Mittwoch, 12. September 2012

OVG B-B: Veranstaltung und Bewerbung von Sportwetten im Internet zulässig

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Eilantrag eines Sportwettanbieters gegen eine Untersagung der Veranstaltung und Bewerbung von Sportwetten im Internet hat Erfolg

In einem durch die Kanzlei Bongers geführten Verfahren für einen internationalen Sportwettanbieter hatte die zuständige Aufsichtsbehörde in Berlin einem Anbieter für Sportwetten untersagt, solche Sportwetten über das Internet im Lande Berlin zu veranstalten und/oder zu bewerben. Gegen diese entsprechende Ordnungsverfügung war Widerspruch erhoben worden.

Das erstinstanzliche Verwaltungsgericht Berlin hatte dann zunächst vor einigen Monaten im Verfahren – VG 35 L 376.11 – dem Eilantrag der von uns vertretenen Sportwettanbieterin stattgegeben. Die hiergegen von Seiten der Behörde gerichtete Beschwerde wurde nunmehr seitens des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch Beschluss vom 24.08.2012 im Verfahren OVG - 1 S 44.12 – zurückgewiesen.

Das Oberverwaltungsgericht verweist zur Begründung insbesondere auf die zwischenzeitlich geänderte Rechtslage seit dem 01.07.2012.

Dabei stellt das Gericht in seiner Begründung zunächst darauf ab, dass sich die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung nach dem Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung richte, weil es sich vorliegend um einen Dauerverwaltungsakt handele. Die Verfügung unterliege sodann massiven Zweifeln hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit. Das Gericht vertritt die (zutreffende) Auffassung, dass die Ordnungsverfügung zum Verbot des Angebots von Sportwetten über das Internet nach Inkrafttreten des ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages zum 01.07.2012 nicht mehr hätte erlassen werden dürfen. Zwar sehe die Neuregelung in § 4 Abs. 4 weiterhin ein Internetverbot vor, dieses Verbot werde aber zu Gunsten von Lotterien und Sportwetten nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Glücksspieländerungsstaatsvertrag aufgeweicht. Es kann danach nicht mehr von einem bundeseinheitlich geltenden Verbot gesprochen werden, vielmehr stelle sich die Rechtslage innerhalb Deutschlands regional unterschiedlich dar. Während in Schleswig-Holstein auf der Grundlage der eigenständigen, landesgesetzlichen Regelung der Vertrieb über das Internet zugelassen sei, besteht in Nordrhein-Westfalen nach wie vor ein vollständiges Internetverbot auf Basis des dort noch geltenden alten Glücksspielstaatsvertrages. Insofern verweist das Gericht hier sinngemäß auf die Inkohärenz des Internetverbotes, die sich nach Änderung der Gesetzeslage auch aus unserer Sicht heute als offenkundig darstellt. Zur weiteren Begründung verweist das Gericht darauf, dass im Lande Berlin ein Vertrieb von Sportwetten über das Internet materiell-rechtlich nicht mehr generell verboten sei, sondern grundsätzlich eine Erlaubnisfähigkeit für konzessionierte, privatrechtliche Veranstalter vorliege. Es stehe auch zu erwarten, dass sich Großanbieter, zu denen die Mandantin des vorliegenden Falles zähle, mit guten Chancen auf einen Zuschlag an dem Konzessionsvergabeverfahren beteiligen werden. Es erscheine auch nicht anzunehmen, dass der Wettanbieterin ihr früheres, vermeintlich verbotswidriges Verhalten im Rahmen einer auf die Zukunft gerichteten Zuverlässigkeitsprognose ernsthaft entgegen gehalten werden könne. Die Behörde jedenfalls könne sich nicht mehr auf ein allgemeines Verbot der Veranstaltung von Sportwetten im Internet berufen und eine vollständige Untersagung lasse sich im Hinblick auf ein künftig unter bestimmten Umständen erlaubnisfähiges Verhalten nicht mehr rechtfertigen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müsse sich eine Ordnungsverfügung gegenüber der Mandantin bis zur Vergabeentscheidung über die Konzession an den Maßgaben für die Öffnung des Internets für Sportwetten orientieren. Es wäre gerade nicht angemessen und im übrigen auch eine unverhältnismäßige Beschränkung der europäischen Dienstleistungsfreiheit, der in einem anderen Mitgliedsstaat der europäischen Union ansässigen Antragstellerin im Land Berlin eine gewerbliche Betätigung zu untersagen, die sie nach Erteilung der Konzession hier alsbald ausüben dürfte. Unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Durchsetzung des Rechts, insbesondere unter Berücksichtigung des Erlaubnisvorbehaltes ergäbe sich keine andere Sichtweise.

