Mittwoch, 24. Juli 2013

LG Regensburg: Wiederaufnahmeverfahren Gustl Mollath ohne Erfolg

– Sternstunden deutscher Jurisprudenz –

Beschluss des LG Regensburg im Wiederaufnahmeverfahren Gustl Mollath vom 24.07.2013 

Den anonymisierten Volltext des Beschlusses können Sie als PDF-Dokument unter dem folgenden Link abrufen: PDF-Dokument [intern]

Pressemitteilung zu dem Beschluss vom 24.07.2013
Pressemitteilung des Landgerichtes Regensburg in Sachen Wiederaufnahmeantrag Mollath:

Wiederaufnahmeanträge ohne Erfolg.

Das Landgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 24.Juli 2013 die Wiederaufnahmeanträge zugunsten des Untergebrachten Gustl Mollath als unzulässig verworfen. Es kann weder im Wiederaufnahmeantrag des Untergebrachten noch im Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft einen zulässigen Wiederaufnahmegrund erkennen und sieht daher keine Möglichkeit für eine Wiederaufnahme des Verfahrens.
Das Gesetz erlaubt nur in engen Grenzen die Wiederaufnahme eines rechtskräftigen Urteils. Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach am 08.August 2006 Herrn Mollath wegen Schuldunfähigkeit frei und ordnete gleichzeitig seine Unterbringung an. Die hiergegen eingelegte Revision vor dem BGH blieb erfolglos. Das Urteil wurde damit rechtskräftig. Ausschließlich die im Gesetz genannten Gründe können einen zugunsten eines rechtskräftig Verurteilten gestellten Wiederaufnahmeantrag rechtfertigen.
Nicht ausreichend ist, wenn im Rahmen eines Urteilsverfahrens Fehler gemacht werden oder ein Urteil Sorgfaltsmängel erkennen lässt.

Die zuständige Strafkammer begründet ihre Entscheidung im Einzelnen wie folgt:

1. Unechte Urkunde:
Es handelt sich bei dem Attest vom 03.Juni 2002, welches dem Gericht bei seiner Entscheidung vorlag, um keine unechte, sondern um eine echte Urkunde. Das Attest ist die Zweitschrift eines Attests vom 14. August 2001. Dieses Attest wurde zwei Tage nach dem Tatgeschehen vom 12. August 2001 durch einen approbierten Arzt nach vorgehender Untersuchung ausgestellt. Dieser hat auch die Zweitschrift erstellt. Der ausstellende Arzt unterschrieb das Attest mit dem Zusatz „i.V.“ („in Vertretung“) und gebrauchte dabei berechtigt Briefkopf und Praxisstempel der Praxis, in der er seine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin absolvierte. Zum Zeitpunkt der Untersuchung befand er sich im fünften Jahr der Facharztausbildung. Bei der Erstellung der Zweitschrift war er bereits Facharzt für Allgemeinmedizin. Ein Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr. 1 StPO liegt daher im Ergebnis nicht vor.
2. Aussage des Zeugen B.:
Die nunmehr erfolgte Aussage des Zeugen B. ist nicht geeignet, die Urteilsfeststellungen aus dem Jahr 2006 zu erschüttern, da sie nicht im Widerspruch zu ihnen steht. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin M. wird durch die Aussage nicht erschüttert. Mit der Motivlage der ehemaligen Ehefrau des Untergebrachten – und nur in diesem Zusammenhang ist die Aussage des Zeugen B. überhaupt von Bedeutung – hat sich bereits das damals erkennende Gericht auseinandergesetzt. Die Aussage steht damit nicht im Widerspruch zur Beweiswürdigung des Ausgangsgerichts.

3. Einbeziehung des Dr. W.:
Ebenso wenig wird das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. durch die jetzt erfolgten Angaben des Dr. W. in Frage gestellt. Bereits das der Unterbringung zugrunde gelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. L. führt aus, dass der Untergebrachte für die Einbeziehung von weiteren Personen „ in geradezu klassischer Weise“ eine „für ihn logische Erklärung“ biete. Die aus Sicht des Untergebrachten bestehende Erklärbarkeit für die Einbeziehung des Dr.W., die das Wiederaufnahmevorbringen zum Gegenstand hat, ist damit bereits Gegenstand des Gutachtens gewesen.

