Mittwoch, 13. Dezember 2017

MwSt: fehlender Leistungsaustausch - Kommission verklagt Österreich

update:
Klage, eingereicht am 29. Januar 2018 – Europäische Kommission / Republik Österreich
(Rechtssache C-51/18)  s.u.


Europäische Kommission - Pressemitteilung IP/17/4776 vom 07. Dezember 2017

Steuern: Kommission verklagt Österreich wegen mehrwertsteuerlicher Behandlung von Folgerechten an Kunstwerken vor dem Gerichtshof

Brüssel, 7. Dezember 2017

Die Europäische Kommission hat beschlossen, Österreich vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil es die Mehrwertsteuer fehlerhaft auf die Lizenzgebühren anwendet, die Künstlern für die Weiterveräußerung ihrer Kunstwerke gezahlt werden.
Das Folgerecht – Grundlage für allgemein als „Lizenzgebühren“ bezeichnete Erträge – ist das unabtretbare und unveräußerliche Eigentumsrecht des Urhebers des Originals eines Werks der bildenden Künste auf wirtschaftliche Beteiligung am Erlös aus jeder Weiterveräußerung des betreffenden Werks. Aufgrund dieses Rechts kann der Künstler unter bestimmten Voraussetzungen einen Prozentsatz des Verkaufspreises eines Kunstwerks erhalten, wenn dieses weiterverkauft wird.

Nach österreichischem Recht unterliegen die an Künstler oder sonstige Anspruchsberechtigte gezahlten Lizenzgebühren für die Weiterveräußerung des Originals eines Kunstwerks derzeit der Mehrwertsteuer. Dies verstößt gegen EU-Recht, nach dem die Mehrwertsteuer nur für Gegenstände und Dienstleistungen geschuldet wird, die „gegen Entgelt“, also gegen Bezahlung, bereitgestellt werden (Mehrwertsteuerrichtlinie, Richtlinie 2006/112/EG des Rates).

In einem früheren Urteil hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass es keine Bemessungsgrundlage oder keinen Betrag, auf den die Mehrwertsteuer angewendet werden kann, gibt, wenn jemand eine Dienstleistung erbringt, ohne eine unmittelbare Gegenleistung dafür zu erhalten. Nach Auffassung des Gerichtshofs unterliegen solche Leistungen daher nicht der Mehrwertsteuer (Urteil vom 3. März 1994, R. J. Tolsma, C-16/93). Da Lizenzgebühren für Folgerechte nicht als Gegenleistung für vom Künstler bereitgestellte Gegenstände oder Dienstleistungen gezahlt werden, darf auf sie keine Mehrwertsteuer erhoben werden.

Die Europäische Kommission hat im Juli 2016 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Österreich gerichtet. Da Österreich es versäumt hat, seine Rechtsvorschriften mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen, hat die Kommission beschlossen, Österreich vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen.

Weitere Informationen:
– Zur Überwachung der Einhaltung des EU-Rechts im Bereich Steuern und Zollunion
– Zu den wichtigsten Beschlüssen in den Vertragsverletzungsverfahren im Dezember 2017: MEMO/17/4767
– Zum Vertragsverletzungsverfahren allgemein: MEMO/12/12 (Infografik)
– Zum EU-Vertragsverletzungsverfahren

Quelle


update:

Klage, eingereicht am 29. Januar 2018 – Europäische Kommission / Republik Österreich

(Rechtssache C-51/18)


Verfahrenssprache: Deutsch

Parteien

Klägerin: Europäische Kommission (Prozessbevollmächtigte: N. Gossement, B.-R. Killmann, Bevollmächtigte)

Beklagte: Republik Österreich

Anträge der Klägerin

Die Klägerin beantragt, wie folgt zu entscheiden:   

Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 2 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie verstoßen, dass sie die Vergütung, die aufgrund des Folgerechts einem Urheber des Originals eines Kunstwerks gebührt, der Mehrwertsteuer unterwirft.

Die Republik Österreich trägt die Kosten des Verfahrens.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Zur Stützung der Klage macht die Klägerin folgendes geltend:

Österreich belaste mit der Mehrwertsteuer die Vergütung, die im Rahmen des Folgerechts, das in Umsetzung der Richtlinie 2001/84/EG1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks in Österreich eingeführt wurde, dem Urheber beim Weiterverkauf eines Originals eines Werks der bildenden Künste gebührt. Österreich verstoße dadurch gegen Artikel 2 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie.

Beim Folgerecht liege zwischen dem Urheber und dem Zahlungsverpflichteten kein Leistungsaustauschverhältnis vor.

Der an den Urheber abzuführende Erlösanteil aus dem Folgerecht ergebe sich aus dem Gesetz und sei so gestaltet, dass der Veräußerer – oder wer auch immer an der Weiterveräußerung beteiligt war – dem Urheber eine Vergütung abzuführen hat, ohne dass der Urheber dabei irgendeine Leistung erbringt. Die Leistung des Urhebers sei schon vor der Weiterveräußerung dadurch abgeschlossen worden, dass der Urheber sein Original erstmals in den Verkehr gebracht hat.

Die Vergütung aus dem Folgerecht, das dem Urheber zu zahlen ist, sei demnach kein Gegenwert für irgendeine vom Urheber erbrachte Leistung, sondern die Vergütung richte sich allein nach dem bei der Weiterveräußerung erzielten Preis, dessen Höhe vom Urheber nicht beeinflusst werden könne. Dem Urheber stehe die Vergütung zu, ohne dass er irgendeine Leistung – sei es durch Tun, sei es durch Unterlassen – setzen muss oder gar setzen kann. Demzufolge sei die Vergütung aus dem Folgerecht kein Entgelt für eine Lieferung oder Leistung im Sinne von Artikel 2 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie.

____________

1 Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks, ABl. 2001, L 272, S. 32.