Insoweit könne auch offen bleiben, ob möglicherweise eine andere Rechtseinschätzung für die Veranstaltung von Sportwetten im Internet durch Anbieter zu gelten habe, die sich am Konzessionsvergabeverfahren nicht beteiligten.

Damit hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg seine vorläufige, bisherige Rechtsauffassung zur Anwendbarkeit des Internetverbot abgeändert und erstmals im Beschlusswege dem Eilantrag eines Internet-Wettanbieters stattgegeben, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass dieser Wettanbieter auch über den terrestrischen Vertrieb Sportwetten aus Deutschland an sich vermitteln läßt.

Der Beschluss des Gerichts ist unanfechtbar, so dass die Untersagung der Behörde folgerichtig nicht vollstreckt werden kann.

Anzumerken ist noch, dass der hier entscheidende Senat des OVG Berlin-Brandenburg auch in noch laufenden Berufungsverfahren von Sportwettvermittlern, gegen die über Jahre zahlreiche Untersagungen erlassen worden waren, im Rahmen eines Termins zur mündlichen Verhandlung bereits zum Ausdruck gebracht hatte, dass auch dortige Untersagungsverfügungen unter Berücksichtigung der heute bestehende Rechtslage sich als voraussichtlich rechtswidrig erweisen werden. Es handelte sich dabei aber nur um eine vorläufige, mündlich erklärte Rechtseinschätzung des Senats.

Kontakt:
Rechtsanwaltskanzlei Bongers
Rechtsanwalt Guido Bongers
Gustav-Heinemann-Ufer 56
D - 50968 Köln



Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 1. Senat
Entscheidungsdatum:    24.08.2012
Aktenzeichen:    OVG 1 S 44.12
Dokumenttyp:    Beschluss
Normen:    Art 56 AEUV, § 80 Abs 5 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO, § 4 Abs 1 GlüStVtr BE, § 4 Abs 4 GlüStVtr BE ... mehr

    Beschwerde; sofort vollziehbare Untersagungsverfügung; Glücksspielveranstalter aus anderem EU-Mitgliedstaat; Internetangebot; Verbot der Veranstaltung im Internet; Erlaubnisvorbehalt; Änderung der Rechtslage; Aufgabe des Sportwettmonopols; Aufweichung des Internetverbots für Lotterien und Sportwetten; Konzessionsverfahren; Bewerber im Konzessionsverfahren; Zuverlässigkeit; vollständige Untersagung unverhältnismäßig

Leitsatz

    Auf der Grundlage des zum 1. Juli 2012 im Land Berlin in Kraft gesetzten geänderten Glücksspielstaatsvertrages kann eine nach bisheriger Rechtslage erlassene umfassende Untersagungsverfügung gegenüber einem Konzessionsbewerber für die Veranstaltung von Sportwetten nicht mehr aufrechterhalten werden.

    Die umfassende Untersagung eines Internetangebots eines Veranstalters aus einem anderen EU-Mitgliedstaats, das auch Sportwetten beinhaltet, ist nach Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages, der ein Konzessionsverfahren für eine begrenzte Anzahl privater Anbieter vorsieht und die Veranstaltung im Internet für Lotterien und Sportwetten grundsätzlich ermöglicht, eine unverhältnismäßige Beschränkung der europäischen Dienstleistungsfreiheit, ohne dass es darauf ankommt, ob das Konzessionsverfahren als solches mit höherrangigem Recht vereinbar ist.

