Freitag, 24. September 2010
Länder fälschten Gutachten, um Glücksspielmonopol zu erhalten
Die Diskussion um die Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags ist in vollem Gange, und die staatlichen Monopolisten sehen ihre Felle davonschwimmen. Aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein gibt es eindeutige politische Signale, das weder wirtschaftlich sinnvolle noch praktikable staatliche Glücksspielmonopol abzuschaffen, und auch "Kaiser" Franz Beckenbauer, der mit Sorge um die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Sports den dauerhaften Abfluss von Geldmitteln per Internet ins EU-Ausland beobachtet, hat sich längst für die Abschaffung des Monopols ausgesprochen, das in Deutschland eine ebenso lange wie unsinnige Tradition aufweist wie das Zündholz- oder Branntweinmonopol.
Doch das Imperium, sprich die Länder, deren Toto-Lotto-Chefs gerne mit den Spendiersäcken durch die sozialen Einrichtungen ziehen und sich feiern lassen wie im Dezember der Nikolaus, schlägt zurück: Krampfhaft versuchen sie, am "Glücksspielmonopol", das zu Unrecht so heißt, weil es nicht alle Glücksspiele, schon gar nicht die an Spielautomaten, sondern nur die von Toto-Lotto angebotenen betrifft und auch insoweit nur auf die Veranstaltung, nicht auf den Vertrieb erstreckt, festzuhalten – sogar um den Preis der Fälschung von Dokumenten.
Der Karlsruher Rechtsanwalt Dieter Pawlik hat nachgewiesen, dass die Länder wesentliche Aussagen eines Gutachtens, das sie zur "Vergleichenden Analyse des Glücksspielwesens" beim Schweizer Institut für Rechtsvergleichung in Auftrag gegeben haben, zu ihren Gunsten umgeschrieben haben.
Pikant: Das Gutachten sollte in der Diskussion um das Glücksspielmonopol eigentlich eine objektive Grundlage liefern. Doch die Fakten gefielen den zuständigen Beamten einiger Länder offensichtlich nicht. Als im April 2009 die Originalfassung vorlag, beanstandete der Lenkungsausschuss der Bundesländer "inhaltliche und sprachliche Mängel". Frei nach dem Motto "Wir bezahlen das Gutachten, dann hat auch drin zu stehen, was wir wollen", machte sich der Lenkungsausschuss an eine neue, zensierte Fassung – und nur diese gab er an die einzelnen Bundesländer weiter. Die Originalfassung liegt deshalb in den meisten Bundesländern selbst den zuständigen Beamten bis heute nicht vor. Nachfragen von Gerichten oder aus dem politischen Raum werden mit einer einheitlichen Sprachregelung beantwortet, deren Wahrheitsgehalt die zuständigen Landesbeamten gar nicht überprüfen können, weil sie den Text schlicht nicht kennen, auf den sich die Aussagen der Sprachregelung beziehen.
Die Manipulationstäter sind auch bereits identifiziert. Es überrascht nicht, dass möglicherweise auch die Grenzen strafbaren Handelns überschritten worden sind. Anzeigen an die Zuständigen Ermittlungsbehörden und Kammern werden derzeit gefertigt.
Rechtsanwalt Pawlik hat sich jetzt entschlossen, die Gutachtensfälschung öffentlich zu machen. Denn nachdem sie bei einer Anhörung im Mainzer Landtag bekannt wurde, wird jetzt so getan, als sei nichts gewesen, obwohl die "Welt" schon am 09. Juni von einem "frisierten Gutachten" sprach, das den Steuerzahler 200.000 Euro kostete.
"Die Fälschungen sind eklatant und skandalös", sagt Rechtsanwalt Dieter Pawlik. "Würde ein Privatmann in einem Gerichtsverfahren ein Gutachten derart manipulieren, hätte er bald Post von der Staatsanwaltschaft."
Ein paar Beispiele: Während es im ursprünglichen Gutachten heißt, das Wettwesen sei "weniger dem Problemspiel ausgesetzt", hat es in der neuen Fassung plötzlich ein "hohes Gefährdungspotential". In der Ausgangsfassung wird ein "kleiner, konsequent regulierter Glücksspielmarkt" empfohlen, in der Neufassung soll dieser plötzlich "im Rahmen eines staatlichen Monopols" bestehen. Auch zu den Glücksspielmärkten im EU-Ausland wurden offensichtlich bewusste Fehlinformationen aufgenommen, wie z.B. der Hinweis, in Italien gebe es wirkungsvolle Internetsperren für Glücksspielanbieter, obwohl jeder sportbegeisterte Italiener weiß, dass das nicht stimmt. Den Zensoren kann man bei alledem eine gewisse Gründlichkeit nicht absprechen: Sie strichen sogar den Hinweis in der Ursprungsfassung des Gutachtens, dass die von den staatlichen Anbietern hoch gepriesenen Maßnahmen des Spielerschutzes nur einen "Vorwand für Protektionismus und Monopolerhaltung" darstellten.
