Samstag, 14. April 2012

A - OGH: Öffentliche Unternehmen haften für Verstöße gegen EU-Recht

Der Oberste Gerichtshof (OGH) wertet die Inhaberin des österreichischen Glücksspielmonopols auf Spielbankenspiele als "öffentliches Unternehmen" gemäß der Definition des Europarechts. Folglich kann die Monopolistin, wenn sie dem Unionsrecht widersprechendes nationales Recht anwendet, direkt haftbar werden. In seiner Entscheidung vom 15. 3. 2012 wertet der OGH die Monopolistin aber als "öffentliches Unternehmen" im Sinne des Unionsrechts. Solche Unternehmen treffen aufgrund ihrer "Staatsnähe" auch "Staatspflichten", und eine davon ist, dass sie nationales Recht, das unmittelbar wirkendem Unionsrecht widerspricht, nicht anzuwenden haben. Andernfalls werden sie - nach Meinung des OGH zumindest bei Vorliegen einer unvertretbaren Rechtsansicht - direkt haftbar (6 Ob 250/11z).

Spielerschutz auch für EU-Bürger
Ein Südtiroler verzockte 200.000 € und will das Geld zurück. Die Casinos hätten ihn vor sich selbst schützen müssen. Seit 1. Jänner 2009 erstreckt sich die Schutzpflicht gegenüber Casinobesuchern nicht mehr nur auf Österreicher, sondern auf alle EU-Bürger. Schon davor aber widersprach die Einschränkung laut OGH dem EU-Recht.

Der OGH geht mit den Casinos Austria hart ins Gericht. An einem besonderen Schutz von auffälligen Spielern aus EU-Staaten vor sich selbst „dürfte kein allzu großes Interesse bestanden haben", steht in dem Urteil, „suchten und suchen doch erfahrungsgemäß zahlreiche Nichtösterreicher die Casinos auf, die auch mit diesen Besuchern erhebliche Einnahmen erwirtschaften".

Das Argument, die Casinos wären mit einer Bonitätsprüfung von Ausländern überfordert, lässt der OGH nicht gelten. Sind die Vermögensverhältnisse nicht zu eruieren, dann ist der Casinogast bei Anzeichen auf Spielsucht zu sperren. Diese Sucht vergleicht das Höchstgericht „in ihrer Intensität mit einer Sucht nach harten Drogen". Und im Spielerschutz sieht es eine Art Produkthaftung.  weiterlesen

Wie nachfolgende Fälle zeigen, schützt auch in Deutschland staatliches Glücksspiel nicht vor Spielsucht!
Kika-Herstellungsleiter verzockt GEZ-Gebühren im staatlichen Spielcasino Erfurt
Nichts gesehen, gehört oder getan - Der Kika-Betrugsprozess zeigt, wie Verantwortliche trotz deutlicher Warnhinweise nicht reagierten und sich bis heute nicht zuständig fühlen. Über das staatliche Casino Erfurt landete das Geld der öffentlichen Fernsehsender zum Großteil beim Freistaat Thüringen.

BGH: Casino Baden-Baden verurteilt   weiterlesen


Diese Fälle widerlegen die Behauptung, dass nur staatlich kontrolliertes Glücksspiel eine Spielsucht wirksam verhindern kann.

Das Ziel der Spielsuchteindämmung im GlüStV, wurde offensichtlich auch im Bereich der Casinospiele
durch Errichtung eines Glücksspiel-Monopols nicht erreicht.

VG Kassel: Staatliches Wettmonopol verringert weder Spielsucht noch übermäßiges Spielangebot

VG Gera: Das staatliche Wettmonopol dient eher der Sicherung einer staatlichen Einnahmequelle und wirkt in keiner Weise der Entstehung von Spielsucht wirksam entgegen.

VG Halle: Für die Begründung eines Veranstaltungsmonopols mit Suchtgefahren gibt es keine Rechtsgrundlage.

Hessischer VGHkein ausreichendes Suchtpotenzial bei Geldspielautomaten


Mehr:

Öffentliches Unternehmen
wikipedia

"öffentliche Unternehmen" Gabler Wirtschaftslexikon

"Der Staat als Unternehmer"

Lehrstuhl für Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Europarecht, Recht der neuen Technologien sowie Rechtsgeschichte
Das öffentliche Recht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger. So kommt etwa das Verwaltungsrecht zur Anwendung, wenn ein Unternehmen eine neue Windkraftanlage errichten möchte. Das öffentliche Recht regelt aber auch wie der Staat als solcher funktioniert. So ergibt sich aus dem Staats- oder Verfassungsrecht bspw., welche Staatsorgane es gibt, welche Kompetenzen sie haben und wie sie gemeinsam bspw. die Gesetze produzieren, in denen geregelt ist, welche Voraussetzungen für die Gründung eines Unternehmens gelten. Das Völkerrecht steht eine Ebene darüber, indem es die Rechtsbeziehungen der Staaten untereinander, bspw. im Rahmen der UNO, regelt. Eine besonders große Rolle spielt im zusammen wachsenden Europa schließlich das Europarecht, insbes. das Recht der Europäischen Union.

Nadine Zurheide
Das Recht der öffentlichen Unternehmen im Spannungsfeld von öffentlichem Auftrag und Wettbewerb
Verlag Dr. Kovac Hamburg 2008

Bernd Früchtl
Die Aktiengesellschaft als Rechtsform für die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand
Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen in der Privatwirtschaft ein besonders umstrittenes Thema. Während die privaten Unternehmer die öffentliche Konkurrenz argwöhnisch beobachten, zielen die öffentlichen Unternehmen auf einen Ausbau ihrer gewinnwirtschaftlichen Tätigkeit.

Öffentliches Unternehmen, Monopol (BF Monopolunternehmen)
66 Titel zum Thema
im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund (SWB)

Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen

Öffentliches Wirtschaftsrecht in der Europäischen Union

Prof. Dr. Stefan Oeter – Vorlesung Europarecht      
Begriff des Europarechts - Recht der Europäischen Gemeinschaften

Centrum für Europarecht
Der Anspruch auf Schadensersatz bei Verstößen gegen EU-Kartellrecht
- Konturen eines Europäischen Kartelldeliktsrechts?

A-Öffentliche Aufträge: Vergabeamt verschärft Sanktionen
Die Bauernsozialversicherung muss Rekordgeldbuße von 90.000 Euro zahlen, weil sie das Vergabegesetz verletzt hat. Das sind rund zehn Prozent des Auftragswerts.
Die Verhängung von Geldbußen infolge rechtswidriger Auftragsvergaben ist in Österreich äußerst selten. Das Bundesvergabegesetz sieht die Möglichkeit derartiger „alternativer Sanktionen“ erst seit 2009 vor.

Der Fall zeigt deutlich, wie essenziell es für öffentliche Auftraggeber ist, rechtskonform vorzugehen. Eine Geldbuße von zehn Prozent des Auftragswerts kann schnell die Grenze von mehreren Mio. Euro überschreiten. Die Auftraggeber sollten ihre Zeit verstärkt dazu nutzen, ein effektives Vergabe-Compliance-Programm einzuführen.

Dr. Johannes S. Schnitzer, LL.M., ist Rechtsanwalt, Mag. Wolfgang Lauchner Rechtsanwaltsanwärter bei Wolf Theiss (am Verfahren auf Bieterseite beteiligt).