Tenor

    Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

    Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

    Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

2

    Zwar mag auf der Grundlage der Rechtslage bei Erlass der in der Hauptsache angefochtenen sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung vom 24. August 2011 viel für deren Rechtmäßigkeit im Sinne der Beschwerdebegründung gesprochen haben, weil das über das Internet verbreitete Sportwett- und Glücksspielangebot der Antragstellerin gegen das materielle Verbot der Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen im Internet gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 verstieß (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 – BVerwGE 140, 1) und es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts im Ordnungsrecht Sache des Handlungspflichtigen ist, eine von ihm eröffnete Gefahrenquelle wieder zu verschließen, ohne dass es insoweit auf Überlegungen zu dem dafür erforderlichen Aufwand ankäme (vgl. Senatsbeschluss vom 16. März 2009 – OVG 1 S 224.08 – juris). Dass der Antragsgegner insoweit ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt hätte, dass seine Macht zur Begrenzung des Interneteinflusses nicht weiter als die Macht des maltesischen Lizenzgebers der Antragstellerin reicht, verfehlt die Problematik schon deshalb, weil es die Antragstellerin ist, die die regionalen Einschränkungen ihrer Betätigung zu beachten hat. Insofern durfte der Antragsgegner zugrunde legen, dass der Antragstellerin das seit Januar 2008 in der gesamten Bundesrepublik Deutschland einheitlich geltende Verbot der Veranstaltung im Internet bekannt sein musste, so dass sie über einen langen Zeitraum vor Erlass der streitbefangenen Verfügung Gelegenheit hatte, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass ihr in Deutschland illegales Angebot dort nicht verbreitet werden kann. Unmögliches wurde ihr damit nicht abverlangt, da sie nötigenfalls ihr Internetangebot auch völlig hätte einstellen können. Zweifelhaft erscheint indessen, wenn der Antragsgegner schon in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck bringt, seine Ordnungsverfügung unabhängig vom Eingreifen materieller Verbote auf den Verstoß gegen den in § 4 Abs. 1 GlüStV enthaltenen allgemeinen Erlaubnisvorbehalt, die Strafbarkeit unerlaubter öffentlicher Glücksspiele nach § 284 StGB und irgendwelche mit der Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele verbundene Gefahren stützen zu können. Der Erlaubnisvorbehalt rechtfertigt eine vollständige Untersagung nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 2.10 – juris Rn. 55). Der Erlaubnisvorbehalt und die Strafvorschrift greifen nämlich nur, soweit sie der Durchsetzung von Beschränkungen des öffentlichen Glücksspiels dienen, die ihrerseits sowohl nach ihrem materiellen Gehalt als auch nach der tatsächlichen Anwendung mit höherrangigem Recht, insbesondere den europarechtlich garantierten Grundfreiheiten, vereinbar sind. Sie greifen insbesondere dann nicht, wenn sich einzelne Reglementierungen des öffentlichen Glücksspiels nicht als systematische und kohärente Beschränkungen einer grenzüberschreitenden Betätigung innerhalb der europäischen Union im Interesse legitimer Allgemeinwohlziele erweisen (vgl. EuGH, Urteile vom 6. März 2007 – Rs. C- 338/04 u.a. – Placanica u.a., juris Rn. 53, 65 ff. sowie vom 6. November 2003 – Rs. C-243/01 – Gambelli, juris Rn. 57, 67 ff.).