4. Verfahrensfehler und Sorgfaltsmängel:
Im Strafverfahren gegen den Untergebrachten kam es zu Verfahrensfehlern. Für eine Wiederaufnahme gemäß § 359 Nr. 3 StPO können von vorneherein nur die durch die damals entscheidende Kammer verursachten Fehler relevant sein, und diese auch nur insoweit es sich um strafbare Verletzungen der Amtspflicht handelt. Dabei ist ein Antrag, der sich auf die Behauptung einer Straftat gründet, grundsätzlich nur dann zulässig, wenn wegen dieser Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist. Eine solche Verurteilung ist vorliegend nicht erfolgt und könnte selbst bei Erweislichkeit einer Amtspflichtverletzung mittlerweile wegen eingetretener Verjährung auch nicht mehr erfolgen. Eine strafbare Amtspflichtverletzung insbesondere Rechtsbeugung kann ein Wiederaufnahmegrund sein, wenn sie als Straftat feststeht.
Es wird eine Vielzahl von Verfahrensfehlern durch das entscheidende Gericht bzw. seinen Vorsitzenden behauptet. Diese Fehler, soweit sie überhaupt vorliegen, rechtfertigen nicht den Vorwurf der Rechtsbeugung und hatten im Übrigen auch im Ergebnis keine Auswirkungen auf das Urteil. Aus Sicht der Kammer ist ein deutlicher Verfahrensverstoß vor allem darin zu sehen, dass die Vernehmung des Untergebrachten nach Vollzug der einstweiligen Unterbringung nicht unverzüglich erfolgte. Dies bedeutet aber keinen die Annahme einer Rechtsbeugung rechtfertigenden elementaren Rechtsverstoß. Die Annahme eines bewussten Regelverstoßes liegt nicht nahe. Es handelt sich zudem nur um eine Verzögerung der Anhörung, denn die Entscheidung über die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung wäre nicht anders ausgefallen, wenn die Vernehmung des Untergebrachten unverzüglich erfolgt wäre.
Die Urteilsfeststellungen enthalten Sorgfaltsmängel. Für eine bewusste Sachverhaltsverfälschung ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte. Der dazu erfolgte Vortrag im Wiederaufnahmeantrag des Untergebrachten ist überwiegend nicht schlüssig. Der Vorwurf, dass der Vorsitzende der damals zuständigen Kammer bewusst Sachverhaltsverfälschungen begangen habe, ist eine durch konkrete Tatsachen nicht gestützte Spekulation. So hat sich beispielsweise das im Urteil geschilderte Festnahmegeschehen, so wie dargestellt, tatsächlich ereignet; lediglich der Zeitpunkt wurde mit dem einer anderen Festnahme des Untergebrachten verwechselt.

5. Der Revisionsbericht der HypoVereinsbank:
Auch dieser ist nicht geeignet, das Urteil zu erschüttern, da es im Urteil bei der Überprüfung der Schuldfähigkeit von Herrn Mollath explizit für möglich gehalten wird, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat.

Der Pressesprecher weist ergänzend auf Folgendes hin:
Vor dem Landgericht Regensburg ging es ausschließlich um die Frage, ob das Verfahren gegen Herrn Mollath, das durch Urteil rechtskräftig abgeschlossen wurde, im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens erneut durchzuführen ist. Fragen der Verhältnismäßigkeit oder der bestehenden oder nicht mehr bestehenden Gefährlichkeit mussten bei dieser Prüfung, ob Wiederaufnahmegründe vorliegen, außer Betracht bleiben.
Es laufen derzeit zwei verschiedene Verfahren parallel. Die zuständige Vollstreckungskammer in Bayreuth hat zu überprüfen, ob die Unterbringungsvoraussetzungen zum jetzigen Zeitpunkt immer noch vorliegen, insbesondere der Untergebrachte im Falle seiner Freilassung wegen seines Zustands für die Allgemeinheit gefährlich wäre.
Die Pressemitteilung enthält lediglich eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Entscheidungsgründe. Die gesamte Entscheidung kann auf der Homepage des Landgerichts Regensburg http://www.justiz.bayern.de/gericht/lg/r/aktuell nachgelesen werden.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts können Herr Mollath und die Staatsanwaltschaft Regensburg sofortige Beschwerde einlegen. Hierüber müsste das OLG Nürnberg entscheiden.

Die Pressestelle des Landgerichtes Regensburg
Landgericht Regensburg, 24.07.2013 Pressesprecher Piendl Johann;
Pressesprecher Lindner Gerhard.

update:
Prof. Dr. Henning Ernst Müller:
Der Beschluss des LG Regensburg in der Detail-Kritik

Justizministerin Beate Merk verfolgt weiter Wiederaufnahme:
"Sofortige Beschwerde ist logische Konsequenz!"

