Freitag, 15. Mai 2020

13. Senat setzt grundsätzliche Quarantänepflicht für aus dem Ausland Einreisende außer Vollzug


Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte mit Beschluss vom 11. Mai 2020 (13 MN 143/20) die generelle Quarantänepflicht einstweilig außer Vollzug gesetzt, nachdem ein Anwalt geklagt hatte, der in Schweden ein Ferienhaus hat.
"Freiheit in erheblichem Maße beschränkt"
Die Richter des Oberverwaltungsgerichts argumentieren, dass das Infektionsschutzgesetz eine Regelung durch Rechtsverordnung nur zulasse, wenn bestimmte Voraussetzungen vorlägen.

Dieses Gesetz sehe Quarantäne nur für bestimmte Personen vor - etwa Kranke oder Krankheitsverdächtige.
Im Hinblick auf die weltweiten Fallzahlen, die in Relation zur Weltbevölkerung zu setzen seien, könne auch bei Berücksichtigung einer hohen Dunkelziffer ein aus dem Ausland Einreisender aber nicht pauschal als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtiger angesehen werden.
Die Freiheit von Menschen, die unter Quarantäne gestellt würden, werde in erheblichem Maße beschränkt. Es sei aber möglich, durch Rechtsverordnungen Risikogebiete auszuweisen, die die Verhängung einer Quarantäne rechtfertigten, argumentierten die Richter. Alternativ könne der Staat Menschen, die aus dem Ausland einreisen, verpflichten, sich unverzüglich bei den jeweils zuständigen Infektionsschutzbehörden zu melden. Diese könnten dann - etwa durch Befragungen und/oder Tests - Maßnahmen ergreifen.
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PRESSEMITTEILUNG
13. Senat setzt grundsätzliche Quarantänepflicht für aus dem Ausland Einreisende außer Vollzug
Der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 11. Mai 2020 (13 MN 143/20) § 5 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona Virus vom 8. Mai 2020, der aus dem Ausland Einreisende grundsätzlich einer Quarantänepflicht unterwirft, einstweilig außer Vollzug gesetzt.
Der Antragsteller, der Eigentümer einer Ferienhausimmobilie in Südschweden ist, hatte sich mit einem Normenkontrolleilantrag gegen die Quarantänepflicht gewandt und argumentiert, die Voraussetzungen, an die das Infektionsschutzgesetz die Möglichkeit der Anordnung einer Quarantäne anknüpfe, lägen auch bei typisierter Betrachtungsweise nicht bei allen Rückkehrern aus dem Ausland vor.
Der Senat hat dem Antrag entsprochen. Es fehle bereits an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer derartigen Vorschrift. § 32 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) lasse eine Regelung durch Rechtsverordnung nur zu, wenn die Voraussetzungen vorlägen, die für den Erlass einer Einzelmaßnahme nach den §§ 28 bis 31 IfSG erfüllt sein müssten. § 30 IfSG sehe die Verhängung von Quarantänemaßnahmen nur für im Gesetz näher bestimmte Kranke, Krankheitsverdächtige, Ausscheider und Ansteckungsverdächtige vor. Im Hinblick auf die weltweiten Fallzahlen, die in Relation zur Weltbevölkerung zu setzen seien, könne auch bei Berücksichtigung einer hohen Dunkelziffer ein aus dem Ausland Einreisender nicht pauschal als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtiger angesehen werden. Voraussetzung sei insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Davon könne nicht unterschiedslos hinsichtlich aller Herkunftsregionen ausgegangen werden.
Die Einbeziehung weiterer Personengruppen in den Kreis derjenigen, gegen die Quarantänemaßnahmen gerichtet werden können, wie die der aus dem Ausland Einreisenden, sei Aufgabe des Gesetzgebers. Die Freiheit der unter Quarantäne Gestellten würden durch diese Maßnahme in erheblichem Maße beschränkt.
Auf der anderen Seite bleibe es dem Antragsgegner unbenommen, durch Rechtsverordnung auf der Grundlage tatsächlich nachvollziehbarer Erkenntnisse Risikogebiete auszuweisen, die die Verhängung einer Quarantäne rechtfertigen. Alternativ könne er aus dem Ausland Einreisenden eine Pflicht zur unverzüglichen Meldung bei den jeweils zuständigen Infektionsschutzbehörden auferlegen. Diese könnten dann, ggf. aufgrund durchgeführter Befragungen und/oder Tests, die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, zu denen bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall auch die Verhängung einer Quarantäne gehören könne.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Pressemitteilung


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https://www.berlin.de/gerichte/sonstige-gerichte/verfassungsgerichtshof/pressemitteilungen/2020/81-a-20-beschluss-neutral.pdf


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