Nach Auffassung von Rechtsanwalt Dieter Pawlik offenbart die Gutachtenmanipulation einen noch viel alarmierenderen Befund: "Was wir hier sehen, ist nicht weniger als die Entmündigung der Politik durch eine kleine Gruppe Eingeweihter im Dienste Interessierter." Einfach zur Tagesordnung übergehen, will Rechtsanwalt Pawlik, Vizepräsident des Verbandes Europäischer Wettunternehmer, deshalb nicht: "Das muß an die Öffentlichkeit gebracht werden. Die wird belogen und betrogen. Seit Jahren versuchen wir klarzumachen, dass die meisten Wettanbieter solide, seriöse Unternehmen sind, die bereit sind, Steuern zu zahlen wie jeder andere und sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind. Während diese mit einer Art emotionaler Treibjagd verleumdet werden, sitzen die wahren Täter ganz woanders- in den Amtsstuben. Dem muss jetzt ein Ende gemacht werden. "
Das Originalgutachten sowie eine Synopse beider Gutachten sind unter www.vewu.de einsehbar. Quelle: RA Dieter Pawlik
Bereits am 12. Juni 2010 wurde über die "Zweifelhafte Zocker-Studie" berichtet. Es ist gut, wenn eine saubere juristische Aufarbeitung gefordert wird. s.a. Europäische Kommission: Studie über Glücksspiele
Montag, 20. September 2010
Verwaltungsgericht Berlin sieht sich durch EuGH-Urteile vom 08.09.2010 bestätigt
In dem Beschluss führt das Gericht aus, dass es seine ständige Rechtsprechung durch die Urteile des EuGH vom 08. September 2010 bestätigt sieht. Insbesondere sei die Regelung im GlüStV zum Erlaubnisvorbehalt rechtswidrig. Denn die Untersagungsverfügung darf "nicht auf die Nichterfüllung der Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 S. 1 GlüStV (und damit die Unerlaubtheit des Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV) gestützt werden, da diese Erlaubnispflicht in der erforderlichen Zusammenschau mit § 5 S. 1 AG GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 2 und Abs. 5 GlüStV und dem dort konstituierten Sportwettenmonopol des Landes Berlin gegen höherrangiges (Verfassungs- und Unions-)Recht verstößt." Quelle: RA Jusuf Kartal
Nach den Entscheidungen des EuGH vom 8.9.2010 heben erste Kommunen ihre Untersagungsverfügungen auf
Nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes vom 08. September 2010 haben die Stadt Hattingen und die Stadt Hemer ihre Untersagungsverfügung gegen private Sportwettenvermittler aufgehoben. Zuvor hat in der ersten Sache das Verwaltungsgericht Arnsberg in einem durch die Rechtsanwaltskanzlei Kartal geführten Klage- und Eilverfahren einen Hinweis an die Behörde erteilt, bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu vollziehen. In der anderen Sache hat die Behörde nach Gesprächen mit der Rechtsanwaltskanzlei Kartal ihre Verfügung zurückgenommen. Somit haben die Behörden die Zeichen der Zeit erkannt. Hierdurch haben diese Behörden für die Zukunft hohe Schadenersatzansprüche wegen verschuldensunabhängiger Haftung gemäß § 39 OBG NRW vermieden. Quelle: RA Jusuf Kartal
VG Berlin bestätigt Europarechtswidrigkeit und Verfassungswidrigkeit des Sportwettenmonopols
VG Berlin hält Verwaltungsgebühr für Untersagungsbescheide gegen Sportwettenvermittler für rechtswidrig
VG Berlin verschafft EU Anwendungsvorrang weiterhin Geltung
Samstag, 18. September 2010
Bundesländer versuchen ihre Pfründen zu retten
BERLIN (zaw) - Die deutsche Werbewirtschaft hat den Monopol-Anhängern unter den Bundesländern empfohlen, die vorliegenden konkreten Lösungsmodelle der Regierungsfraktionen Schleswig Holsteins sowie der Lotterie-Initiative für die künftige Regelung des Glücksspielmarkts in Deutschland zu übernehmen. "Eine Kurskorrektur in Richtung eines konsistent geregelten und damit staatlich kontrollierten Glücksspielmarktes hält Deutschland von erneut europarechtswidrigem Verhalten ab, wirkt dem wachsenden Schwarzmarkt für Sportwetten entgegen und fördert soziale Projekte durch größere fiskalische Spielräume von Bund und Ländern", erklärte ein Sprecher des ZAW Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft in Berlin.
Die große Mehrheit der deutschen Verfassungs- und Europarechtler sähen erneut erhebliche Probleme auf die Bundesländer zukommen, sollte die gerade erst vom Europäischen Gerichtshof EuGH gekippte Glückspielgesetzgebung strukturell fortgeführt und sogar mit weitern Restriktionen und Werbeverboten aufgeladen werden.