Zu der heutigen Entscheidung des Landgerichts Regensburg in Sachen Gustl Mollath erklärt Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk: "Mein Ziel ist weiter ein Wiederaufnahmeverfahren. Denn so könnte in einem öffentlichen Verfahren geklärt werden, ob die Zweifel an der Unterbringung von Gustl Mollath berechtigt sind oder nicht.
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Merks Bonbon-Angel: Ablenkungsmanöver und weitere Unwahrheiten

Gustl Mollath braucht keine Gnade, sondern sein Recht!
Martin Runge weist auch nochmals darauf hin, dass die Behauptung der Frau Merk, sie habe sich „die Urteile im Fall Mollath nie zu eigen gemacht“ eine „weitere Unwahrheit ist“. Im Rahmen der Petitionsbehandlung im Jahr 2010 hatte Merk noch ausdrücklich festgehalten, es sei – so wörtlich –  „keinerlei Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die verfahrensgegenständlichen gerichtlichen Entscheidungen den Verurteilten in seinen Rechten verletzen würden“
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Reaktionen auf den Mollath-Gerichtsentscheid:

Schwer nachvollziehbar
"Ich glaube nicht, dass die Kammer der bayerischen Justiz damit einen Gefallen getan hat", sagte Müller.

Strafrechtler und Politiker aller Parteien reagieren empört auf die Ablehnung der Anträge zur Wiederaufnahme des Falls Mollath. Sie hoffen nun auf das Urteil höherer Gerichte.

Ministerpräsident Horst Seehofer sagte der Süddeutschen Zeitung, das Urteil der Richter sei zwar zu respektieren. Es sei nun aber um so wichtiger, dass nun schnell über die Rechtmäßigkeit der Unterbringung Mollaths entschieden werde. Dieses Verfahren ist noch in Bayreuth anhängig. "In dem Sachverhalt sind so viele Zweifel entstanden", sagte Seehofer, "es muss jeder Anschein vermieden werden, dass etwas unter den Teppich gekehrt wird."

Gustl Mollath wollte am Mittwoch keine Stellungnahme abgeben. Mollath ließ das Bayreuther Klinikpersonal ausrichten, die Geschehnisse seien "heute zu viel" für ihn.
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Wiederaufnahmeantrag von G. Mollath als unzulässig abgelehnt…Und nun? – auf nach Nürnberg
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Gefahr für das Ansehen des Rechtsstaats
Titelt die SZ

Die Entscheidung ist gefallen: Gustl Mollath muss in der Psychiatrie bleiben. Neue Fakten und Zeugen? Egal. Verfahrensfehler? Ja, aber nicht absichtlich begangen. Solche Methoden vermutete man bisher in ganz anderen politischen Systemen als im demokratischen Deutschland. Der Umgang mit dem Mann aus Nürnberg ist zum Verzweifeln.

Sie können oder wollen sich und ihresgleichen nicht hinterfragen und empfinden es als ehrenrührig, wenn Außenstehende das tun. Lieber gibt man sich unfehlbarer, als jeder Papst dies tut. Diese Mentalität verhindert beispielsweise, dass die Motive und Methoden des für den Freiheitsentzug Mollaths hauptverantwortlichen Vorsitzenden Richters untersucht werden.
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Nach der Regensburger Entscheidung
Jetzt erst recht

Florian Streibl hat den Glauben an den Rechtsstaat und die Befreiung Gustl Mollaths noch nicht aufgegeben

So sagte er in Geretsried: "Wir müssen die Staatsanwaltschaft entpolitisieren." Die CSU dürfe in diesem Land keinesfalls wieder allein regieren. Es brauche andere Mehrheiten, "und dann muss man die Justiz in die Freiheit entlassen".

Streibls kritische Anmerkungen über "das Gutachterwesen" wurden von einem Zuhörer mit bitterem Unterton bestätigt. Er sei in der Justizvollzugsanstalt Straubing inhaftiert gewesen, sagte der Mann. "Wissen Sie, wie viele Leute da in Straubing sitzen wegen falscher Gutachten?"
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Stolpert Seehofer über Mollath?
Die Opposition hat den Fall längst als Wahlkampfthema entdeckt und befasst sich intensiv mit der Problematik. Die Grünen-Landtagsfraktion beispielsweise tourt mit einer Veranstaltungsreihe zum Thema Mollath durch den Freistaat. Titel der Veranstaltungen: "Affäre Mollath: Vertuschen, wegsperren, lügen und betrügen – was im CSU-Staat so alles möglich ist."
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Ist Herr Mollath aber nicht auch dann sofort zu entlassen, wenn die Wirksamkeit der auf ein Jahr befristeten Fortdauerentscheidung der StVK am 30.07.2013, 24:00 Uhr abgelaufen sein wird?

Wie kann Herr Mollath sein Freiheitsgrundrecht durchsetzten und seine Entlassung erzwingen, sollte er nach dem 30.07. immer noch weggesperrt bleiben?