Mittwoch, 9. Januar 2013

Amtsgericht Augsburg bestätigt Freispruch für Sportwettenvermittler: Bis in das Jahr 2012 keine Strafbarkeit nach § 284 StGB

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L-HSG
Die binnengrenzüberschreitende Vermittlung von Verträgen über Sportwetten war zumindest bis in das Jahr 2012 bereits objektiv nicht strafbar. Deswegen hat kürzlich das Amtsgericht Augsburg den Freispruch eines von der Rechtsanwaltskanzlei ARENDTS ANWÄLTE vertretenen Sportwettenvermittler bestätigt (Urteil vom 27. November 2012, Az. 12 Ds 102 Js 113892/09 (2)). Nach den zutreffenden Feststellungen des Gerichts liegt bereits objektiv eine Strafbarkeit nach § 284 StGB nicht vor. Im Übrigen könne sich der Vermittler auf einen Verbotsirrtum berufen. Das Gericht stellte zugunsten des Sportwettenvermittlers eine Entschädigungspflicht für die Strafverfolgungsmaßnahmen fest.

Das Amtsgericht hatte den Vermittler bereits Ende 2011 freigesprochen. Die Sache war allerdings vom OLG München (Urteil vom 5. Juli 2012) nach Aufhebung dieses Freispruchs an das Amtsgericht zurückverwiesen worden. Auch gegen den nunmehrigen Freispruch hat die Staatsanwaltschaft Sprungrevsion eingelegt.

Zwar hat der Angeklagte nach Ansicht des Gerichts ohne Erlaubnis Glücksspiele veranstaltet. Das staatliche Sportwettenmonopol ist allerdings nicht mit Europarecht vereinbar. Auch mit dem sog. Erlaubnisvorbehalt kann eine Strafbarkeit nicht begründet werden, sofern „die nicht erfüllte Verwaltungsformalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt wurde“ (unter Hinweis auf das Markus Stoß-Urteil des EuGH vom 8. September 2010, Az. C-316/07 u.a.):

„Wenn der Erlaubnisvorbehalt (trotz europarechtswidriger Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols) wirksam bleibt, dann muss es aber für den Angeklagten auch die Möglichkeit gegeben haben eine Erlaubnis zu erhalten. Der Erlaubnisvorbehalt wäre sonst eine Verbotsvorschrift und würde wieder das europarechtswidrige Sportwettenmonopol absichern.“

Ein ergebnisoffenes Erlaubnisverfahren gab es nach den vom Amtsgericht zitierten Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht (Beschluss vom 26. Juni 2012, Az. 10 Cs 12.522). Bis zuletzt habe der Freistaat Bayern den Rechtsstandpunkt vertreten, dass eine Erlaubniserteilung gar nicht vorgesehen sei (S. 12). Das Amtsgericht Augsburg folgert hieraus (S. 13):

„Bis in das Jahr 2012 gab es zur Überzeugung des Gerichts daher kein ergebnisoffenes Erlaubnisverfahren. Der Erlaubnisvorbehalt ist aus Sicht der Verwaltung faktisch eine Verbotsvorschrift. Damit sichert der Erlaubnisvorbehalt bis heute noch das staatliche Wettmonopol ab, welches nach jetzt gefestigter Rechtsprechung europarechtswidrig ausgestaltet ist.

Insgesamt greift hier die zitierte Entscheidung des EuGH, sodass strafrechtliche Sanktionen gegen den Angeklagten nicht erfolgen dürfen.“


Eine Straflosigkeit ergibt sich im Übrigen nach Überzeugung des Amtsgerichts wegen eines Verbotsirrtums. Der Angeklagte habe der (zutreffenden) Auskunft eines auf Glücksspielrecht spezialisierten Rechtsanwalts vertrauen dürfen. Von einer Behörde hätte er keine richtige Auskunft erhalten (S. 14):

„Insbesondere kann dem Angeklagten auch keine andere behördliche Auskunftsstelle genannt werden, die ihm zutreffend Auskünfte erteilt hätte. Im Jahr 2009 war die Verwaltung der Auffassung, dass das staatliche Glücksspielmonopol europarechtskonform ausgestaltet war. Diese Auffassung war falsch.

Diese Ansicht ergibt sich nicht aus dem Untersagungsbescheid der Stadt Augsburg vom 13.05.2009, sondern auch an der bis heute vertretenen Rechtsansicht des Freistaates Bayern. Der Freistaat Bayern hat nämlich noch im Juni 2012 gegenüber dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertreten, dass die Erteilung einer Erlaubnis gar nicht zulässig sei und entsprechend ein ergebnisoffenes Erlaubnisverfahren nicht zur Verfügung gestellt.

Der Angeklagte erhielt daher die im Jahre 2009 die bestmögliche Auskunft und im Ergebnis auch richtige Auskunft. Der Irrtum war daher unvermeidbar.“  
Quelle

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L-HSG

Europarechtlich ist die Sache klar.
Angesichts der derzeit bestehenden, nicht unionsrechtskonformen Rechtslage dürfen keine strafrechtlichen Sanktionen verhängt werden.  weiterlesen

LG München I bestätigt Unanwendbarkeit des § 284 StGB
In einer aktuellen Gerichtsentscheidung hat das Landgericht (LG) München I die Straflosigkeit der Vermittlung von Sportwetten bekräftigt (Beschluss vom 15. Juni 2012, Az. 12 Qs 22/11). Das LG München I hat damit einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts München aufgehoben.
Der Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht führt im vorliegenden Fall zur Unanwendbarkeit des § 284 StGB.  weiterlesen

Verfahren wurde eingestellt - Emsdettener Wettbüro wieder geöffnet

EMSDETTEN "Das Gericht hat das Verfahren wegen illegalen Glücksspiels gegen mich eingestellt", sagte Burak Yarar auf Anfrage unserer Zeitung. Seit Montag hat Yarar sein Sportwettbüro mybet.com im Hagenkamp wieder geöffnet.

Seit Anfang Februar 2012 bietet Yarar Sportwetten an. Seitdem hat es gegen ihn mehrere Ermittlungen wegen illegalen Glücksspiels gegeben. Im November wurde schließlich seine Einrichtung beschlagnahmt. Yarar musste schließen. "Ich habe viel Geld investiert und musste nun sieben Wochen überbrücken. Das war eine harte Zeit", erklärte er.
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BayVGH
Dem Urteil des BayVGH (10 BV 10.2665 / M 22 K 07.3782)
vom 24. Januar 2012 kann unter Punkt 1.2.4.1. auf Seite 15 wie folgt entnommen werden:
Denn die Wahrung des Unionsrechts ist nicht nur Aufgabe der nationalen Gerichte. Vielmehr verpflichtet der (Anwendungs-) Vorrang des Unionsrechts neben den nationalen Gerichten auch die Behörden dazu, entgegenstehendes nationales Recht von sich aus unangewendet zu lassen: damit haben die Behörden - wie die damit befassten Gerichte - nicht nur die "Verwerfungskompetenz", sondern im konkreten Kollisionsfall auch eine unionsrechtlich geforderte "Verwerfungspflicht" (vgl. Streinz in Streiz EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2011, RdNr. 39 zu Art. 4 EUV m.w.N.). weiterlesen

VG Regensburg Untersagung der Vermittlung von Sportwetten rechtswidrig  weiterlesen

Nachdem das BVerwG feststellte, dass die Wettbüroschließungen in Rheinland-Pfalz bis 2010 rechtswidrig waren, stellte nun auch das VG Ansbach fest, dass die Untersagungsbescheide i. Grunde alle ermessensfehlerhaft und damit unwirksam waren.  weiterlesen