"Eine solche Regulierung mag den wenigen Begünstigten der bisherigen Monopolstrukturen nützlich sein, für die klare Mehrheit der Betroffenen würden aber nur Nieten ausgegeben",
so der ZAW. Quelle: zaw
Glücksspiel
Diesmal leider kein Gewinn
Nach dem Glücksspielurteil des Europäischen Gerichtshofs versuchen Bundesländer, ihre Pfründen zu retten.
Nur kurzzeitig befanden sich beide Seiten in Schockstarre: die Bundesländer, die Steuerausfälle in Milliardenhöhe fürchteten. Und die privaten Anbieter von Lotterien, Sportwetten und Pokerrunden, die ihr Glück kaum fassen konnten.
Eine Woche nach dem Urteil versuchen die Länder zu retten, was zu retten ist. Mehrere Landespolitiker fordern einen neuen Staatsvertrag, ebenso der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck, der zugleich Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist.
Sie wollen die Kontrolle behalten.
»Das alte Monopol besitzt ein unglaubliches Beharrungsvermögen«, sagt Peter Reinhardt, Deutschlandchef der Onlinewettbörse Betfair.
»Wenn ich so etwas höre, werde ich richtig wütend«, sagt Udo Weiß, Vorstand der Stiftung für Umwelt und Entwicklung in Köln. »Wir wollen auch Gutes tun, aber der Staat behindert uns seit Jahren.« Seit 1993 kämpft die Stiftung für ihre gemeinnützige Umweltlotterie Unsere Welt. Quelle: ZEIT-ONLINE
Zivil- und öffentlich-rechtliche Folgen des EuGH-Urteils vom 08.09.2010 zum Glücksspielverbot
von RA Jorma Hein
Mit seinem Urteil vom 08.09.2010 hat der Europäische Gerichtshof die deutschen Regelungen über das staatliche Glücksspielmonopol für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt. Das Gericht befand, dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages sowohl gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV als auch gegen die Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV verstoßen. Dabei ist klar, dass diese Freiheiten nicht unbeschränkt gelten und auf Grund höherrangiger Belange des Allgemeinwohls beschnitten werden können. Der EuGH erkennt dabei auch an, dass das Vorbeugen von Spielsucht, was der vordergründige Anlass für das staatliche Monopol gewesen ist, einen legitimen Zweck darstellt.
Jedoch verneint das Gericht die Geeignetheit der deutschen Regelungen, um Suchtprävention zu erreichen. Da nämlich nach den bisherigen Regelungen die Lotto- und Wettgesellschaften ihre Angebote umfangreich bewerben dürfen und das in der Praxis auch tun, wird die Spielsucht nicht wirksam bekämpft.
Dem Urteil lagen Klagen mehrerer Wettanbieter zu Grunde, die sich insofern rechtswidrig am Angebot ihrer Leistungen gehindert sahen. In der Tat ist davon auszugehen, dass eine große Anzahl von Gewerbetreibenden betroffen gewesen ist.
Nach der bisherigen Rechtslage bestand die Möglichkeit, den bis dahin illegalen Wettangeboten entweder hoheitlich zu Leibe zu rücken oder mit Hilfe des Wettbewerbsrechts. Denn die entsprechenden Bewerbungsbestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages stellen Marktverhaltensregelungen gem. § 4 Nr.11 UWG dar (Hefermehl, § 4, Rn. 11.137b) und konnten somit Grundlage für eine Abmahnung werden.
Hier bringt das Urteil der luxemburger Richter eine Kehrtwende. Nach ständiger Rechtssprechung des Gerichts gelten seine Urteile rückwirkend, da das Geltungsbedürfnis des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Vertrauensschutzbelangen der Betroffenen vorgehe.
Das heisst im Klartext: sowohl behördlichen Anordnungen als auch wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen ist mit dem Urteil von gestern die Grundlage entzogen worden. Eingegangene Verpflichtungen oder geleistete Zahlungen haben nachträglich ihre Rechtsgrundlage verloren (§ 313 BGB), weshalb Aufhebung und Rückzahlung verlangt werden kann.
Sollten Sie Probleme in diesem Bereich haben oder sonstige Fragen zum Wettbewerbs-, Urheber- oder Markenrecht haben, können Sie sich gerne jederzeit an uns wenden. Wir haben bereist eine Vielzahl von Fällen mit wettbewerbsrechtlichen Bezügen vertreten und wissen, worauf es für eine effektive Durchsetzung Ihrer Rechte ankommt. Quelle
Nach den EuGH-Entscheidungen
Zeitungsenten über das Ende des Glücksspielmonopols
Nach den Entscheidungen des EuGH verkündete die deutsche Presse am Mittwoch das Ende des deutschen Glücksspielmonopols. Nicht nur verfrüht, sondern auch zu Unrecht, meint Dr. Manfred Hecker. In seinem Kommentar verweist er darauf, dass die Prüfung der Sach- und Rechtslage den Verwaltungsgerichten obliegt – und noch lange nicht beendet ist. weiterlesen