3

    Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich aber aufgrund geänderter Rechtslage in der Sache als richtig. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung, denn es handelt sich insoweit um einen lediglich durch das Vorliegen einer behördlichen Genehmigung auflösend bedingten Dauerverwaltungsakt (vgl. zu den Auswirkungen: BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2012 – 8 B 62.11 – Rn. 13 m.w.N.). Insoweit unterliegt die Rechtmäßigkeit nunmehr ernstlichen Zweifeln. Denn mit der vorliegenden Begründung hätte der Antragsgegner entgegen seiner im Beschwerdeverfahren nach entsprechender Anhörung dargelegten Auffassung die streitgegenständliche Verfügung nach Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages zum 1. Juli 2012 (vgl. Bekanntmachung vom 10. Juli 2012, GVBl. S. 249) nicht mehr erlassen dürfen. Denn die Neuregelung sieht zwar in § 4 Abs. 4 weiterhin ein Internetverbot vor, weicht dieses aber zugunsten von Lotterien und Sportwetten nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 auf. Es kann danach auch nicht mehr von einem bundeseinheitlich geltenden Verbot gesprochen werden; vielmehr stellt sich die Rechtslage innerhalb Deutschlands regional unterschiedlich dar. In Schleswig-Holstein wird derzeit auf der Grundlage einer eigenständigen landesgesetzlichen Regelung ein Vertrieb über das Internet zugelassen; in Nordrhein-Westfalen, das den Änderungsstaatsvertrag noch nicht in Kraft gesetzt hat, gilt die bisherige Rechtslage landesrechtlich fort. Im Übrigen – etwa im Land Berlin - ist ein Vertrieb von Sportwetten über das Internet materiell nicht mehr generell verboten und für konzessionierte Veranstalter grundsätzlich erlaubnisfähig. Es steht auch zu erwarten, dass sich Großanbieter, zu denen die Antragstellerin zählt, nicht ohne Chancen auf einen Zuschlag an dem Konzessionsvergabeverfahren beteiligen werden; jedenfalls hat die Antragstellerin diese Absicht im Beschwerdeverfahren bekundet und es erscheint keineswegs sicher, dass ihr – wie der Antragsgegner angedeutet hat - ihr früheres verbotswidriges Verhalten im Rahmen einer auf die Zukunft gerichteten Zuverlässigkeitsprognose entgegengehalten werden kann. Der Antragsgegner kann sich jetzt nicht mehr auf ein allgemeines Verbot der Veranstaltung im Internet berufen, das – wie ausgeführt - Voraussetzung dafür ist, dass der Erlaubnisvorbehalt und die Strafvorschrift des § 284 StGB der Betätigung entgegenstehen. Vielmehr lässt sich eine vollständige Untersagung im Hinblick auf ein künftig unter bestimmten Umständen erlaubnisfähiges Verhalten nicht mehr rechtfertigen; um dem Übermaßverbot zu genügen, muss sich eine Ordnungsverfügung gegenüber der Antragstellerin bis zur Vergabeentscheidung über die Konzessionen an den Maßgaben für die Öffnung des Internets für Sportwetten orientieren. Es wäre nicht angemessen und im Übrigen auch eine unverhältnismäßige Beschränkung der europäischen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV), der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Antragstellerin im Land Berlin eine gewerbliche Betätigung zu untersagen, die sie nach Erteilung der Konzession hier ausüben dürfte. Es ist auch unter dem Gesichtspunkt einer Durchsetzung des Rechts, insbesondere des Erlaubnisvorbehalts oder eines Schutzes des Verfahrens zur Konzessionsvergabe, keine andere Sichtweise geboten. Insoweit kann offenbleiben, ob anderes für die Veranstaltung von Sportwetten im Internet durch Anbieter zu gelten hat, die sich nicht am Konzessionsvergabeverfahren beteiligen. Die Verbotslage lässt sich gegenüber nicht konzessionierten Anbietern auch noch nach Abschluss der Konzessionsvergabe mit den im geltenden Recht vorgesehenen Instrumenten durchsetzen, wenn sich das Konzessionsverfahren selbst als mit höherrangigem Recht vereinbar erweisen sollte, was zu prüfen das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren noch keinen Anlass gibt.

4

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei es der Senat – schon in Ermangelung hinreichend konkreter Anhaltspunkte für eine andere Wertbemessung – entsprechend seiner bisherigen Praxis bei dem hälftigen Betrag des in der Untersagungsverfügung angedrohten Zwangsgeldes belassen hat.

5

    Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).