Samstag, 19. Januar 2013

Die Story im Ersten - Wenn der Staat zum Täter wird

Film von Jan C. Schmitt
Unschuldig in Haft        Mo, 21. Jan 13 · 22:45-23:30 · (ARD)

Horst Arnold ist tot. Mit 53 Jahren hat sein Herz einfach aufgehört zu schlagen. Vielleicht hat es den Kampf nicht mehr ausgehalten gegen das Unrecht, das ihm widerfahren ist. Denn die letzten zehn Jahre waren für ihn, so sagte er, "die Hölle". An einem Wochentag im August 2001 wird der Lehrer vom Fleck weg verhaftet. Ab jetzt ist er nicht mehr unbescholtener Bürger, sondern Verbrecher. Seine neue Welt: das Gefängnis. "Die Hölle" beginnt.  Horst Arnold ist kein Einzelfall: Nach Schätzungen, die auf Entschädigungszahlungen der Bundesländer beruhen, sitzen jeden Tag hunderte Menschen unschuldig in deutschen Gefängnissen. Das System sieht nicht vor, dass die Justiz sich irrt. Wer es trotz hoher Hürden schließlich doch schafft, seine Unschuld zu beweisen, den lässt der Staat im Stich. Und: Es kann jeden treffen. Die Dokumentation bietet einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen zweier spektakulärer Fälle: Sie zeigt, wie es zu solchen Fehlurteilen kommen kann und wie zweifelhaft der deutsche Rechtsstaat mit seinen Justizopfern umgeht.  Horst Arnold soll eine Lehrerkollegin vergewaltigt haben. Das Gericht entscheidet: Fünf Jahre Haft. "Ich wurde von Mithäftlingen schikaniert und angegriffen", immer wieder spielt Arnold mit dem Gedanken an Selbstmord.

Weil er die Tat nicht gestehen will, gibt es keine Hafterleichterung, keine frühzeitige Entlassung wegen guter Führung. Allein sieben Psychologen befassen sich mit dem vermeintlichen Täter und bescheinigen ihm schließlich "schwere seelische Abartigkeit". Denn Arnold beteuert immer wieder seine Unschuld.  Horst Arnold ist unschuldig. Das beweist ein Wiederaufnahmeverfahren zweifelsfrei, zehn Jahre, nachdem er verhaftet worden war und nachdem er die gesamte Haftstrafe abgesessen hatte. Nur durch einen Zufall kommt dieses Verfahren zustande und wieder hat es Jahre gedauert, bis der entlastende Richterspruch schließlich fällt. 

Ähnlich ergeht es Monika de Montgazon. Ihr Leben wird durch fehlerhafte Ermittlungen zerstört. Die ehemalige Arzthelferin soll ihren Vater getötet haben. Das Urteil lautet lebenslänglich. "Sie wollen nur raus, ihre Unschuld beweisen, aber sie können nicht, da dreht man durch", sagt Monika de Montgazon. Angetrieben vom Schwager der Verurteilten recherchiert der Anwalt akribisch weiter, bestellt Gutachter, ermittelt selbst, bis die Unschuld der Arzthelferin feststeht. Nach fast zweieinhalb Jahren kommt sie frei. Private Brandgutachter hatten ihr zur Freiheit verholfen. Die Kosten für sie muss eigentlich der Staat tragen. Aber der weigert sich und ein Gericht beschließt: Sie soll 30.000 Euro selbst bezahlen. 

Auch Horst Arnold ist nach der Haft zwar wieder frei, aber er hat keine Wohnung, keine Arbeit, keine Familie mehr, lebt von Hartz IV. Und er ist auf sich gestellt: Er bekommt keinen "Bewährungshelfer", denn er hat ja keine Straftat begangen, so die Logik des Systems. Das Gesetz sieht eine Entschädigung vor: 25 Euro pro Hafttag. Ein Bruchteil der Entschädigung, die international üblich ist. Horst Arnold wird dieses Geld nie bekommen. Mit 53 Jahren stirbt er an einem Herzinfarkt. Allein, arbeitslos, nahe der kleinen Wohnung, in der er sich vor der Außenwelt verschanzt hatte. 

Der Film begleitet deutsche Justizopfer, die auf ihrem einsamen Weg zurück in die Gesellschaft kaum Unterstützung vom Staat erfahren. Er hinterfragt, warum Deutschland international Schlusslicht bei der Haftentschädigung ist, warum Wiederaufnahmeverfahren so selten sind und die Hürden für recherchierende Anwälte so hoch. Horst Arnold und Monika de Montgazon stehen für viele Namenlose, die ihr Schicksal teilen. Schuld sind die völlig unzureichenden gesetzlichen Regelungen für Justizopfer. Aber daran wollen die Verantwortlichen nichts ändern.
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Fall Harry Wörz:
Staatsanwaltschaft Karlsruhe stellt Ermittlungen ein

Viereinhalb Jahre saß Harry Wörz unschuldig im Gefängnis. Er war zu Unrecht wegen versuchten Mordes an seiner Frau verurteilt worden. Nach dem Freispruch für Wörz hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe nun die Suche nach dem Täter eingestellt. In der Urteilsbegründung hieß es, es komme auch ein Freund der Frau als Täter in Betracht. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe wurde beauftragt, dies zu prüfen. Objektive Beweise gegen den Mann und weitere mögliche Tatverdächtige seien jedoch nicht gefunden worden, teilte die Staatsanwaltschaft nun mit.
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Die großen Kriminalfälle - Serie im BR

Das falsche Geständnis des Günther Kaufmann
heute · Mi, 30. Jan · 22:00-22:45 · BR  w-Do, 31. Jan · 03:35-04:20 · BR
Es war einer der spektakulärsten Kriminalfälle des vergangenen Jahrzehnts mit allen Zutaten, die Medien und Öffentlichkeit faszinieren: ein dubioser Mord, ein prominenter Verdächtiger in Geldnöten, Liebe, Hass und Eifersucht - und ein falsches Geständnis, das zu einem großen Justizirrtum führte. Mehr als zwei Jahre lang saß der Schauspieler Günther Kaufmann unschuldig in Haft.
Die drei Mörder waren aus Berlin nach München gekommen, einer von ihnen war der Geliebte von Alexandra Kaufmann. Sie hatte das Verbrechen in Auftrag gegeben. In einem Aufsehen erregenden Wiederaufnahmeprozess wird Günther Kaufmann in allen Punkten freigesprochen.
Günther Kaufmann hat die Ausstrahlung des Films nicht mehr erlebt. Er starb im Mai 2012 an plötzlichem Herzversagen.   Quelle

Der Amtsermittlungsgrundsatz (auch Untersuchungsgrundsatz, Inquisitionsmaxime) begründet die Verpflichtung der Gerichte und Behörden, den Sachverhalt, der einer Entscheidung zugrunde liegt, von Amts wegen zu untersuchen (Prinzip der materiellen Wahrheit).

§ 38 Richtereid
"Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe."

s. Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 12.12.2012
(Az. 2 BvR 1750/12, vgl. Rn 16)