gesetzliche Regelung war nun rechtsfehlerhaft und gemeinschaftswidrig, wie das OVG Münster 2011 unter Berücksichtigung mehrerer Entscheidungen des EUGH vom 08.09.2010 in mehreren Verfahren entschieden hatte. Die Entscheidungen des OVG Münster wurden von mehreren Städten mit der Revision zum Bundesverwaltungsgericht angefochten. Diese Revisionen sind nunmehr letztinstanzlich in mehreren durch unsere Kanzlei geführten Verfahren durch das höchste deutsche Verwaltungsgericht zurückgewiesen worden, wobei das Bundesverwaltungsgericht die fortlaufende Gemeinschaftswidrigkeit des Sportwettmonopols von 2006 bis November 2012 in NRW bestätigt hat.

Verschiedene Städte hatten allerdings in der Vergangenheit Zwangsgelder gegen die Sportwettvermittler festgesetzt, die in den letzten Jahren dann nicht nur zur rechtswidrigen Schließung der Betriebsstätten führte, sondern auch zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden bei den jeweiligen Wettvermittlern. Die Zwangsgelder mussten damals in vielen Fällen – selbst nach Schließung -noch an die Behörden entrichtet werden, weil die Kommunen unter Verletzung von Europarecht an der Monopolregelung festhielten und mit ihren sofort vollziehbaren Verbotsverfügungen und darauf basierenden Zwangsgeldbescheiden die Wettvermittler zur Einstellung ihrer Betriebe gezwungen haben.

Diese Zwangsgelder müssen die Städte nun zurückzahlen. So hat beispielsweise die Stadt Bochum in einem von uns geführten Verfahren ein Zwangsgeld von 160.000 € an einen Buchmacher zurück entrichten müssen, der auch Sportwetten angeboten hatte. Andere Städte haben Zwangsgelder in einer Größenordnung von insgesamt weiteren 100.000 € an unsere Mandanten in verschiedenen Verfahren zurückgezahlt.

Sämtliche von uns vertretenen Mandanten haben insoweit die vor Jahren zu Unrecht gezahlten Zwangsgelder zurückerhalten, teils mit entsprechender Verzinsung. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seiner jüngsten Entscheidung unter anderem deutlich gemacht, dass derartige Vollzugsfolgen (also fällig gestellte Zwangsgelder auf Basis rechtswidriger Grundverfügungen) von den Behörden rückgängig zu machen sind.

Damit hat sich ausgezahlt, dass die Mandanten die zum Teil langwierigen Verfahren bis zum Ende durchgestanden haben. Sie erhalten nun auch ihre Prozesskosten erstattet.

Schließlich werden sich zahlreiche Städte auf erhebliche Schadenersatzansprüche einstellen müssen, wenngleich die Rechtslage hierzu noch nicht geklärt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen aktuellen Urteilen die Frage offen gelassen, ob die Kommunen zum Schadenersatz nach § 39 OBG NW (verschuldensunabhängige Haftung) verpflichtet sind oder nicht (vgl. beispielhaft BverwG C 12.12) Jedenfalls seien – so das Gericht – solche Ansprüche nicht offensichtlich aussichtslos.

Guido Bongers
Rechtsanwalt

Rechtsanwaltskanzlei Bongers
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Hintergrund:

"Untersagungsverfügungen, mit denen die Ordnungsbehörden allein unter Berufung auf das staatliche Sportwettenmonopol (sog. Oddset-Wetten) gegen private Sportwettbüros vorgegangen sind, sind rechtswidrig, weil das Monopol nicht mit Europarecht vereinbar ist. Dies hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts mit Urteil vom 29. September 2011 entschieden und damit seine bisher in Eilverfahren vertretene Rechtsauffassung aufgegeben (vgl. Pressemitteilungen vom 13. März 2008 und 15. November 2010). Nach den inzwischen vom EuGH und vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Maßstäben verletze das staatliche Monopol im Bereich der Sportwetten die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit.
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Weder die vollziehende Gewalt noch die Rechtsprechung haben ungültige Gesetze anzuwenden oder ihnen Rechtswirksamkeit zu verleihen.

Gegenteiliges ist mit den verfassungsrechtlich verankerten Rechtsbefehlen des Bonner Grundgesetzes nicht vereinbar.
"Der in der Falsch- oder Nichtanwendung einfachen Rechts liegende Grundrechtseingriff ist per definitionem nie durch ein Gesetz gedeckt und greift deshalb nicht nur in das betroffene Grundrecht ein, sondern verletzt dies auch stets, ohne das es darauf ankommt, ob z.B. eine in Rede stehende Leistung grundrechtlich definitiv geboten ist."
Dieses Zitat stammt von Lübbe-Wolff, Richterin am Bundesverfassungsgericht in “Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte” und zeigt, dass sie wissen was sie tun.
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Schadenersatzpflicht nach Unionsrecht
EuGH: Urteil Rs. C-72/10 und C 77/10 Costa u.a.
Rn 81
............Eine Rechtsvorschrift, die einen Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern – sei es auch nur vorübergehend – vom Markt zulässt, könnte nur dann als angemessen betrachtet werden, wenn ein wirksames gerichtliches Verfahren und, falls sich der Ausschluss später als ungerechtfertigt erweisen sollte, Ersatz für den entstandenen Schaden vorgesehen sind.
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